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Intelligent durch den Körper

Ist ein Schachcomputer wie Deep Blue intelligent? Oder eine Küchenschabe, die es schafft, in einer feindlichen Umwelt zu überleben? Beim Thema Intelligenz scheiden sich die Geister. Die einen zählen die Gehirnwindungen und machen es am berühmten Intelligenzquotienten fest. Die anderen meinen, um intelligent zu sein, benötigen wir Körper und Umwelt. Der Schweizer Wissenschaftler Rolf Pfeifer glaubt Letzteres. Er experimentiert mit Gehrobotern und simuliert am Computer ungewöhnliche Kreaturen. Mit Hilfe der Evolution wird nicht nur die Steuerung entwickelt, sondern der Körper und das Gehirn.

31.05.2003
    Von Evdoxia Tsakiridou

    Rolf Pfeifer, Chef des Instituts für Künstliche Intelligenz an der Universität Zürich, schickt Stumpy, seinen tanzenden Roboter, immer wieder auf neue Parcours. Ist ein Hindernis im Weg, ändert Stumpy seinen Laufrhythmus. Dann stapft er mit seinem vierbeinigen Gestell auf der Stelle, verfällt in Trab oder setzt zum Galopp an. In seine natürliche Gangart findet er zurück, wenn ihn sein Schöpfer berührt. Die Laufmaschine besteht aus einer einfachen Steuerung, Sensoren und einem kleinen Motor. Sie ist eines der vielen Versuchsobjekte, mit deren Hilfe Pfeifer, dem Wesen der Intelligenz auf der Spur ist.

    Wenn man diese Morphologie und die richtigen Materialien hat, dass man mit ganz wenig Steuerung eine große Verhaltensvielfalt hinkriegen kann - und wieder eine andere Gangart! Und wie gesagt, nur mit zwei Gelenken. Da ist praktisch kein Gehirn drauf.

    Intelligenz ist Verhalten, oder die Interaktion eines Systems mit seiner physikalischen und sozialen Umwelt. Davon sind Pfeifer und seine Mitarbeiter überzeugt. Für das Verhalten spielen der Körper und dessen sensorische Wahrnehmung eine zentrale Rolle.

    Das wäre eigentlich eine andere Hypothese: Das eben sehr viel von unserem Verhalten gesteuert ist, einfach durch ,low sensory water loops', also niedrigen sensormotorischen Schleifen, fast reflexartig und gar nicht unter bewussten Kontrolle ist.

    Das menschliche Gehirn ist zu komplex, um es vollständig zu erfassen. Deswegen orientiert sich Pfeifers Truppe an einfachen Systemen und auf den ersten Blick trivialen Fragestellungen, wie etwa dem Gehen. Die Maschinenwesen sind äußeren Bedingungen ausgesetzt und müssen lernen, auf einen Reiz sinnvoll zu reagieren. Auf diese Weise lässt sich Intelligenz sichtbar machen. Es gibt aber auch eine andere Möglichkeit: Die Forscher simulieren die Evolution und übertragen deren Prinzipien auf die Maschinenentwicklung.

    Was jetzt aber wirklich neu ist, das wir nicht nur die Steuerung evolvieren, sondern den Körper und das Gehirn, wenn Sie so wollen, zusammen, gleichzeitig.

    Es wird lediglich definiert, was die Kreatur können soll, den Rest erledigt der Rechner. In dem Fall handelt es sich um eine kleine Kugelzelle, die einen riesigen Würfel über eine Fläche schieben soll. Das Ergebnis ist ein virtueller, wurmähnlicher Roboter, der mit einer Art Gliederarm den Kubus über den Monitor schiebt. Er setzt sich aus Einheiten zusammen, die Muskel-, Knochen- und Nervenzellen entsprechen. Dieses autonome Geschöpf ist das verblüffende Resultat einer Kommunikation unter den künstlichen Zellen. Es verfügt über einen individuellen Bauplan für einen Körper, der perfekt darauf ausgerichtet ist, einen schweren Klotz vorwärts zu schieben. Nun basteln die Züricher Robotiker am ersten realen Wurm-Prototypen. Ihr Chef ist schon einen Schritt weiter und denkt Türöffner und elektronische Schaltkreise:

    Eine vollständig automatisierte Designmethodik zu haben. Dass wir dem System nur noch sagen, was es können soll, was wir gerne für Funktionalitäten hätten, drücken auf den Knopf, gehen ins Kino, nach Hause und kommen am nächsten Morgen zurück, und dann haben wir einen fix und fertigen Bauplan für das Gerät, das wir haben wollen.