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Internationaler Musikwettbewerb der ARD
Die Klänge der Jugend

Von Kathrin Hasselbeck | 14.09.2014
    Auch dieses Jahr hat nicht jedes Fach einen echten "ersten" Preisträger. Getroffen hat es die Bläser. Von den drei Quintetten, die es gestern ins Finale geschafft hatten, wurde eines mit einem zweiten, und die anderen beiden mit je einem dritten Preis ausgezeichnet. 24 Ensembles sind vor zwei Wochen in den Wettbewerb gestartet, elf haben sich in der zweiten Runde am Auftragswerk des georgischen Komponisten Giya Kancheli versucht - eine Herausforderung; zwar nicht von Tönen und Technik her, aber von der Interpretation. Die Musiker mussten sich einlassen auf einen wenig experimentellen Stilmix aus Minimal Music, Filmmusik und Romantik.
    Dass am Ende das spanische Azahar-Ensemble trotz zweitem Platz als Sieger dasteht, zeugt von einer Entscheidung gegen braves, perfektionistisches Spiel - stattdessen kürt die Jury einen strengen, spröden, aber durchaus lebendigen Klang. Auch die Zuhörer entschieden: Der Sonderpreis des Publikums geht ebenfalls an die Spanier.
    Ganz anders bei den Cellisten. Hier herrschte von Anfang an Uneinigkeit. Großes Aufschreien, als nach dem ersten Durchgang bereits hochprämierte Musiker ausgeschieden waren. Schnell war die Jury um den ehemaligen Berliner Philharmoniker Wolfgang Boettcher als diskussionsfreudig bekannt. Nach dem Finale brauchte sie über eineinhalb Stunden für ihre Entscheidung. Und die ließ einen etwas ratlos zurück. Der erstplatzierte Ungar István Várdai fiel im Vergleich zu seinen jüngeren Mitstreitern Andrei Ioniţă aus Rumänien und Bruno Philippe aus Frankreich ab. Beide interpretierten mutiger, waghalsiger - musikalischer. Jury-Mitglied Daniel Müller-Schott:
    "Es ist einfach auch so, dass man alles mit bedenken muss. Es ist nicht nur dieser eine Eindruck, den man hat, den das Publikum vielleicht hat, sondern dass man eben auch mitbedenkt, wie sich ein Musiker auch über diesen Zeitraum entwickelt und was er alles leisten muss. Und das Alles mitzubedenken, das war der Jury wichtig."
    "Können Sie nachvollziehen, warum der Publikumspreis an jemand anderen ging?"
    "Ja, kann ich nachvollziehen, weil der Eindruck spontan, dass das Publikum jemanden ins Herz schließt, das ist ja manchmal auch irrational ... das Orchester hat sich vielleicht auch ein bisschen gesteigert - wer weiß."
    Von den die Bewerberstatistik anführenden Südkoreanern sah man schon bald in vielen Kategorien nichts mehr; wie überhaupt die Musiker aus dem asiatischen Raum weniger hervorstachen als in den Vorjahren. Nur im Fach Klavier haben es zwei Südkoreaner ins heutige Finale geschafft, gemeinsam mit einem Rumänen. Im Gegensatz zu den Cellisten, wo dieses Jahr das Niveau insgesamt sehr hoch war, gab es bei den Pianisten kaum außergewöhnliche Talente zu entdecken. Technisch perfekt, ja, das können viele. Obwohl schon auch daneben gegriffen wurde. Aber einen wirklich berühren? Vielleicht haben es deshalb nur vier ins Semifinale geschafft. Ob es am Ende einen klaren Sieger geben wird, muss man abwarten. Die Wahl steht zwischen Kang-Un Kim, dem Sportiven, Chi Ho Han, dem Empfindsamen, der auch für seine Interpretation des sehr schweren Auftragswerks von Marc André Hamelin ausgezeichnet wurde, und Florian Mitrea, dem Ästheten.
    Besonders spannend für Zuhörer und Jury war das Fach Schlagzeug. Hier lebte die zeitgenössische Musik auf - kein einziges Werk von vor 1900 war zu hören. Diese Gattung ist im Kommen. Das spiegelt auch das erstaunlich hohe Niveau wieder. Michel Tabachnik, der Dirigent des Final-Konzerts:
    "Das Schlagzeug-Niveau war unglaublich. Ich war erstaunt. Klar, Cello und Klavier auch, aber das Niveau von Schlagzeug ist höher als, ich würde sagen, zehn Jahre früher. Diese Jungen, was sie spielen können - man konnte das nicht zehn Jahre früher!"
    Entsprechend furios ging es zu. Musik für Percussion ist vielleicht manchmal gewöhnungsbedürftig fürs Ohr, immer aber ein Erlebnis für die Augen. Die Musiker führen hinter ihren zahlreichen Instrumenten regelrechte Tänze auf, erstaunen mit höchster Virtuosität, und, ja, auch Musikalität - wie nicht zuletzt der Gewinner des ersten Preises, Simone Rubino aus Italien, im Finale bewies.
    Der ARD-Musikwettbewerb 2014 begann mit einem Teilnehmerrekord, verlief mit meist großem Publikumsinteresse - und endet mit einigen vielversprechenden Auszeichnungen, die definitiv Lust machen auf mehr.