Samstag, 20. April 2024

Archiv

Internationale Politik
Nur einen kleinen Fußabdruck in Afrika hinterlassen

Deutschland hat ein neues Afrika-Konzept verabschiedet. Die USA beteiligen sich mit Aufklärungsflugzeugen und Drohnen an der Suche nach den in Nigeria entführten Schülerinnen. Schon lange mischt der Westen mit auf dem schwarzen Kontinent - nur über den Erfolg kann man streiten.

Von Dirk Eckert | 24.05.2014
    Bundeswehrsoldaten des Einsatzkontingents in Dakar stehen am 5. Februar 2014 auf dem Flugplatz in Dakar im Senegal.
    Bundeswehrsoldaten auf dem Flugplatz in Dakar im Senegal. (picture alliance / dpa)
    Dass US-Soldaten in Afrika eingesetzt werden, ist relativ neu, verglichen mit Frankreich, das immer wieder Militär in seine ehemaligen Kolonien schickt. Allerdings auch nicht völlig neu: Seit 2008 haben die US-Streitkräfte schon ein eigenes Regionalkommando, das nur für den afrikanischen Kontinent zuständig ist. Partnerschafts- und Ausbildungsprogramme für afrikanische Militärs begannen direkt nach dem 11. September 2011.
    Es war allerdings nicht nur der aufkommende Islamismus von Gruppen wie Boko Haram, der den Westen aufschreckte. Hinzu kam, dass China den afrikanischen Kontinent entdeckte. Die Chinesen begannen, die afrikanische Infrastruktur aufzubauen und Entwicklungsprojekte zu finanzieren. Im Gegenzug erwarben sie Lizenzen zum Abbau der dortigen Rohstoffe. Das aus Zentralasien bekannte Great Game, der Wettlauf um Rohstoffreserven, setzte sich in Afrika fort. Werner Ruf, Afrika-Experte und emeritierter Professor für Internationale Beziehungen:
    "Ich meine, da ist nicht nur Öl und Gas. Da sind auch riesige Goldreserven. Da gibt es Phosphate, die immer wichtiger werden für die Düngemittelproduktion. Und es gibt Uran. Wenn Sie überlegen, dass allein Niger für Frankreichs 58 Atomkraftwerke 70 Prozent des Urans liefert, dann ist das ja nicht uninteressant."
    Auch Deutschland will da nicht außen vor bleiben. Vor wenigen Tagen verabschiedete die Bundesregierung neue "afrikapolitische Leitlinien". Diese verweisen ausdrücklich auf das wirtschaftliche Potenzial Afrikas - also Rohstoffe und Absatzmärkte. Inzwischen bildet die Bundeswehr in Mali Soldaten aus, sie ist in Somalia und in der Zentralafrikanischen Republik aktiv, im Sudan und im Südsudan. Schon länger ist die deutsche Marine am Horn von Afrika eingesetzt, um die dortige Piraterie zu bekämpfen. Im April haben vier deutsche Marine-Schiffe erstmals an einer von den USA organisierten Übung im Golf von Guinea teilgenommen. Ziel ist auch hier der Schutz der Seewege.
    Kooperation von Bundeswehr und US-Armee
    Häufig sind an den Afrika-Einsätzen nur wenige Soldaten beteiligt, etwa als Militärberater. Die Bundesregierung setzt vielmehr darauf, einheimische Armeen im Rahmen der "Enable and Enhance Initiative" (E2I) auszubilden und zu stärken. Bundeskanzlerin Angela Merkel erläuterte den Ansatz vor dem EU-Afrika-Gipfel im April:
    "Sie wissen, dass wir in einigen afrikanischen Ländern auch mit militärischen Missionen tätig sind. Und deshalb werden wir auch in besonderer Weise über die Ertüchtigung afrikanischer Staaten und Regionalorganisationen zur Wahrung der Stabilität und Sicherheit eine zentrale Rolle einnehmen. Das ist die sogenannte 'Enable and Enhance Initiative', das heißt eine Befähigungsinitiative und eine Verstärkungsinitiative. Hier geht es um Ausbildung, Ausrüstung und Beratung natürlich, damit dann afrikanische Länder beziehungsweise wie gesagt auch die Regionalorganisationen in der Lage sind, ihre eigenen Sicherheitsinteressen in Zukunft auch besser alleine zu vertreten."
    Die Bundeswehr kooperiert auch mit den USA. Kürzlich trafen sich deswegen Vertreter der Bundeswehr und des Africom. Man habe über mögliche Evakuierungsaktionen gesprochen und darüber, Lufttransportkapazitäten zu teilen, hieß es. Ziel sei es, "afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme zu entwickeln".
    In der Sprache der US-Militärs gilt zur Zeit die Devise, nur einen "kleinen Fußabdruck" auf dem afrikanischen Kontinent zu hinterlassen. Schließlich ist nicht vergessen, dass kein Land seinerzeit die Zentrale von Africom beheimaten wollte, die deswegen ihren Sitz in Stuttgart nehmen musste. Von dort aus betreibt das Africom heute neben einem festen Stützpunkt in Dschibuti zahlreiche Übungs- und Ausbildungsprogramme mit afrikanischen Streitkräften. Von einheimischen Flugplätzen aus werden Überwachungsmissionen mit Drohnen und Aufklärungsflugzeugen durchgeführt, teilweise werden diese auch an private Sicherheitsdienstleister delegiert.
    Nicht absehbare Folgen der US-Politik
    Die Bilanz der Einsätze ist bisher durchwachsen. Der berüchtigte Warlord Joseph Kony aus Uganda, an dessen Jagd sich auch US-Spezialeinheiten beteiligen, ist immer noch nicht gefasst. Dafür gewann das Africom 2011 - zusammen mit den Verbündeten - seinen ersten Krieg, nämlich gegen Gaddafi in Libyen. Doch damit werben die Militärs heute nicht mehr. Denn schließlich will das Africom in Afrika als Partner und nicht als Interventionsstreitmacht wahrgenommen werden.
    Inzwischen haben die USA mit den vorher nicht absehbaren Folgen ihrer eigenen Politik zu kämpfen. Zum einen ist da der Sturz von Gaddafi in Libyen. Dadurch gelangten Waffen zu den Islamisten in der Sahara, die daraufhin im Norden Malis die Macht ergreifen konnten. Weitere Waffen sollen bis zu Boko Haram nach Nigeria durchgereicht worden sein. Afrika-Experte Werner Ruf fragt sich deshalb, an wen letztlich Waffenlieferungen gehen, die offiziell für Armeen bestimmt sind. Wer heute noch Rebellengruppe ist, könne morgen schon Regierung sein - und umgekehrt, warnt er:
    "Wie sieht's denn in Wirklichkeit aus? Die Leute kriegen militärische Qualifikation beigebracht - aber was tun sie dann? Der Hauptmann Sanogo, der in Mali geputscht hat, ist ein Produkt der amerikanischen Ausbildung. Mit der Ausbildung alleine machen sie noch keinen guten Soldaten. Sie müssen den Soldaten tatsächlich auch den Sold bezahlen - und daran hapert es. Und das ist wiederum Sache der einheimischen Regierung, die diese Gelder nicht auszahlt, sondern sich selbst in die Tasche steckt."
    Ein weiterer Fehlschlag ist der Südsudan. Dort hat der Bürgerkrieg in diesem Jahr solche Ausmaße angenommen, dass US-Außenminister John Kerry vor einem drohenden Völkermord warnte. Dabei war der kleine Staat erst 2011 mit massiver Unterstützung des Westens gegründet worden. Frieden hat das offensichtlich nicht gebracht.