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Intelligente Modelle sind gefragt

Bei meinem letzten Besuch bin ich in Shanghai gefragt worden, ob es wirklich wahr sei, dass ausländische Studenten in Deutschland ohne für das Studium Gebühren zu zahlen zu müssen studieren könnten. Und ich habe wahrheitsgemäß gesagt, das ist so. Und ich glaube diese Tatsache ist ein große Leistung.

Von Patrick Honecker | 05.02.2004
    November 2001, Bundeskanzler Gerhard Schröder ist stolz auf die Bildungs-Politik seiner Partei. Das Gebot der Stunde ist Chancengerechtigkeit. Studiengebühren oder elternunabhängiges BAföG wird es mit dieser SPD nicht geben, versichert der Kanzler. Rund zwei Jahre später hat der selbe Regierungschef die Elite entdeckt. Zum Jahresauftakt fordert er Innovation und zwar durch Bildung und Forschung.

    Wir haben deutlich gemacht, dass wir es schaffen müssen, in dieser Dekade mit denen gleich zu ziehen, die etwa in Amerika, aber nicht nur dort, ich könnte auch die Schweizer Eidgenössische Hochschule nennen, die Spitzenleistungen, immer vor einem anderen organisatorischen Hintergrund, aber Spitzenleistungen in der akademischen Ausbildung, ebenso, wie natürlich in der Forschung erreichen.

    Es kann kein Zufall sein, dass sich der Bundeskanzler vor allem für die ausländischen Hochschulen begeistert, die sich über Gebühren finanzieren. Hinter dem Lob der europäischen und US-amerikanischen Elite-Hochschulen, steht ein neuer bildungspolitischer Schwerpunkt. Experten sind sich einig:
    Der Beginn des flächendeckenden Bezahl-Studiums ist nah, es fehlt nur noch der höchstrichterliche Startschuss.

    Bundesbildungsministerin Bulmahn beruft sich immer wieder auf das Hochschulrahmengesetz, HRG, wenn sie das Gebührenverbot begründen will. In der Neufassung, die im August 2002 in Kraft getreten ist, wurde dem Paragraphen 27 ein bis heute umstrittener Absatz angefügt. In ihm heißt es:

    Das Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss und das Studium eines konsekutiven Studiengang, der zu einem weiteren berufsqualifizierenden Abschluss führt, ist studiengebührenbefreit. In besonderen Fällen kann das Landesrecht Ausnahmen vorsehen.

    Ein Gesetz, das nach Meinung von sechs Landesregierungen viel zu weit in ihre Kompetenzen hineinreicht. Im Mai des vergangenen Jahres zogen sie vor das Bundesverfassungsgericht, an der Klage beteiligt ist Baden-Württemberg.
    Der dortige Wissenschaftsminister Peter Frankenberg gibt sich siegessicher.

    Ich bin überzeugt, dass das Gericht sehen wird, dass die Frage, ob Studiengebühren eingeführt werden oder nicht, Ländersache ist. Das ist ja Hauptklagegegenstand. Wenn wir Studiengebühren einführen, dann ist es nur ein Bruchteil dessen, was das Studium wirklich kostet. Und das Gericht müsste auch einsehen, dass Hochschulen nicht mehr finanzierbar sind, ohne private Mittel. Und dass das auch eine internationale Wettbewerbslage ist. In der Deutschland durch das Verbot von Studiengebühren einfach benachteiligt ist.

    Wahrscheinlich in der zweiten Hälfte dieses Jahres will das höchste deutsche Gericht sein Urteil verkünden. Genug Zeit für politische Scharmützel, bei denen der Frontverlauf immer unklarer wird.
    Erwartungsgemäß gehört das Juso-dominierte studentische Aktionsbündnis gegen Studiengebühren, kurz ABS, zum Kreis derjenigen, die Gebühren ablehnen. ABS, das nach eigenen Angaben mehrere zehntausend Studenten vertritt, versucht mit Protest-Aufrufen den Widerstand gegen den Systemwechsel zu organisieren. Geschäftsführer Clemens Himpele ist an der volkswirtschaftlichen Fakultät der Universität Köln eingeschrieben. Er begründet seine Ablehnung mit den Bedingungen an einer Massen-Universität

    Ich bin nach wie vor der Meinung, dass neunundneunzig Prozent der Studierenden ein Studium beginnen mit dem Ziel, es möglichst schnell abzuschließen und relativ schnell merken, dass es so einfach nicht geht. Und zwar nicht so einfach, weil man eben lernen muss, sondern nebenbei Geld verdienen, dass die Seminare voll sind, man nicht rein kommt. Ich stand diese Woche schon mal um acht Uhr vor verschlossenen Türen, weil um neun Uhr Anmeldungen zu Seminaren waren und ich Angst hatte, dass, wenn ich nicht rechtzeitig da bin, keinen Platz mehr bekomme und solche Sachen mehr. Des Weiteren finde ich, wenn jemand länger studiert und das auch als Ziel hat, sich weiterzubilden, das ist nicht schlimm und ich stell’ mir immer die Frage, wen diese Leute eigentlich stören.

    Diese Argumentation kann die thüringische Wissenschaftsministerin Dagmar Schipanski, CDU, nachvollziehen. Deswegen ist ihre Haltung zu Studiengebühren ein klassisches 'Jein’.
    Sie wirbt massiv für eine stärkere Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft. Bislang allerdings mit wenig Erfolg.

    Ich kann mir das vorstellen, aber die Antworten, die ich bisher aus der Industrie erhalten habe, sind alles andere als zustimmend. Ich stehe auch auf dem Standpunkt, dass wir in Deutschland erst dann ein Studiengebührensystem einführen können, wenn wir ein Stipendien-System eingeführt haben. Ich habe dafür bei der Industrie geworben, aber ich habe relativ wenig Gegenliebe dafür gefunden.

    Die Mehrheit der Landesregierungen ist allerdings inzwischen der Auffassung, dass die bisherigen Modelle der Hochschul-Finanzierung ausgedient haben. Der baden-württembergische FDP-Wirtschaftsminister Walter Döring argumentiert, dass sich die deutschen Innovations-Probleme nur durch eine radikale Strukturveränderung lösen lassen.

    Da ist die Frage der Internationalisierung der Ausbildung ebenso wichtig, wie die Tatsache, dass wir uns mit vernünftigen Finanzierungsmodellen befassen müssen, die der Einsicht folgen, dass ein Studium nicht mehr zum Nulltarif möglich sein wird.

    In Baden-Württemberg, dem Saarland, Niedersachsen und Thüringen wurde diese Einsicht schon in konkrete Maßnahmen umgesetzt. In jedem dieser Länder müssen Studenten bis zu 500 Euro zahlen, wenn sie die Regelstudienzeit um vier Semester überschritten haben. Auch Hamburg wird vom kommenden Sommersemester an Langzeitstudiengebühren erheben.

    Neben Langzeitstudien- und Verwaltungsgebühren legitimiert ein anderes Modell die Umrechung von studentischer Leistung in pekuniäre Einheiten. Es ist das Studien-Kontenmodell. Der rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister Jürgen Zöllner hat dieses Guthaben-System gemeinsam mit seiner ehemaligen NRW-Kollegin Gabi Behler entwickelt. Behler hat inzwischen ihren Stuhl geräumt, das Studienkonten-Modell soll, gemeinsam mit Langzeitstudien-Gebühren, im kommenden Sommersemester in beiden Bundesländern seine Premiere haben.
    Die nordrhein-westfälische Landesregierung setzt vor allem deshalb auf die Studienkonten, weil sie im Sommer 2002 ein hochschulpolitisches Debakel erleben musste.

    10tausende von Studenten waren auf die Straße gezogen, um gegen den unsensiblen Versuch von SPD-Ministerpräsident Wolfgang Clement und seinem Finanzminister Peer Steinbrück zu demonstrieren, die studentische Rückmelde- und Langzeitstudiengebühren für die Sanierung des Landeshaushalts verwenden wollten. Eine Studentin:

    Es geht darum, dass das Geld nicht zurück in unsere Bildung gesteckt wird, sondern damit angeblich die Haushaltslöcher des Staates gefüllt werden müssen. Und unsere Semesterbeiträge betragen im Moment bei uns 113.- Euro, werden ab nächstes Jahr eh schon erhöht, und dagegen protestieren wir auch nicht, sondern es geht um die 50 bzw. 650 Euro die in den Staat fließen und in unsere Bildung nicht zurückgesteckt werden.

    Das Studienkonten-Modell ist für den Studenten erst einmal kostenneutral. Er hat ein Leistungsguthaben, die so genannten 'credit points’, die gegen Angebote der Hochschule eingetauscht werden können. Erst wenn die Regelstudienzeit um das 1,5-fache überschritten ist, werden Langzeitstudiengebühren fällig. Ein eventuelles Restguthaben kann für Fortbildung verwendet werden, auch wenn das Examen schon länger zurückliegt. Der Vorteil dieses Modells liegt in der Begrenzung der Studienzeiten und der besseren Überprüfbarkeit von Faktoren wie Studienverlauf oder Fächernachfrage. Der entscheidende Nachteil für die Hochschulen liegt darin, dass grundsätzlich keine neuen Geldquellen erschlossen werden.
    Das Einnahme-Problem versuchen andere Modelle zu lösen, die derzeit diskutiert werden.

    Tempo bekam die Diskussion im Dezember 2002. Da erregte der Präsident der Technischen Universität München, Wolfgang Herrmann, den Unmut seines Dienstherren. Herrmann ignorierte politische Empfindlichkeiten und forderte die autonomere Hochschule. Wobei zur Autonomie selbstverständlich auch die Möglichkeit gehöre, Geld für die Angebote zu verlangen.

    Bildungsbeiträge bringen den Studenten aus einer passiven Empfängerrolle in einer aktive Kundenposition, die erstklassige Leistung fordert. Bildungsbeiträge basieren auf dem umgekehrten Generationenvertrag und tragen zum Umbau der Universität von der unentgeltlichen Bildungsbehörde zur unternehmerischen Solidargemeinschaft bei.

    Hermann versicherte zugleich, dass die unternehmerische Solidargemeinschaft einem finanziellen Ausleseprozess entgegen wirken werde. Im Auswahlverfahren begründen die intellektuellen Leistungen der Studenten die Zulassung zum Studium. In einem zweiten Schritt wird ein - auf die persönliche Situation zugeschnittenes - Darlehen ermittelt. Das Darlehen soll privatwirtschaftlich organisiert werden, die Rückzahlung erfolgt nach einem bestimmten Prozentsatz des späteren Einkommens. Als drittes sollen so genannte studienförderliche Jobs gefunden werden, entweder an der Universität selber oder bei kooperierenden Unternehmen. Der Student ist dann nicht mehr zu einer fachfremden Tätigkeit gezwungen.

    Ähnlichkeiten zum TU-Modell zeigt der Entwurf des Hamburger Wissenschaftssenators Jörg Dräger. Dräger, der einen überwiegenden Teil seiner akademischen Ausbildung an der New Yorker Cornell-Universität absolviert hat, gilt vielen als Hoffnungsträger in der Hochschulpolitik. Er plädiert für Bildungsdarlehen, die möglichst elternunabhängig und mit einkommensabhängiger Rückzahlung angeboten werden. In einem kürzlich veröffentlichten Beispiel erläuterte Dräger, worum sein System Stipendien überflüssig macht.

    Wir gehen jährlich von 280 000 Studienanfängern aus. Ein Drittel von ihnen wird für fünf Jahre eine finanzielle Unterstützung in Anspruch nehmen. Das sind schon deutlich mehr Stundenten als das Fünftel, das heute in den Genuss von BAföG kommt. Die durchschnittliche BAföG-Höhe beläuft sich im Jahr auf ungefähr 4000 Euro. Nach dem Hamburger Modell beläuft sich das mögliche Bildungsdarlehen auf 6500 Euro pro Jahr. Davon können Studiengebühren von 2500 Euro bezahlt werden. Der Rest dient dem Lebensunterhalt. In der Studienphase übernimmt der Staat die Zinslast, erst nach dem Berufseinstieg beginnt der Absolvent zu einem festgesetzten Zinssatz zu tilgen.

    Drägers Modell setzt ganz klar auf die Verantwortung des Einzelnen für sein Studium. Sowohl das Münchner, als auch das Hamburger Modell, können unter der Überschrift 'Nachlaufende Studiengebühren’ eingeordnet werden. Der Student tilgt seinen Studienkredit erst nach Examen und Berufseinstieg.

    Ein grundlegend anderes Konzept diskutiert man dagegen in Mecklenburg-Vorpommern. Der parteilose Wissenschaftsminister Hans-Robert Metelmann präferiert eine Finanzierung, die auf das Gefühl der Verbundenheit setzt. Sein Alumni-Modell sieht vor, dass Studenten Mitglieder in einem Verein ihrer Hochschule werden. Nach Abschluss des Studiums spenden sie ihre Universität oder Fachhochschule Geld. Das kommt der Qualität der Lehre und Forschung zu Gute und stärkt damit den Ruf der eigenen 'alma mater'. Das wirkt sich wiederum positiv auf die Bewertung des eigenen akademischen Werdegangs aus, spekuliert Metelmann. Frei nach dem Motto: Eine wohlhabende Hochschule leistet Spitzenarbeit und schafft Spitzenabschlüsse.

    Viele Ideen, wohin aber entwickelt sich die deutsche Hochschul-Landschaft in einer globalisierten Welt?
    Ein Blick zurück offenbart gravierende sozial-politische und ökonomische Veränderungen.
    In den 60er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden in vielen Ländern die Studiengebühren abgeschafft. In Deutschland geschah das 1970, wobei man mit einer über 300jährigen Tradition brach, nach der Studierende ihrem Professor für seine individuelle Leistung honorierten.

    Eine erneute Trendwende vollzog sich in den 80er Jahren. Viele Erwartungen, die man in eine mutmaßlich gerechtere Bildungsfinanzierung gesetzt hatte, waren enttäuscht worden. Man hatte plötzlich mit einem Überschuss an Akademikern zu kämpfen, steigende Hochschulausgaben strapazierten die Staatshaushalte. In den meisten Ländern war es zudem nicht gelungen, soziale Benachteiligungen an Schulen und Hochschulen zu beseitigen. Immer noch studierten in erster Linie Akademiker-Kinder, allerdings alimentiert von allen Steuerzahlern. In den 90er Jahren verstärkte sich dieser Trend, was dazu führte dass die Zahl der Gebührenbefürworter in den entscheidenden Gremien wuchs.

    In Europa ist der Raum für ein kostenfreies Studium eng geworden. Während sich die EU-Beitrittsländer ohnehin stark am angelsächsischen System orientieren und man in Osteuropa aus Erfahrung mit der sozialistischen Planwirtschaft eine hohe Affinität zur Marktorientierung hat, sind es im alten Europa nur noch fünf Länder, die keine Gebühren verlangen. Neben Deutschland sind das Dänemark, Finnland, Griechenland und Schweden.

    In Österreich wurden Studiengebühren erst 2002 eingeführt, die Hochschulen wurden zu Anstalten des öffentlichen Rechts. Erklärtes Ziel dieser Reformen: Mehr Autonomie und stärkerer Wettbewerb, auch im internationalen Vergleich. Während die österreichische Bildungsministerin die positive Steuerungswirkung dieser Reform hervorhebt, ist der Protest der Studenten immer noch laut. Sie beklagen, dass die Einführung nicht mit der Verbesserung der Studiensituation verbunden wurde. Ein Studentensprecher auf einer Demonstration in Wien:

    Überfüllte Hörsäle, strukturelle Mängel, lange Wartezeiten, keine Prüfungstermine, dafür bezahlen wir jetzt 10tausend Schillinge. Cool, ne...(Pfiffe) Es bleibt bei diesem Nein zu Studiengebühren der Studierenden. Es bleibt beim Nein zu diesem bildungspolitischen Rückschritt und es bleibt beim Nein zu einem Null-Budget mit Null-Intelligenz dahinter.

    Intelligente Reformen verlangt auch der 'spiritus rector’ der deutschen Hochschulpolitik, Detlev Müller-Böling. Er leitet in Gütersloh des Centrum für Hochschulentwicklung, CHE. Ein Think-Tank getragen von Bertelsmann-Stiftung und Hochschulrektoren-Konferenz. Müller-Böling befürchtet, dass die dringend notwendigen Reformen schlecht umgesetzt werden. Das CHE befürwortet Gebühren, diese müssten aber definitiv zu einer Verbesserung von Lehre und Forschung führen. Die Gebühren, die in Deutschland bislang schon erhoben werden, gingen in die vollkommen falsche Richtung, so Müller-Böling.

    Hier ist wirklich eine unsägliche Situation entstanden mit diesen Langzeitstudiengebühren, weil sowohl die Befürworter, wie auch die Gegner von Studiengebühren sich jetzt auf das allerschlechteste Modelle einigen können, nämlich Langzeitstudiengebühren. Es ist also geradezu ein Wahnwitz. Nirgendwo auf der Welt gibt es Langzeitstudiengebühren, wir führen die hier jetzt tatsächlich flächendeckend geradezu ein, parteipolitisch völlig unabhängig. Das ist also ein Musterbeispiel für Wahnsinn. Denn es gehen keine positiven Steuerungswirkungen davon aus, der einzige Nutzen ist der, das die Statistik bereinigt wird, aber das könnte man vielleicht auch auf eine andere Art und Weise schaffen.

    In Gütersloh ist man sich sicher; das HRG steht auf dem Prüfstand, nicht nur vor dem Bundesverfassungsgericht. Es sei schließlich in einer geschichtlichen Situation entstanden, in der die Universitäten im Gruppen-Proporz auseinander zufallen drohten, erinnert Müller-Böling

    Und da, hat man gesagt, braucht man hier eine starke, ordnende Hand. In den einzelnen Ländern wäre das auch nicht möglich. Und das ist der Zeitraum für das Hochschulrahmengesetz gewesen. Das ist entfallen, die Notwendigkeit. Diese historische Begründung fehlt. Und von daher kann ich mir sehr gut vorstellen, dass wir das HRG nicht brauchen.

    Diese Einstellung scheint sich langsam aber sicher auch in der Regierungsspitze durchzusetzen. Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn hat sich im Rahmen der geplanten Föderalismusreform für eine Entflechtung ausgesprochen. Im Bildungsbereich sollen und müssen die Zuständigkeiten neu geregelt werden. Ein Vorbild für eine gelungene Reform lässt sich auf der anderen Seite unseres Erdballs finden.

    Australien hat 1989 ein kreatives Gebührenschema eingeführt. Die Hochschulen wurden öffentliche Unternehmen, die die Gebühren eigenverantwortlich einnehmen. Vor dem ersten Abschluss können Studiengebühren über zinsfreie Darlehen finanziert werden. Nach Abschluss des Studiums können diese Darlehen einkommensabhängig zurückgezahlt werden. Das renommierte österreichische Hochschulforschungsinstitut IFF gibt dem australischen System Bestnoten. In einer Studie heißt es:

    Obwohl die Studiengebühren einen deutlich höheren Anteil am Gesamteinkommen der Hochschulen ausmachen als in den meisten europäischen Ländern, ist es auf Grund der sozialverträglichen Darlehenslösung zu keine Abnahme in der Partizipation einkommensschwacher Gruppen gekommen.

    Ein Vorbild für Deutschland? Die oft geforderte Autonomie der Hochschulen ist de facto eine Autonomie der Professorenschaft. Hier gilt es für die Länder, wenn es ihnen denn ernst ist mit dem Wettbewerb, dass sie die Fesseln stärker lösen müssen. Ein Modell könnte das der Stiftungsuniversität sein, die staatlich gestützt, eigenes Vermögen akquirieren und anlegen kann. Der aktuelle Bildungsbericht des Max-Planck-Instituts macht deutlich, dass die laufenden Reformen fast alle auf die 'entfesselte Hochschule’ hinauslaufen. Sich stärker aus der staatlichen Kuratel zu lösen, bedeutet aber zugleich die Notwendigkeit neuer Finanzierungsgrundlagen. Dabei werden die Studiengebühren, da sie im Gegensatz zu Spenden oder Stiftungen als geldwerte Leistung vom Kunden Student verlangt werden können, eine stützende Säule sein.

    Der britische Bildungsminister Charles Clarke ist, ähnlich wie die deutsche Bundesbildungsministerin Bulmahn, in der unangenehmen Situation als Labour-Vertreter sein soziales Gewissen mit den ökonomischen Zwängen in Einklang zu bringen. Er hat seine Entscheidung gefällt:

    Alles, was ich dazu sagen kann, ist, dass all unsere Bildungsminister in England wählen müssen, zwischen mehr Geld für Kindergärten und Grundschulen, oder aber für die Hochschulen. Und das ist eine Entscheidung, die ich jeden Tag fällen muss. Ich finde, die richtige Wahl ist, sich für die Jüngsten zu entscheiden. Dort gilt es, die größten Unterschiede in den Lebenschancen auszugleichen. Und ich finde nicht, dass es unfair ist, diejenigen zur Finanzierung des Bildungssystems heranzuziehen, die später einen Hochschulabschluss machen können. Der Staat leistet immer noch das meiste. Aber irgendeinen Beitrag muss man auch selbst leisten.

    Oder um das ganze mit den Worten unseres Bundeskanzlers auszudrücken:

    Es geht uns um soziale Gerechtigkeit auf möglichst hohem Niveau. Und dieses hohe Niveau ist nur in einer wissensbasierten Gesellschaft durch innovative Anstrengung zu erreichen.

    Studiengebühren werden in Deutschland kommen. Dann wird es auch nicht mehr nötig sein, sie als Verwaltungs- Rückmelde- oder Langzeitstudiengebühren zu verklausulieren.