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Integration
Wenige Azubistellen für Flüchtlinge

Nur 54 Flüchtlingen bieten die DAX-Konzerne eine Ausbildungsstelle. Generell ist das Thema mit vielen Fragezeichen besetzt. Die mittelständische Firma Häfele aus dem baden-württembergischen Nagold gilt deshalb als Vorbild. Hier machen zwölf Flüchtlinge eine Ausbildung. Die größte Hürde war für die Firma dabei die deutsche Bürokratie.

Von Thomas Wagner | 21.11.2016
    Ausbilder unterhält sich mit einem afghanischen Flüchtling.
    Afghanischer Flüchtling in einem Ausbildungsbetrieb: Für Firmen ergeben sich bei der Beschäftigung viele Fragezeichen. (picture alliance/ dpa/ Jens-Ulrich Koch)
    - "Ich heiße Hüsai Osmorum. Ich komme aus Eritrea. Ich bin 25 Jahre alt. Ich bin seit drei Jahren in Deutschland. Ich mache die Ausbildung eines Fachlageristen."
    - "Mein Name ist Mohammad Alasawi. Ich komme aus dem Irak. Ich bin 27 Jahre alt. Ich lebe hier seit einem Jahr und zwei Monaten in Deutschland. Und ich mache hier eine Ausbildung als Fachlagerist bei Häfele."
    Gabelstapler fahren im Minutentakt an riesigen Regalwänden vorbei. Arbeitsalltag im Logistikzentrum jenes Unternehmens am Stadtrand von Nagold, das einen urschwäbischen Namen trägt: Häfele. Das Familienunternehmen stellt Möbelbeschläge und elektronische Türschließsysteme für Kunden in aller Welt her. Jahresumsatz: rund 1,2 Milliarden Umsatz. Hüsai Unsmorum aus Eritrea und Mohammed Alasawi sind zwei von zwölf Flüchtlingen, die das Unternehmen im vergangenen Sommer als Auszubildende eingestellt haben. Das ist, gemessen an der Stammbelegschaft, bundesweit ein Spitzenplatz.
    "Wir haben vor einem Jahr eine Initiative begonnen, um jugendliche Geflüchtete zu integrieren in unser System der dualen Ausbildung. Wir haben ja eine soziale Ausbildung hier in der Region. Wir sind eines der größten Unternehmen hier in der Region."
    So Sybille Thierer, Mitglied der Geschäftsleitung bei Häfele in Nagold. Die jungen Flüchtlinge selbst sehen in der Möglichkeit der dualen Berufsausbildung die Eintrittskarte für ein neues, besseres Leben, so Hüsai Osmorum aus Eritrea und Mohammed Alasawi aus dem Irak:
    - "Das gefällt mir sehr gut, dass ich bei Häfele die Ausbildung machen kann. Das gefällt mir auch sehr gut im Ausland. Ich habe einen Pass bekommen, dass ich in Deutschland bleiben kann."
    - "Ich habe genaue Vorstellungen, wie ich meine Zukunft in Deutschland gestalten möchte. Ich möchte meine Ausbildung abschließen. Und eine eigene Wohnung haben, den Führerschein machen, beruflich in Deutschland bleiben."
    Dass Beispiel von Hüsai Osmarum aus Eritrea und Mohammed Alasawi aus dem Irak deutet aber auch an, warum bei Häfele dass funktioniert, was anderswo schwierig bis unmöglich erscheint, nämlich ein erfolgreicher Start junger Flüchtlinge in eine berufliche Ausbildung.
    "Die Flüchtlinge müssen einigermaßen Deutsch sprechen, sonst geht es nicht, das ist völlig klar. Und das ist eigentlich die einzige Voraussetzung, wenn ich es so richtig sehe."
    Nur 54 Flüchtlings-Azubis bei den DAX-Konzernen
    So Detlef Scheele, Vorstandsmitglied für den Bereich Arbeitsmarkt bei Bundesagentur für Arbeit. Allgemein herrscht, weiß Scheele, immer noch eher Zurückhaltung, wenn es Ausbildungsverträge für junge Flüchtlinge geht. Nach einer Umfrage der "FAZ" vom Sommer haben alle deutschen DAX-Konzerne zusammen gerade mal 54 Flüchtlinge als Auszubildende eingestellt, während Häfele alleine zwölf junge Flüchtlinge beschäftigt. Eigentlich, findet Vorstand Detlef Scheele von der Bundesagentur für Arbeit, müsste es noch viel mehr solcher Häfeles geben:
    "Ein Vorbild ist es allemal, an dem sich andere sozusagen ein Vorbild nehmen können, weil sie sehen: Es geht."
    Dass die Integration der Flüchtlinge auch tatsächlich gelingt, muss das Unternehmen allerdings entsprechende Vorkehrungen treffen:
    "Also mein Name ist Torsten Kless. Ich bin selber Auszubildender. Die Nebenaufgabe bezieht sich darauf: Wir sind als Paten eingesetzt für die Flüchtlinge, die bei uns auch die Ausbildung machen. Das heißt, wir betreuen die Leute, wenn sie Probleme haben, können wir mit Rat und Tat zur Seite stehen, sind wir da mit unserer Unterstützung mit dabei."
    Gleichaltrige Paten helfen
    Solche gleichaltrigen Paten im Unternehmen sind ein wichtiger Schlüssel zur erfolgreichen Integration. Schließlich, weiß Mohammed Alasawi, liegen zwischen den Arbeitsbedingungen zwischen Deutschland und seinem Heimatland Irak Welten:
    "Also, hier in Deutschland ist die Arbeitszeit ein bisschen lang. Im Irak ist das nicht so. Hier ist alles regelmäßiger. Im Irak ist es unregelmäßig. In Deutschland verdient man gutes Geld. Und die Arbeit ist sicher, der Arbeitsplatz ist sauber. Im Irak ist alles umgekehrt."
    Nennenswerte Reibungspunkte habe es bei der Integration der zwölf geflüchteten Ausbildenden bislang nicht gegeben, freut sich Häfele-Chefin Sybille Thierer. Sie benennt aber ein anderes Problem:
    "Die Bürokratie. Das ist tatsächlich das größte gewesen. Wann darf jemand arbeiten?"
    Sybille Häfele hofft, dass sich der Dschungel an Paragrafen, der sich bei der Beschäftigung junger Flüchtlinge auftut, nach und nach lichtet. Und dann wünscht sie sich auch bei anderen Unternehmen ein wenig mehr Mut, auch bei den ganz Großen:
    "Ich glaube nicht, dass ein Familienunternehmen dazu besser geeignet ist als ein DAX-Unternehmen. Die können das genauso gut. Vielleicht haben Familienunternehmen nur stärker diese soziale Verantwortung gesehen und auch für sich besser die Chancen erkannt, was man machen kann. Aber ich denke, das geht genauso gut in DAX-Unternehmen wie im Familienunternehmen."