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Intelligente Uniformen
Sensoren für die Feuerwehr

Handschuhe, die vor Hitze warnen, oder Stiefel mit eingebautem Schrittzähler - im Rahmen des Projekts wearIT@work haben Informatiker an der Feuerwehruniform der Zukunft gearbeitet. Die von 2004 bis 2009 entwickelten Technologien kamen tatsächlich zum Einsatz - allerdings nicht bei der Feuerwehr.

Von Frank Grotelüschen | 03.03.2015
    Einsatzkräfte der Feuerwehr beraten sich.
    Einsatzkräfte der Feuerwehr beraten sich. (dpa/Jens Wolf)
    "Das ist eine Feuerwehrfrau."
    Universität Bremen, das Technologie-Zentrum Informatik und Informationstechnik. Professor Michael Lawo zeigt auf eine Schaufensterpuppe, eingepackt in eine Feuerwehrmontur. Helm, Atemmaske, Uniform, Handschuhe, Stiefel - das volle Programm. Aber was die Puppe trägt, ist keine gewöhnliche Ausrüstung, denn:
    "Da steckt einiges an Technik drin. Das fängt bei den Stiefeln an. In den Stiefeln sind Sensoren, um das Nachverfolgen der Feuerwehrfrau im Gebäude zu ermöglichen. Das sind Beschleunigungssensoren, und ein Kompass ist drin. Damit kann ich eine relative Positionierung machen. Ich kann sagen, wie groß der Schritt war, in welche Richtung der Schritt gegangen ist."
    Der Stiefel ersetzt die GPS-Navigation. Die nämlich funktioniert in Gebäuden meistens nicht richtig. Doch mithilfe des schrittzählenden Stiefels kann die Kommandozentrale verfolgen, welchen Weg die Feuerwehrfrau durch ein brennendes Haus nimmt - und ihr bei Bedarf gezielte Anweisungen geben. Jetzt deutet Michael Lawo auf die Handschuhe:
    "Von außen sehen sie ganz normal aus. Aber sie haben es in sich. Da ist eine Sensorik drin, mit der Temperaturen gemessen werden können. Über eine Vibration, einen Aktuator, der im Handschuh eingebaut ist, bekomme ich eine Information über die Temperatur. Die Vibration ändert sich mit der Höhe der Temperatur, sodass der Feuerwehrmann entscheiden kann, ob er eine Tür öffnet oder nicht öffnet."
    Hightech im Helm
    Und auch im Rest der Uniform steckt lauter Hightech: Das Helmvisier ist ein Display, das den Gebäudeplan zeigt und den Füllstand der Sauerstoffflasche. Sensoren in der Hose schalten die Kettensäge ab, sollte sie bei Bergungsarbeiten versehentlich zu dicht ans Bein geraten. Und ein automatischer Auswurf verteilt kleine Sender auf dem Fußboden, die eine Funkverbindung zur Einsatzzentrale aufbauen. Die intelligente, mit Elektronik gespickte Feuerwehruniform ist Resultat eines EU-Projekts namens wearIT@work" target="_blank" href="http://www.wearitatwork.com/">wearIT@work, koordiniert von der Uni Bremen. 2004 war das 24-Millionen-Projekt gestartet. Eines der Ziele: tragbare Elektronik für die Feuerwehr.
    "Man war damals der Meinung, dass die Technologie soweit ist, dass man es für industrielle Anwendungen ertüchtigen kann."
    2009 endete das Projekt. Viele der Techniken wurden sogar getestet, und zwar auf einem Übungsgelände der Pariser Feuerwehr.
    "Technologisch kann man generell sagen: Das funktionierte alles."
    Zu teuer für die Feuerwehr
    Mehrere Folgeprojekte sollten die Komponenten zur Marktreife entwickeln. Zum Teil gelang das, beim Navigationsstiefel etwa oder beim Handschuh mit eingebauter Hitzewarnung. Nur bei der Feuerwehr haben sich die Techniken noch nicht durchgesetzt, sagt Michael Lawo:
    "Ich habe gelernt, dass Feuerwehr nicht Feuerwehr ist. Es gibt eine freiwillige Feuerwehr, es gibt eine Berufsfeuerwehr, es gibt eine Werksfeuerwehr. Und da sind sehr unterschiedliche Standards. Es geht auch darum, dass diese Feuerwehren bei Einsätzen zusammenarbeiten können. Es reicht nicht aus, dass nur eine diese Technologien hat. Von daher: Eine flächendeckende Durchdringung ist sehr, sehr schwierig."
    Der Hauptgrund: Vielen Feuerwehren ist die intelligente Uniform bislang schlicht zu teuer. So ist ein Stiefel mit Positionsverfolgung derzeit doppelt so teuer wie ein normaler Feuerwehrstiefel. War das Projekt damit vergebens, haben die Experten an ihrer Zielgruppe vorbeigeforscht? Nicht unbedingt, meint Michael Lawo. Denn die Resultate zeigten durchaus einen - wenn auch unerwarteten - Nutzen.
    "Was passiert ist, ist dass die Hersteller von den Stiefeln und Handschuhen diese Technologie aufgenommen haben und sich die Märkte dazu gesucht haben. Bei den Stiefeln war das interessant für Gebäudeschutz oder Objektschutz."
    Basistechnologien heute in jedem Smartphone
    Sicherheitspersonal, das Gefahrenstoffe prüft, das Gaskonzentrationen und Strahlungswerte misst, lässt sich mithilfe der Stiefel von der Einsatzzentrale überwachen. Und manche Erkenntnis, die bei der Entwicklung des Datenhelms erlangt wurde, erwies sich später für die Konzeption von "Google Glass" als nützlich - jenes noch neuen Brillencomputers, dem Experten eine große Zukunft prophezeien. Und auch die intelligente Feuerwehruniform könnte doch noch kommen, und zwar schon bald, meint Michael Lawo. Denn die Basistechnologien dafür, also winzige Sensoren, Funksender und Mikrochips, stecken heute in jedem Smartphone. Im Prinzip müsste man sie nur nehmen und in eine feuerwehrgerechte, also hitze- und rauchbeständige Verpackung stecken. Lawo:
    "Wenn ich heute etwas für die Feuerwehr machen will, kann ich auf wesentlich kostengünstigere Komponenten zurückgreifen. Der Fokus liegt in der Verpackung. Es liegt nun voll und ganz bei der Industrie, das entsprechend zu machen. Der Markt muss dafür da sein. Da muss eine Bereitschaft sein, zu investieren."