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Internationales Dienstleistungsabkommen
Aktivisten machen Front gegen TiSA

TTIP, CETA und jetzt TiSA: Die Kritik an internationalen Handelsabkommen reißt nicht ab. Greenpeace und netzpolitik.org befürchten, dass mit dem geplanten Trade in Services Agreement über den Austausch von Dienstleistungen europäische Datenschutz- und Verbraucherrechte gefährdet werden. Sie haben Einblick in vertrauliche Dokumente bekommen.

Von Verena Kemna | 25.11.2016
    Eine Demonstration gegen die Handels- und Dienstleistungsabkommen TTIP, CETA und TISA.
    Bislang spielte das Handelsabkommen TiSA in der öffentlichen Debatte eine untergeordnete Rolle. Das könnte sich nach der Einmischung von Greenpeace ändern. (picture-alliance / dpa / Peter Endig)
    Die Abkürzung TiSA steht für Trade in Service Agreement. Das Abkommen zur Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen wird seit drei Jahren von 23 Parteien verhandelt, darunter die EU und die USA. TiSA ist bei Kritikern ebenso umstritten wie die Handelsabkommen TTIP und CETA. Die Umweltorganisation Greenpeace sieht Standards im Datenschutz massiv gefährdet. Nicht zum ersten Mal wurden Greenpeace Textseiten aus einer der nicht öffentlichen Verhandlungsrunden zugespielt. Was den gesamten Verhandlungsprozess angeht, spricht Alexander Dix, der viele Jahre lang Datenschutzbeauftragter in Brandenburg und Berlin war, von einer unvorstellbaren Geheimniskrämerei:
    "Hier geht es im Prinzip erst mal um ein Handelsabkommen. Aber ich befürchte, dass das, was Europa sich gerade in einem sehr langsamen und mühsamen Prozess erarbeitet hat, und worauf man sich verständigt hat, das Menschenrecht auf Datenschutz, dass das hier wirtschaftlichen Interessen geopfert wird."
    Werden mühsam errungene Datenschutzstandards aufgeweicht?
    Den fast siebzig Seiten, die Greenpeace zugespielt worden sind, entnimmt der Datenschutzexperte konkrete Vorschläge seitens der USA. Vor allem die US-Regierung habe ein Interesse daran, mühsam errungene europäische Datenschutzstandards aufzuweichen. Zudem bezweifelt Alexander Dix, dass die EU-Kommission überhaupt über ein Verhandlungsmandat in Sachen Datenschutz verfügt:
    "Gleichwohl vermisse ich in den Dokumenten eine entschiedene Gegenposition der EU zu diesen Vorschlägen. Ich befürchte deshalb, dass sich politischer Druck aufbauen könnte, dass Europa seine Datenschutzstandards doch zurücknehmen muss. Das wäre ein massiver Rückschritt, und da darf weder die EU-Kommission noch die Bundesregierung mitmachen."
    Auf den offiziellen Seiten der EU-Kommission wird TiSA als Motor für Wachstum und Arbeitsplätze beschrieben. Unternehmen innerhalb der EU sollen mit TiSA ihre Dienstleistungen einfacher in andere Länder exportieren können. Mehr Wachstum und Arbeitsplätze, ein größeres Angebot an Dienstleistungen und niedrigere Preise, so könnten Unternehmen und Verbraucher von TiSA profitieren, heißt es dort. Markus Beckedahl, Gründer und Chefredakteur von netzpolitik.org befürchtet, dass das Gegenteil eintreten könnte. Die Uneinigkeit innerhalb der EU in Sachen Datenschutz könnte den USA mit einer starken Verhandlungsposition kaum etwas entgegen setzen. Nach der Analyse der nun vorliegenden geheimen Papiere würden Unternehmen wie Google oder Facebook, die mit persönlichen Daten Geschäfte machen, erheblich mehr Einfluss bekommen. Markus Beckedahl:
    "Eigentlich ging die Debatte dahin, dass wir mehr Daten in der EU speichern lassen müssten, um unsere Daten zu sichern. TiSA versucht diesen Trend umzukehren und ein Niveau einzuführen, das weit unter unserem europäischen liegt."
    Beckedahl: Firmen wie Siemens wollen ihre Software geheim halten
    Ein weiterer Kritikpunkt ist die Offenlegung sogenannter "Quellcodes", wenn es um kritische Infrastrukturen geht. In einem ersten Positionspapier zu TiSA seien sensible Einrichtungen wie etwa Krankenhäuser, Stadtwerke oder auch Atomkraftwerke durch einen transparenten Quellcode gesichert. Die neuen Verhandlungsunterlagen, die Greenpeace vorliegen, sprechen eine andere Sprache. Demnach sind viele große US-Unternehmen nicht daran interessiert, ihren Quellcode preiszugeben. Aber auch deutsche Unternehmen wie Siemens wollten ihre "Betriebsgeheimnisse" sprich ihre Software am liebsten geheim halten, erklärt Markus Beckedahl.