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Internetportal "www.lebensmittelklarheit.de" gestartet

Erdbeerjoghurt, der gar keine Erdbeeren enthält, Käse, der gar kein Käse ist, Kalbsleberwurst, unter die Schwein gemischt wurde: Solche irreführenden Bezeichnungen können Verbraucher demnächst einem Internet-Portal melden.

Von Philip Banse | 20.07.2011
    Den Start ihres neuen Portals hatte sich die Verbraucherzentrale anders vorgestellt: Um 11 Uhr heute Vormittag ging lebensmittelklarheit.de online, und ist seit dem nicht aufzurufen: Die Server sind unter der Last zusammengebrochen: Die Webseite verzeichnet 20.000 Anfragen pro Sekunde, so oft wird die Webseite des Verbraucherzentrale Bundesverbandes sonst in einem Monat aufgerufen.

    So viele Anfragen deuten auf einen Angriff hin, an solchen Spekulationen wollte sich der Sprecher der Verbraucherzentralen aber nicht beteiligen. Er sei niedergeschlagen, sagte der Sprecher, es werde nach neuen Serverkapazitäten gesucht.

    Wenn die Seite wieder online ist, können Verbraucher dort Produkte melden, von deren Aufmachung oder Kennzeichnung sie sich getäuscht fühlen: Etwa, wenn der Schwarzwälder Schinken nur zum Verpacken im Schwarzwald war, die Putenwurst größtenteils Schweinefleisch enthält oder in der Schokolade keine Banane enthalten ist, obwohl auf der Verpackung eine Banane leuchtet: Wenn das Produkt nicht hält, was die Verpackung verspricht, sollen Verbraucher alle Informationen hochladen, sagt der Chef der Verbraucherzentralen, Gerd Billen:

    "Wir werden aussortieren, wenn wir der Auffassung sind, dass vor allem die Wettbewerber aus dem Lebensmittelmarkt die Dinge einschicken. Wir werden keine Schmähkritik zulassen. Aber: Wir werden die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher wahren und wir werden dort, wo wir der Meinung sind, dass es sich um Täuschung und Irreführung handelt, auch dann, wenn Dinge vielleicht gesetzlich erlaubt und legal sind, ganz deutlich darauf hinweisen."

    Die Verbraucherschützer bitten die betroffenen Hersteller dann um eine Stellungnahme. Diese Stellungnahme, die Verbraucherklage und eine Bewertung der Verbraucherschützer, wird dann auf lebensmittelklarheit.de veröffentlicht – und kann von Verbrauchern diskutiert werden.

    FDP-Agrarexperte Michael Goldmann kritisierte, gegen irreführende Produktbezeichnungen vorzugehen, sei Aufgabe des Gesetzgebers, nicht von Verbraucherschützern. Dem entgegnete Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner, CSU: In Deutschland seien 200.000 Lebensmittel auf dem Markt, jedes Jahr kämen 10.000 hinzu:

    "Es wird dabei immer Grauzonen geben, die nur schwer allein gesetzlich zu regeln sind. Hier setzt das neue Internetportal an. Das Portal steht für umfassende Verbraucherinformation und mehr Transparenz. Es wird auch hilfreich sein, um zu erfahren, wo die Verbraucher der Schuh drückt, wo gegebenenfalls auch Regelungen angepasst werden müssen."

    Matthias Horst von der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie kritisierte das Portal als "Pranger, um Ware zur Schau zu stellen, die rechtlich in Ordnung ist". Ilse Aigner wies diesen Vorwurf zurück:

    "Als transparentes Meinungs- und Informationsforum wird das Portal einen fairen Austausch zwischen Verbrauchern und Wirtschaft ermöglichen. Ich sage das auch allen, die wider besseres Wissen immer noch behaupten, hier werde ein Pranger installiert."

    Der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde, BLL, hält das Verbraucherportal für rechtswidrig.

    "Allein dieses Licht der Täuschung, was jetzt hier verbreitet wird, entsetzt uns natürlich."

    Sagt Andrea Moritz vom Lobbyverband der Lebensmittelindustrie BLL:

    "Hier muss sachlich informiert werden und nicht einseitig wertend. Das ist auch unsere große Forderung."


    www.lebensmittelklarheit.de