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Internet-Blockaden in China
"Deutsche Firmen sind oft blauäugig"

China schirmt sein Internet mit einer High-Tech-Firewall vom Rest der Welt ab. Bisher konnten Firmen, die auf ungestörten Datenverkehr mit den Heimatländern angewiesen sind, die chinesische Zensur mit Spezialsoftware austricksen. Doch das wird immer schwieriger. Bald könnte ganz Schluss sein damit.

Von Steffen Wurzel | 24.07.2017
    Ein Symbolbild eines Polizeibeamten auf dem Bildschirm, das chinesische Internetnutzer davor warnt, die Zensurgesetze nicht zu überschreiten.
    Dieses kleine Polizei-Symbol weist auf einer chinesischen Webseite darauf hin, gesetzliche Bestimmungen einzuhalten (picture alliance / dpa / Adrian Bradshaw)
    VPN oder auf Englisch: VPN. Diese drei Buchstaben stehen für "Virtual Private Network". Mit VPN können Internetnutzer in China die Online-Blockaden durch den Staat bisher recht einfach umgehen. Doch seit einigen Wochen wachsen die Sorgen, dass damit bald Schluss sein könnte, sowohl bei Privatleuten als auch bei Unternehmen in China.
    "Wir haben die ersten Firmen, bei denen sie das Internet einfach abgestellt haben", sagt Niels Behrens, Inhaber der IT-Firma IBB in Shanghai.
    "Erst mal gibt es gar keine Begründung. Man steht erst mal im Dunkeln. Internet ist weg. Dann muss man erst einmal suchen: Was ist da los? Am Ende ruft man beim Provider an und der sagt: 'Ja, wir haben festgestellt, Ihr benutzt ein VPN. Das ist nicht legal. Wir haben Euch das Internet abgeschaltet'."
    Probleme für deutsche Unternehmen
    Von Fällen wie diesen hört man immer häufiger in China. Generell ist die Online-Zensur in den vergangenen Jahren immer ausgefeilter geworden. Während die Menschen innerhalb Chinas ultraschnelle Online-Services nutzen, werden alle Verbindungen, die aus dem Land rausgehen, extrem verlangsamt oder sogar blockiert. Für private Nutzer von Facebook, Instagram oder Google ist das nervig. Für ausländische Firmen ist Chinas Internet-Zensur zunehmend geschäftsschädigend.
    "Es ist so, dass das Thema der Internetbeschränkungen zu den größten Problemen von deutschen Unternehmen im China-Geschäft gehören. Das wissen wir aus unseren Mitgliederumfragen", sagt Alexandra Voss von der Deutschen Auslandshandelskammer in Peking.
    "Die Unternehmen brauchen einen schnellen und sicheren Datentransfers. Auch über Landesgrenzen hinweg. Wenn da zusätzliche Kontrollen kommen, ist das kontraproduktiv."
    Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg wollen es Chinas Behörden nicht mehr nur bei Kontrollen belassen. Ab nächstem Frühjahr, heißt es, würden alle VPNs abgeschaltet. Die chinesischen Behörden haben sich zu dem Bericht - wie so häufig - nur auf nebulöse Weise geäußert. Den rechtmäßigen Internetverkehr werde man nicht einschränken, teilte die chinesische Regierung mit. Mit unrechtmäßigem Internetverkehr hingegen könnte tatsächlich bald Schluss sein. Und was unrechtmäßig ist, bestimmt die Führung in Peking. Staatschef Xi Jinping nennt das: Internet-Souveränität.
    Pekings Begründung: Sicherheit und Ordnung
    "Mit dem Konzept der Internet-Souveränität bringen wir die weltweite Entwicklung des Netzes in eine faire und vernünftige Richtung. Wir wollen Gleichheit, Respekt, Innovationsgeist, Offenheit, Sicherheit und Ordnung im Netz."
    Sicherheit und Ordnung, damit begründet China seine hochausgefeilte Internet-Kontrolle. Irgendwelche Lücken im System, mit denen man Chinas Online-Zensur umgehen kann, wird es vermutlich immer geben, sagen Experten. Denn wenn die Sicherheitsbehörden gnadenlos alles sperren, bekämen auch chinesische Unternehmen Probleme, Banken zum Beispiel. Außerdem wären Universitäten und Forschungsinstitute betroffen, die auf internationalen Datenaustausch angewiesen sind.
    Der Schanghaier IT-Unternehmer Niels Behrens rechnet jedenfalls damit, dass der Online-Zugang aus China in die freie Welt immer schwieriger wird. Sowohl für Privatleute, als auch für Institute und Unternehmen. Viele allerdings wollten das nicht wahrhaben. "Das Gefühl, das ich habe, zumindest bei mittelständischen und kleineren Firmen: Die sind ziemlich blauäugig."