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Internationale Beziehungen
Israels Blick auf Syrien

Der Wunsch, Diktator Baschar al-Assad an der Macht zu halten, ist in Israel häufig zu hören. Doch es hat sich etwas bewegt. Die politische Analystin Benedetta Berti hat eine neue Denkrichtung in Israel ausgemacht.

Von Torsten Teichmann | 25.01.2014
    Ein möglichst ruppiger Umgang mit dem wichtigsten Verbündeten, also den USA, scheint derzeit in Israel allgegenwärtig. Aus Sicht des israelischen Fernsehjournalisten Zvi Yehezkeli trägt die US-Regierung auch Schuld am fehlenden Erfolg bei der Syrien-Konferenz in Genf. Den Vereinigten Staaten fehle es einfach an Verständnis für die Region belehrt der Journalist den Verbündeten und die Fernsehzuschauer:
    "Wir haben es hier mit amerikanischer Naivität zu tun. Die Annahme, man könne mit Gesprächen einen Ausweg finden, ist bei dem Konflikt zwischen den Alawiten und den Sunniten nicht anwendbar, denn dieser Konflikt ist seit langer Zeit bereits ein Krieg, das ist seit 1300 Jahren bekannt ist."
    Bekannt schien bisher auch, das israelische Politiker Syriens Diktator Bashar al-Assad einem Umschwung in Damaskus vorziehen. So absurd es klingt, aber Assad gilt vielen in Israel als ein Garant für Ruhe entlang der Grenzlinie. Israel hat die Golanhöhen annektiert. Assad hatte daran nie ernsthaft gerüttelt.
    Aber es muss sich doch etwas bewegt haben. Vielleicht war es der nachgewiesene Einsatz von Giftgas, vielleicht die Bilder und Berichte über Folter an Regimegegner. Jedenfalls glaubt die politische Analystin Benedetta Berti vom Institut für Nationale Sicherheitsstudien in Tel Aviv, dass es eine zweite Denkrichtung gibt.
    "Israels Sicherheitskonzept wird vor allen durch Iran bestimmt. Und deshalb schauen viele Mitglieder der israelischen Regierung nach Damaskus - schielen aber auch auf Teheran. Wenn Assad fällt würde das Iran schwächen. Sie wollen einen Regimewechsel auch wenn unsicher ist, was nach Assad kommt. Aber das ist allein eine theoretische Debatte."
    Eine theoretische Debatte in Israel, weil praktisch der Preis zu hoch sei, aktiv in den Konflikt einzugreifen. Darin stimmen alle überein. Die Vorstellung, Israel müsse in der gegenwärtigen Situation aber gar nichts tun, weil es durch die Konflikte in der Region besser dastehe, als je zuvor, hält die Analystin Berti für überholt. Zur Erklärung: Jüngst hatte der stellvertretende Verteidigungsminister Danny Danon Israel gar zum Sieger des Arabischen Frühlings ausgerufen:
    "Die Vorstellung, dass Israel sehr hohe Mauern bauen kann und sich von der Region abtrennt, wird sich als Illusion erweisen. Wir sind Teil des Nahen Ostens und je instabiler die Region wird, umso schwieriger wird es auch für Israel in Frieden zu leben – innerhalb seines Gebietes und in der Region."
    Frau Berti schlägt vor, dass die israelische Regierung deshalb zum Beispiel Jordanien hilft. Ein Land mit dem Israel einen Friedensvertrag hat. Das Königreich viel unmittelbarer von der Syrien-Krise betroffen: Es hat mehr als eine halbe Million Flüchtlinge aufgenommen
    "Das eine ist die humanitäre Hilfe. Das ist eine weltweite Verpflichtung, aber auch eine regionale. Israel ist Teil der Region und sollte deshalb mehr im Bereich humanitäre Diplomatie tun."
    Die Regierung habe das bisher nicht zu ihrer Priorität gemacht. Es gibt offenbar Einsätze von israelischen Nicht-Regierungsorganisation und vorübergehende Krankenhaus-Aufenthalte für verletzte Syrer im Norden von Israel.
    Benedetta Berti empfiehlt außerdem, dass Israel nicht nur auf eine große Intervention verzichtet, sondern auch auf kleinere, gezielte Luftschläge. Es gibt Berichte, wonach das Militär in der Vergangenheit mutmaßliche Waffentransporte für die Hisbollah auf syrischem Gebiet angegriffen haben soll.
    "Außerdem würde ich sagen, man sollte sehr vorsichtig sein mit der Annahme, dass gezielte Vergeltung keine Gegenschläge nach sich zieht. Denn es gibt immer die Möglichkeit, dass man sich irrt. Und Israel sollte auf keinen Fall in den Konflikt gezogen werden."
    Diese Empfehlungen bleiben bestehen, denn auch die politische Analystin geht nicht davon aus, dass sich an der Lage in Syrien in den kommenden Wochen etwas Grundsätzliches ändern wird.