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Intelligente Fernseher
Der vernetzte Zuschauer

Viele Fernsehgeräte sind heutzutage mit dem Internet verbunden. Solche SmartTVs können den Programmmachern und der Werbewirtschaft Informationen über das Fernsehverhalten liefern. Für die Zuschauer bietet das Chancen und Risiken.

Von Daniel Bouhs | 23.10.2014
    Eine Fernbedienung ist auf einen Fernseher gerichtet.
    SmartTVs können Informationen über das Fernsehverhalten liefern (Robert Schlesinger, dpa picture-alliance)
    Schöne neue Fernsehwelt: Dank Mediatheken und Online-Videotheken direkt im Fernseher ist der Zuschauer heute oft sein eigener Programmdirektor. Spielfilme, Serien und Seifenopern wann immer gerade Zeit und Lust dafür ist. Das versprechen die Hersteller für ihr sogenanntes Smart-TV. Fernseher, die mitdenken - beworben in Werbevideos, die Lust auf die neuen Möglichkeiten machen sollen:
    "Auch auf dieser Seite wird das TV-Gerät ihr bisheriges Nutzerverhalten berücksichtigen und ihnen ganz persönliche Filmempfehlungen anbieten."
    Die "ganz persönliche Filmempfehlung", das individuelle Fernsehprogramm oder auch: interaktive Werbung. Fernsehen ist inzwischen keine Einbahnstraße mehr. Die Branche arbeitet daran, den Rückkanal Internet für Werbeplatzierungen zu nutzen. Werbeprofi Thomas Funk von der Agentur DDB:
    "Das heißt, wir können über den Spot interaktiv auf eigene Apps vernetzen. Dann kann man letztendlich das Kleid, das man eben im Spot gesehen hat, auch direkt shoppen."
    Neuste Handtasche über die Fernbedienung bestellen
    Das Traumszenario dafür ist klar: Der Zuschauer entdeckt in seiner Lieblingsserie ein neues Accessoire - sei es eine Handtasche oder ein Handy - drückt auf die Fernbedienung und bekommt das Produkt schon am nächsten Tag bequem nach Hause geliefert. Oder es öffnet sich direkt auf dem Fernseher eine Produktinformation mit allen Details, Bestellmöglichkeiten inklusive.
    "Wenn ich bis jetzt einen Spot sehe und mich für ein Produkt interessiere, dann muss ich online erst mal in die Recherche einsteigen. Mir wird das ganze Leben deutlich leichter gemacht."
    Empfangsboxen erfassen Fernsehverhalten
    Das deutlich leichtere Leben ist aber nur die eine Seite dieser Entwicklung. Die andere: Irgendjemand muss für diese Funktionen Daten sammeln und auswerten. Das ist ein Risiko: Der Zuschauer könnte gläsern werden. Darauf aber lassen sich vor allem deutsche Nutzer offensichtlich nur ungern ein, wie Daniel Hesselbarth von Unitymedia erfahren hat. Der Kabelnetzbetreiber bestückt Kunden in unterschiedlichen Ländern mit denselben Empfangsboxen. Die wiederum fragen Zuschauer, ob sie ihr Fernsehverhalten erfassen dürfen, für persönliche Tipps. Allein:
    "In Holland, auch in der Schweiz beispielsweise, sind die Einwilligungsraten deutlich höher, also eher nahe 100 Prozent. In Deutschland liegen sie eben deutlich darunter, eher unterhalb von 60 Prozent", berichtet der Vertreter des Kabelnetzbetreibers. Hierzulande muss der Zuschauer gefragt werden, ob er Daten preisgeben will - bei der Ersteinrichtung des Geräts oder beim ersten Aufrufen eines vorinstallieren Programms.
    Datenschützer nennen dieses Verfahren "Opt-in": Nur wer rein will, ist dabei. Doch bei Geräten mit Smart-TV-Funktionen hat es auch schon Überraschungen gegeben: Fernseher, die unbemerkt Informationen zum Hersteller schickten, etwa die Dateinamen von Fotos und Videos, die Zuschauer per USB-Stick an ihren Geräten anschauten. Holger Wenk von der deutschen TV-Plattform, dem Zusammenschluss der Fernsehbranche:
    "Das Hauptquartier der Hersteller ist in Ländern, die - sage ich mal - nicht so sehr vertraut sind mit deutschen Befindlichkeiten, mit Datenschutz. Also dauert es eine Weile, bis man sozusagen eine gewisse Sensibilität entwickelt. Inzwischen ist das auch angekommen, bei quasi allen Herstellern: Wir müssen sensibel damit umgehen."
    Wenk führt am Rande der Münchener Medientagen erste Geräte vor, die auf Googles Betriebssystem Android laufen. Sogar hier hat der Nutzer die Kontrolle über seinen Datenabfluss - wenn er sich, denn dafür interessiert. Das ist dabei Voraussetzung.
    Entwurf für eine Selbstverpflichtung
    Die Fernsehbranche fürchtet sich dennoch vor neuen Gesetzen für die intelligenten TV-Geräte. Starren Regeln will sie auf jeden Fall zuvorkommen. Der Branchenverband legt dafür in den nächsten Tagen einen Entwurf für eine Selbstverpflichtung vor. Vor allem will die Branche Zuschauern garantieren, auch im vernetzten Zeitalter völlig anonym fernsehen zu können – so wie früher als Fernseher noch gänzlich passive einfache Geräte waren.