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Interne Machtkämpfe
Die NPD vor dem Verbotsverfahren

Udo Voigt, ehemaliger Bundesvorsitzender der NPD, missfällt der Kurs von Holger Apfel, aktueller Bundesvorsitzender, den er für zu gemäßigt hält. Jetzt kandidiert er für einen Platz im Europaparlament.

Von Dorothea Jung | 21.11.2013
    Udo Voigt hat zur Pressekonferenz in Berlin geladen – in eine Kneipe namens "Zum Henker". Hier im Stadtviertel Schöneweide trifft sich die rechtsextreme Szene der Hauptstadt besonders gern. "Deutsche Schutzzone" steht auf einem Schild im Gastraum, der mit mittelalterlichen Hinrichtungsutensilien reich dekoriert ist. Und so kommt es, dass der einstige Bundesvorsitzende der NPD auf einen Galgen blickt, an dem der Strick schon geknüpft ist, während er die Zukunft seiner Partei skizziert.
    "Wir wollen eine normale nationale Bewegung sein, eine patriotische Bewegung, wie es sie in Frankreich gibt, wie es sie in England gibt, wie es sie in Italien gibt. Das wollen wir für Deutschland auch, und daran arbeiten wir."
    Der 61-Jährige stellte in Berlin seine politischen Memoiren vor, die eben erschienen sind. Darin beklagt Voigt den Mangel an Geschlossenheit und Solidarität in seiner Partei. Ganz offensichtlich hat er seine Abwahl als Vorsitzender vor zwei Jahren noch immer nicht verwunden - eine Abwahl, die sein Nachfolger Holger Apfel energisch betrieben hatte. Von dessen - angeblich - gemäßigtem Kurs hält Hardliner Voigt gar nichts.
    "Bis jetzt wurde vom neuen Parteivorsitzenden der Begriff "Seriöse Radikalität" gepredigt. Aber, bis jetzt ist dieser Satzbegriff nirgendwo mit Leben erfüllt worden. Wir wollen erreichen, dass die NPD auch neues politisches Bewusstsein in der Gesellschaft schafft. Und daran muss die Partei arbeiten, aber das tut sie leider im Moment nicht."
    Voigt will ein Comeback. Im "Henker" gab er seine Kandidatur für die Europawahl im kommenden Mai bekannt. Mit seiner Vision von einer starken nationalen Bewegung, die für ein Europa der Nationen kämpft, tritt Voigt gegen Udo Pastörs an, den von Holger Apfel protegierten Kandidaten. Pastörs ist zurzeit NPD-Fraktionschef im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Und dort gehört er nach Meinung von Voigt auch hin. Parteiinterner Machtkampf statt propagierter Kameradschaft. Aber aus guten Gründen, wie Voigt versichert.
    "Ich glaube, dass die Partei sich zurzeit in einer Krise befindet. Und in Krisenzeiten sollte man also keinen Austausch von Führungskräften vornehmen. Aber ich bewerbe mich um das Mandat und werde natürlich versuchen, diese Vision, die ich habe, von einer einigen Rechten in Deutschland, im Hinblick auf eine Vereinigte Rechte in Europa, zu fördern."
    Udo Voigt träumt nicht nur von einer starken nationalen Bewegung, sondern auch von einer starken europäischen Rechten, von Bündnissen mit dem niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders zum Beispiel oder mit Marie le Pen vom französischen Front National. Deren Ziel ist es, gemeinsam eine starke Rechtsaußen-Fraktion im Europäischen Parlament zu bilden. Da möchte sich Udo Voigt einklinken und hofft auf Prestige und öffentliche Aufmerksamkeit.
    Der Einzug von einem oder zwei NPD-Abgeordneten in das Europäische Parlament könnte sogar gelingen, meint der Berliner Parteienforscher Carsten Koschmieder. Jedenfalls dann, wenn das Bundesverfassungsgericht die Drei-Prozenthürde für die Wahlen zum Europäischen Parlament noch vor dem Urnengang 2014 kippt. Erfolgreich werde die NPD aber nur sein, wenn es ihr gelingt, die unterschiedlichen ideologischen Strömungen in der Partei irgendwie zu bündeln. Angesichts eines möglichen Verbotsverfahrens, so Koschmieder, stellen sich der Partei schwierige Fragen.
    "Wollen wir uns deutlich außerhalb des Parteienspektrums gegen das System positionieren? Dann sind die Kameradschaften, die autonomen Nationalisten, die sind dann alle glücklich. Andererseits hat es natürlich zur Folge, dass beispielsweise die Verbotsdebatte wieder an Fahrt aufnimmt. Und bei Wahlen kann die Partei nur dann erfolgreich sein, also fünf Prozent überspringen oder auch meinetwegen zwei Prozent und Wahlkampfkostenerstattung bekommen und so, wenn sie es schafft, auch unzufriedene Protestwähler zu bekommen."
    Rechtsaußen unter Druck: Mit Radikalität verschreckt die Partei unzufriedene Protestwähler aus dem bürgerlich-konservativen Lager. Und mit gemäßigten Tönen vergrault sie die Kameraden der sogenannten freien Kräfte. Laut Carsten Koschmieder ist die NPD auf eine Unterstützung eben dieser Kreise aber angewiesen, weil sie wegen falscher Rechenschaftsberichte zurzeit aus der Parteienfinanzierung ausgeschlossen ist. Mehr als eine Million Euro hat die Partei zu viel kassiert, die sie zurückzahlen muss, inklusive saftiger Strafgelder.
    "Nachdem, was wir wissen, ist die NPD mehr oder weniger pleite und ist deswegen angewiesen auf unbezahlte Helfer sozusagen, die oft gar nicht selber in der Partei sind, sondern eben sich in freien Kameradschaften, Autonomen Nationalisten und so organisieren, die gerade in Ostdeutschland, in Sachsen, in ihren Hochburgen tatsächlich der Partei sehr stark helfen. Und die drängen aber dafür eben auf einen sehr radikalen Kurs. Und wenn die Partei sich zu sehr seriös verhält, dann verliert sie diese Aktivisten, die ja auf einen sehr radikalen Kurs pochen. Und momentan braucht sie die sozusagen mehr als ohnehin schon."
    Vermutlich wird der Bundesrat den Verbotsantrag Anfang Dezember beim Karlsruher Bundesverfassungsgericht einreichen. Sollte der Antrag vor Gericht jedoch erneut scheitern, wird die NPD dies als Freibrief auffassen, sich noch stärker zu radikalisieren - davon ist Parteienforscher Koschmieder überzeugt. Auf jeden Fall würde ein solches Urteil die Partei nachhaltig aufwerten. Weshalb Udo Voigt glaubt, dem Karlsruher Richterspruch entspannt entgegenblicken zu können.
    "Dann ist das der Persilschein, worauf die NPD seit 1968 lange wartet, dass das höchste deutsche Gericht erklärt, die NPD ist nicht verfassungswidrig und kann nicht verboten werden. Und damit sind wir im Bundestag."