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Internetkonzern Yandex
Kreml sichert sich Einfluss auf russischen Digitalkonzern

Suchmaschine, Taxi-App, Online-Handel: Yandex ist das größte Digitalunternehmen Russlands. Es sammelt Daten von Millionen Nutzern. Der Kreml sorgt sich seit langem, dass Yandex in die Hände ausländischer Investoren gelangen könnte - und hat einen Weg gefunden, Einfluss auf das Unternehmen auszuüben.

Von Thielko Grieß | 20.11.2019
Smartphone neben Firmenlogo
Sammelt persönliche Daten von Millionen von Nutzern: Yandex (imago / Artyom Geodakyan)
Wer möchte, kann seinen gesamten Tag mit Yandex und dessen Services verbringen: Nach dem Aufwachen hilft ein Blick auf den Nachrichten-Aggregator Yandex Nowosti, um zu erfahren, was in der Nacht passiert ist. Danach ein Blick auf das Wetter, dann auf die Straßen Moskaus. Radiosender übernehmen die Verkehrs- und Staudaten von Yandex, ermittelt auf Grundlage von Bewegungsdaten seiner Nutzer, natürlich gibt es Navigations- und Kartendienste. Fremdsprachen übersetzt ein anderer Service.
Daten von Millionen von Menschen
Auf den Straßen Moskaus fahren außerdem tausende Yandex-Taxis mit im Vergleich zu Deutschland deutlich niedrigeren Tarifen. Der Konzern ist Marktführer und verdient an jeder Fahrt mit. Wer mittags im Büro essen will, kann über eine andere App sein Menü bei hunderten Restaurants der Stadt bestellen, gebracht von Kurieren, zwischendurch den Mailservice nutzen und die Yandex-Suchfunktion im Browser. Jede zweite Suchanfrage in Russland wird von Algorithmen des Unternehmens beantwortet. Wer abends wissen will, wo Theater oder Musik laufen, erfährt dies aus einer weiteren App, für die Fahrt dorthin gibt es das stark wachsende Carsharing, auch das angeboten von ... Sie ahnen es.
"Wir haben heute ein technisches Ökosystem, das das Alltagsleben von Millionen Menschen in Russland berührt", so Arkadij Wolosch, Mitgründer, Großaktionär und Konzernchef vor Kurzem.
"Wir sammeln persönliche Daten von Millionen russischer Nutzer und sind dafür verantwortlich, sie zu speichern. Das geistige Eigentum, das wir entwickelt haben und nun besitzen, ist bedeutend und sensibel genug, um ein potenzielles Problem für die nationale Sicherheit zu sein."
Von einem "Fonds" beaufsichtigt
Yandex ist längst nicht nur in Russland erfolgreich – sondern praktisch im gesamten russischsprachigen Raum.
Der Kreml sorgt sich seit langem, dass Yandex in die Hände ausländischer Investoren gelangen könnte. Der Konzern gehört zwar mehrheitlich dem Mitgründer, Arkadij Wolosch, und anderen Beschäftigten. Aber andere Aktien werden auch in New York gehandelt. Und seinen Sitz hat Yandex ohnehin in den Niederlanden.
Daher ist über Monate verhandelt worden – der Druck von Staatsseite nahm immer mehr zu: Mal wurde angedroht, Ausländer dürften nicht mehr als 20 Prozent des Konzerns erwerben, was den Aktienkurs umgehend einbrechen ließ. Und nun wurde verkündet:
Ein sogenannter Fonds gesellschaftlicher Interessen soll Aufkäufe von zehn oder mehr Prozent der Anteile untersagen können, ebenso die Abgabe geistigen Eigentums oder von Daten. Sieht dieser Fonds die nationale Sicherheit Russlands gefährdet, die nicht näher definiert wird, kann er den Russland-Chef von Yandex abberufen.
Nun entscheidet der Staat mit
Dieser Fonds werde, so berichten verschiedene Medien, in enger Absprache mit der Kreml-Verwaltung besetzt. Das Gremium bestimmt künftig auch die Hälfte der Mitglieder des Aufsichtsrates. Statt von einem Fonds gesellschaftlicher Interessen müsse eher von einem Staatsfonds gesprochen werden, schreibt die Zeitung Wedemosti.
"Offensichtlich hatten wir viele Gespräche mit verschiedenen Leuten in der Regierung, die Präsidialadministration eingeschlossen, Minister", sagt Konzernchef Arkadij Wolosch.
Der Staat entscheidet nun mit über den wichtigsten russischen Digitalkonzern, ähnlich wie in anderen Schlüsselbereichen der Wirtschaft, zum Beispiel dem Rohstoffgeschäft. Der Yandex-Chef aber verspricht: Der Staat werde ansonsten keine Rolle spielen, das Unternehmen bleibe innovativ. Zurzeit erprobt es auf Moskaus Straßen Dutzende autonom fahrende Autos. Und die Planungen für Flugtaxis laufen. Der Aktienkurs machte einen Sprung nach oben.