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Intelligentes Etikett

Lebensmittel.- Ob Schweineschnitzel oder Hühnerbrust: Häufig geraten Kunden vor dem Kühlregal ins Grübeln, ob das gute Stück wirklich so frisch ist, wie es sein sollte. Lebensmitteltechnologen haben ein intelligentes Etikett entwickelt, das Alarm schlägt, wenn Ware nicht durchgehend gekühlt wurde.

Von Folkert Lenz | 25.08.2009
    "Wir haben hier das Zeit-Temperatur-Etikett. Und das wird mit UV-Licht aktiviert. Dazu stecke ich das Etikett in das Ladegerät und lade es fünf Sekunden auf."

    Ein paar Augenblicke später: Das kassenbongroße Etikett, das Christian Colmer in den Druckerschlitz geschoben hat, ist plötzlich bunt statt weiß.
    "Nun ist es aktiviert. Sie sehen: Die Farbe hat sich verändert. Es ist tiefblau."
    Der kleine Zettel: Er kann mehr, als es auf den ersten Blick scheint. Er könnte ein Stück Fischfilet begleiten, das noch auf dem Fangschiff verpackt und tiefgefroren wird. Wochen später würde die High-Tech-Pappe Aufschluss darüber geben, ob es der Lachsscheibe oder dem Stück Dorsch nicht auf dem langen Weg zur Fischtheke irgendwann zu warm geworden ist, so die Biologin Maria Eden.

    "Wenn die Kühlkette des Fisches unterbrochen wurde, dann kann man das an diesem Label sehen. Das Label entfärbt sich. Anstatt dunkelblau ist es dann nur noch hellblau. Das heißt nicht, dass der Fisch schlecht ist. Das heißt nur, dass die Temperatur etwas angestiegen ist."
    Beim Chill-On-Projekt des Technologie-Transfer-Zentrums in Bremerhaven haben Maria Eden und ihre Kollegen das Etikettenpapier zu einem sogenannten Smartlabel gemacht. Eine hauchdünne Schicht aus Kristallen, die sich bei Temperaturwechsel entfärben, zeigt an, wenn zuviel Wärme während des Warentransports im Spiel war. Denn Tiefkühlen, das heißt beim Fisch: Nie darf dieser wärmer als minus 18 Grad werden, sagt Eden.
    "Bei minus 18 Grad ist der Fisch so gut wie ganz gefroren. Bei Temperaturen darüber – zum Beispiel bei minus zehn Grad – ist der Fisch nicht mehr ganz gefroren. Das kann man sich kaum vorstellen, denn es ist ja eigentlich kalt."
    Trotzdem wird er schneller ranzig. Auch problematische Bakterien fangen dann schon an zu wachsen, haben die Lebensmitteltechniker festgestellt. Geflügel wiederum braucht eine andere Gefriertemperatur als Gemüse, das nur gekühlt werden darf, aber keinesfalls Frost abkann. Die Smartlabels können deshalb für jedes Produkt angepasst werden und zeigen dann per Farbe die Frische an. Zurzeit sind die Etiketten in Spanien im Praxistest: Kunden sehen dort, ob das Hackfleisch im Supermarkt noch frisch ist. Bislang können die Pappsticker aber zu wenig, findet Eden:
    "Zum Beispiel, wenn Fisch bei 20 Grad irgendwo in der Sonne steht, dann wird es sofort weiß. Es wird aber auch weiß, wenn er zum Beispiel bei vier Grad über eine längere Zeit lagert. Denn dann ist er auch irgendwann schlecht."
    Deswegen will das Chill-On-Team die Etiketten jetzt intelligenter machen, sagt Christian Colmer vom ttz Bremerhaven:
    "Interessant für den technischen Bereich wird es dann, wenn es mit Funktechnologie gekoppelt wird und dann online auch die Überwachung zulässt."
    Ein so genannter RFID-Chip, mit dem Daten per Radiowellen ausgelesen werden, ist die Lösung. Doch der kann nicht den Zustand der Pappe mit den Farbkristallen erkennen. Um das Smartlabel mit dem Radiofrequenzchip trotzdem kombinieren zu können, wurden deshalb die Kristalle durch eine Metallsubstanz auf Aluminiumbasis ersetzt. Maria Eden:
    "Durch dieses Material wird ein Strom geschickt. Und der kann gemessen werden vom RFID-Chip. Das Material reagiert ebenfalls auf Zeit und Temperatur. Und verändert dadurch den Widerstand. Und dadurch wird auch der Strom der darin fließt, verändert."
    Ohne die Ware noch mal anfassen zu müssen, kann sie nun also an jeder Station in der Lieferkette drahtlos auf ihren Frischezustand kontrolliert werden. Dafür dient eine spezielle Software. Wird die Box mit den tiefgekühlten Masthähnchen gleich nach dem Schlachten mit solch einem Etikett versehen, dann käme schnell heraus, wenn der unachtsame Fahrer des Lieferwagens sie sorglos auf der Rampe stehen ließe. Außerdem würde auf den Großmärkten künftig nicht mehr als erstes die Ware abgefertigt, die als erstes hereingekommen ist.
    "Zum Beispiel wird das Produkt, das nicht mehr ganz so frisch ist, zum nächsten Supermarkt geschickt. Und das Produkt, das noch länger haltbar ist, das kann ruhig zu einem Supermarkt geschickt werden, der weiter weg ist."
    Die Smartlabels könnten außerdem den staatlichen Lebensmittelüberwachern die Arbeit erleichtern. Der Preis für das Ganze: Jede Packung Fleisch oder Fisch würde um rund fünf Cent teurer, so die Schätzung.