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Intendant Goethe

Johann Wolfgang Goethe war ein strenger Theaterchef. Er wollte den ganzen komödiantischen Stand und damit das deutsche Theater zu klassischer Höhe treiben. Seinen Start als Intendant des Weimarer Hoftheaters hatte Goethe vor 215 Jahren.

Von Ariane Thomalla | 07.05.2006
    Weimar, 7. Mai 1791. Das Hoftheater im Komödienhaus feiert den Beginn einer neuen Ära. August Wilhelm Ifflands "Die Jäger. Ein ländliches Sittengemälde in fünf Aufzügen" steht im Programm, das tränenselige Rührstück des neben August von Kotzebue meistgepielten Autors der Epoche mit einem braven Oberförster, bösem Amtmann und Riekchens schließlich doch geretteter Heirat am Ende. Erstmals hat Weimar ein eigenes Ensemble, erstmals einen eigenen Direktor.

    Sein Name: Johann Wolfgang von Goethe, gerade von der zweiten Italienreise zurück, noch voll Lebenskraft für Neues. Bisher gab es in Weimar mit dem benachbarten Sommerbad Lauchstädt nur das vom Hofadel und dem Herrn von Goethe selbstgespielte Liebhabertheater oder fahrende Theatertruppen ließen sich kurzfristig nieder. Deren Zeit geht zu Ende. Überall in Deutschland entstehen feste Hof- und Nationaltheater. Weimar will im 1776 erbauten Komödienhaus mithalten. Wenig Begeisterung klingt aus dem Brief der Sophie von Schardt, der Schwägerin der Frau von Stein, vom 8. April 1791:

    "Die schöne Welt ward gestern betrübt durch die Abreise unserer Komödiantentruppe, die Herr Bellomo nach Graz führt. Herr Goethe übernimmt eine Art Leitung des Theaters und man verspricht uns etwas Gutes, nach und nach."

    Bescheiden lässt man die Sache an, was, als der Vorhang sich hebt, Goethes Prolog nicht versäumt, zu unterstreichen.

    "Der Anfang ist an allen Sachen schwer.
    Von allen Enden Deutschlands kommen wir
    Erst jetzt zusammen; sind einander fremd."

    Erst im Januar hatte der Herzog "mit Göthe die Abrede genommen und ihm die Direction dieser Sache übertragen". Wenig Zeit bis Mai, ein neues Ensemble zu finden. Alle sind jedoch angesteckt vom Goethes Ernst und Elan. Er sei, verriet er später Eckermann, "mit Vernügen" an die Arbeit gegangen.
    Nicht ohne wirtschaftliche Rücksichtnahme, wenig Geld ist da. Rücksicht auch auf den Geschmack des Publikums. Allein 87 Titel von Kotzebue und 38 von Iffland lässt Goethe während seiner Intendanz spielen, die 25 Jahre später wegen der Intrige um den legendären dressierten Hund auf der Bühne zu Ende gehen soll. Das Publikum und die Schauspieler müssen zu Größerem erzogen werden, zu Shakespeare, Calderon, Molière und nicht zuletzt zu Goethe und Schiller.

    "Ich leitete die Leseproben und machte jedem seine Rolle deutlich; ich war bei den Hauptproben gegenwärtig. Ich fehlte nicht bei den Vorstellungen und bemerkte am anderen Tage alles, was mir nicht recht erschienen. "

    Alle großen Dramen Schillers werden in Weimar uraufgeführt - vom "Wallenstein" bis zur "Jungfrau von Orléans". Gemeinsam prägen die beiden Freunde den Stil der "Weimarer Schule". Klassik in Reinform, wie sie noch aus Goethes Regeln für die Schauspieler klingt:

    "Zunächst bedenke der Schauspieler, dass er nicht allein die Natur nachahmen, sondern sie idealisch vorstellen sollte, und er also in seiner Darstellung das Wahre mit dem Schönen zu vereinigen habe."

    Genauso wichtig wie das Sprechtheater war das Musiktheater. Herzenssache der Herzoginmutter, eine besondere Freude für den Theaterchef, wenn er vor allem Mozart spielen lassen konnte. 280 Mal kamen Mozarts Opern in Goethes Intendantenzeit vor - Mozart, der im Dezember 1791 starb. Fasziniert war Goethe vor allem von der "Zauberflöte", die in Weimar mit dem von ihm entworfenen Bühnenbild so auf die Bühne kam, dass an den Abenden die Türen offen stehen mussten, weil das Haus das Publikum nicht fassen konnte. Was also am 7. Mai 1791 unspektakulär begann, wurde zu einem wichtigen Stück deutscher Theaterkunst. Dass der Ort für die deutsche Geschichte 1919 so bedeutend werden sollte, steht auf einem anderen Blatt.