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Internationaler Kongress in Córdoba
Vielfalt und Integrationskraft des Spanischen

Fast 600 Millionen Menschen auf der Welt sprechen Spanisch. Beim "Internationalen Kongress der spanischen Sprache" im argentinischen Córdoba wurde über deren Vielfalt und Integrationskraft diskutiert, aber auch über Sprache als Mittel der Unterdrückung sowie Fragen der Gendergerechtigkeit.

Von Victoria Eglau | 31.03.2019
Aufnahme von der Bühne des Kongresses der spnischen in Córdoba
Im argentinischen Córdoba findet der achte "Kongress der spanischen Sprache" statt (Deutschlandradio / Victoria Eglau)
"Das Wunder, dass 23 Nationen sich entschieden haben, dieselbe Sprache zu sprechen, ist doch etwas Erstaunliches", bemerkte José Luís Moure, Präsident von Argentiniens Akademie der Geisteswissenschaften, beim Internationalen Kongress der spanischen Sprache. In Spanien leben nur acht Prozent der Muttersprachler – die große Mehrheit ist in Lateinamerika und den USA zuhause, ein kleiner Teil auch auf den Philippinen. Aber was die Pflege und Weiterentwicklung des Spanischen angeht, sind die Sprach-Institutionen des Mutterlands seit jeher federführend. Es ist die Königlich Spanische Akademie in Madrid, die das offizielle Wörterbuch der spanischen Sprache herausgibt und über Neuerungen bei Vokabular und Grammatik entscheidet. Der peruanisch-spanische Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa betonte in Córdoba jedoch, dass die königliche Akademie, der er selbst angehört, die spanische Sprache nicht erschaffe.
"Diese Sprache ist unbestritten voller Leben. Aber sie ist kein Produkt der Sprachakademien, wie manche naiv glauben. Die Akademien machen keine Sprachen. Sprachen entstehen durch jene, die sie sprechen und schreiben. Die Akademien nehmen lediglich auf, was die Sprechenden erschaffen, korrigieren oder hinzufügen."
Spanisch als Sprache der Eroberer
Vargas Llosa lobte in seiner Rede zum Kongressauftakt den einenden Charakter der spanischen Sprache, mit der die Vielfalt ganz Lateinamerikas zum Ausdruck gebracht werde. Doch im Ursprung war es die Sprache der Eroberer, daran erinnerte die argentinische Romanautorin Claudia Piñeiro. Auch wenn das Spanische mit all seinen regionalen Unterschieden heute einen Reichtum darstelle – vor fünfhundert Jahren sei die Sprache den Ureinwohnern Amerikas aufgezwungen worden. Piñeiro regte an, den Kongress der spanischen Sprache künftig 'Kongress der hispanoamerikanischen Sprache' zu nennen – und erntete dafür großen Applaus. Denn Piñeiro rührte an einen empfindlichen Punkt: Bei nicht Wenigen in Lateinamerika herrscht die Auffassung, Spanien beherrsche bis heute die Sprache und ihre Entwicklung. Der Direktor des spanischen Cervantes-Instituts, der Dichter Luís García Montero, wies das zurück:
"Ein Versuch der Dominanz wäre angesichts der Tatsache, dass in Spanien nur acht Prozent der Muttersprachler leben, lächerlich. Der argentinische Schriftsteller Jorge Luís Borges hat es einst auf einfache Weise gesagt: Es sei unangebracht, die anderen dominieren zu wollen. Aber verderblich wäre es, so Borges, ein solch reiches gemeinsames Erbe wie die spanische Sprache zu fragmentieren."
Schwerpunkt der Sprache heute in Amerika
Bis auf Weiteres wird das Spanische also von Madrid aus verwaltet – allerdings in Zusammenarbeit mit den nationalen Sprachakademien der anderen spanischsprachigen Länder. Sie haben in den vergangenen Jahrzehnten an Gewicht und Mitsprachemöglichkeiten gewonnen – so José Luís Moure, Präsident der argentinischen Akademie der Geisteswissenschaften:
"Es ist nicht mehr so, dass Spanien die Vorgaben macht und Amerika sie umsetzt. Sondern es gibt ein ständiges Bemühen, über das, was mit unserer Sprache geschieht, Einigkeit zu erzielen – und das dann zentral umzusetzen. In jüngster Zeit haben die spanischen Institutionen zunehmend akzeptiert, dass der Schwerpunkt der Sprache heute in Amerika liegt."
Sprach-Institutionen verwahren sich gegen den Vorwurf des Machismo
Das Spanische in der digitalen Gesellschaft, in Bildung und Kultur – das sind einige der Themen des Kongresses in Córdoba. Aber ein Thema war in aller Munde, obwohl es die Veranstalter nicht auf die Tagesordnung gesetzt hatten: Die gendergerechte Sprache, mit der heute in Teilen der spanischsprachigen Gesellschaften experimentiert wird. Die Sprach-Institutionen verwahren sich zwar gegen den Vorwurf des Machismo, sehen die kreativen Sprachneuerungen aber skeptisch. Schriftstellerin Claudia Piñeiro, die Argentiniens Frauenrechts-Bewegung nahesteht, äußerte sich kämpferisch:
"Die Gegner argumentieren aus einer vermeintlichen Überlegenheit heraus und unterschätzen die inklusive Sprache mit einer gewissen Arroganz. Fast wie ein Eroberer, der seine Regeln in einem fremden Gebiet durchsetzt. Aber in diesem Fall und in diesem Jahrhundert ist das Gebiet nicht mehr geografisch, sondern menschlich: Es handelt sich um die Frau."