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Internationale Raumfahrt
Guatemala wird mit Hilfe der UN zur Weltraumnation

Auf dem Internationalen Astronautischen Kongress in Washington stellen vor allem hoch entwickelte Nationen wie die USA oder China ihre Raumfahrtpläne vor. Länder wie Guatemala bringen wohl nur die wenigsten mit Weltraumtechnik in Verbindung und doch hat das Land große Ziele im Weltraum.

Von Dirk Lorenzen | 23.10.2019
Mini-Satelliten, CubeSats, fliegen im All, im Hintergrund die Erde
CubeSats könnten Schwellenländern den Weg ins All ermöglichen (picture alliance / Newscom)
Im Frühjahr 2020 soll Guatemala zur Raumfahrtnation aufsteigen: Quetzal-1 heißt der erste Satellit des mittelamerikanischen Landes, benannt nach dem Nationalvogel.
"Das ist ein Cubesat, ein kleiner Würfel mit zehn Zentimetern Kantenlänge. Er hat eine Kamera mit vier Filtern. Damit wollen wir die Verschmutzung der Gewässer in unserem Land untersuchen. Außerdem erfassen wir, wie es anderen natürlichen Ressourcen geht, etwa dem Wald."
Luis Zea ist Ingenieur und Co-Direktor der Universidad del Valle in Guatemala. Fast vier Jahre lang haben er und sein Team den Minisatelliten entworfen und gebaut. Quetzal-1 entsteht im Rahmen des Programms KIBOcube. Das ist eine gemeinsame Unternehmung des Büros der Vereinten Nationen für Weltraumangelegenheiten in Wien und der japanischen Weltraumagentur JAXA, erklärt der Astronaut Koichi Wakata, Vizechef der JAXA:
"Mit KIBOcube können Schwellenländer kleine Satelliten aus dem japanischen KIBO-Modul der Internationalen Raumstation starten. Wir übernehmen den Transport der Satelliten zur ISS und setzen sie mit Hilfe einer speziellen Vorrichtung im All aus. Um den Betrieb der Satelliten müssen sich die Erbauer dann selbst kümmern."
Schwellenländer auf dem Weg ins All
Seit 2015 rufen die Vereinten Nationen Jahr für Jahr Universitäten und Unternehmen in Schwellenländern dazu auf, sich mit einem Satellitenprojekt bei KIBOcube zu bewerben. Die kleinen Satelliten sollen dabei helfen, dass sich die Menschen in diesen Ländern technische Fähigkeiten aneignen. Auf diese Weise ist Kenia im vergangenen Jahr zu seinem ersten Satelliten gekommen. In einigen Monaten wird Quetzal-1 aus Guatemala mit einem Materialtransporter zur Internationalen Raumstation gebracht und dann einige Zeit später von dort ausgesetzt. Üblicherweise kostet der Start selbst eines so winzigen Satelliten rund 100.000 Dollar – Geld, das die guatemaltekische Universität nicht hat, erklärt Luis Zea:
"Dank des gewonnenen Starts mit KIBOcube konnten wir unsere geringen Mittel dafür nutzen, um Komponenten für den Mini-Satelliten zu bauen. Dabei hat meine Arbeitsgruppe viel darüber gelernt, wie man ein Raumfahrtprojekt plant und durchführt. Für die Menschen im Land und der ganzen Region bedeutet Quetzal-1 sehr viel. Plötzlich gibt es gute Nachrichten aus Guatemala. Und das Coolste: Die meiste Arbeit wurde von Studierenden, Freiwilligen und Leuten am Institut geleistet."
Kleinsatelliten als himmlische Entwicklungshilfe
Einmal in der Umlaufbahn soll Quetzal-1 Bilder der Erdoberfläche zur Bodenstation in Mittelamerika funken. Binnen weniger Jahre wird der kleine Satellit in die Erdatmosphäre eintreten und verglühen. Luis Zea rechnet aber nur mit einer Lebensdauer des fliegenden Würfels von maximal drei Monaten. Denn aus Kostengründen sind die Komponenten nicht speziell für die höhere Strahlenbelastung im All ausgelegt – und so dürfte die Elektronik recht bald ausfallen.
"Es wäre gut, wenn es ein kleines Nachfolgeprojekt gäbe. Im Dezember werden wir den Satelliten an Japan übergeben. Dann stehen wir da mit all den Leuten, die nun Raumfahrttechnik beherrschen. Wir bräuchten etwas weitere Unterstützung, damit das hier nicht nur ein Strohfeuer ist. Sonst geht das ganze Wissen verloren – das wäre schade."
Mit einem zweiten Projekt könnten die ausgewählten Staaten ihre Stellung in der Raumfahrt festigen – und das wäre genau im Sinne der Vereinten Nationen, die die kleinen Satelliten als eine Art himmlische Entwicklungshilfe nutzen. Denn Raumfahrt sei für alle Staaten da, nicht nur für ein paar reiche. Nach Kenia und Guatemala steht inzwischen auch schon das dritte Land mit einem fliegenden Würfel fest: 2021 will die Republik Moldau einen Satelliten ins All schicken.