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Investoren im Fußball
Wie Rechtssicherheit bei 50+1 aussehen könnte

Laut der 50+1-Regel dürfen Investoren im Regelfall nicht die Mehrheit der Stimmenanteile an einem Klub aus der 1. oder 2. Fußball-Bundesliga besitzen. Sowohl Befürworter der Regel als auch ihre Gegner sagen, dass es jetzt für alle Seiten Rechtssicherheit geben müsse.

Von Jessica Sturmberg | 15.04.2018
    Fans von Hannover zeigen Plakate mit der Aufschrift "Pro 50+1".
    Fans von Hannover zeigen Plakate mit der Aufschrift "Pro 50+1". (Swen Pförtner/dpa)
    Ist die 50+1-Regel Luxus, wie Bayern Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge wertete, und passt nicht mehr in heutige Zeit? In der es darum geht, alle potenziellen Geldhähne anzuzapfen, um im internationalen Wettbewerb weiter konkurrenzfähig zu sein? Oder gerade jetzt der genau richtige "Sonderweg" wie der Fußball-Chefreporter der britischen "Times", Oliver Kay, just schrieb, weil die Bundesliga nicht als reines Geschäft gesehen wird, sondern es auch noch darum geht, "die Verbindung zwischen Club und Mitgliedern zu schützen und zu fördern."
    Die Verbindung, die viele Vereine zu ihrer Basis pflegen - zum Beispiel mit bezahlbaren Eintrittspreisen, Stehplätzen, Bier im Stadion - überhaupt das Einbeziehen von Fangruppierungen und der Dialog, wenn es zu Konflikten kommt. So sieht es jemand, der den deutschen Fußball von Außen betrachtet, und von gegensätzlichen Erfahrungen in der Premier League berichtet.
    Kartellrecht als Gefahr für die Regel
    Doch die 50+1-Regel ist in ihrer jetzigen Fassung angreifbar, argumentieren Juristen. Dabei gäbe es verschiedene Wege die Regel zu kippen. Der naheliegendste und realistischste Weg wäre über das Kartellrecht. Das soll im Grundsatz davor schützen, dass jemand ein Monopol für sich ausnutzt. Die DFL ist die einzige Organisation, die Bundesligaspiele anbietet und hat damit wirtschaftlich betrachtet ein Monopol. "Das Monopolistische ist, dass die einzige Möglichkeit an der Bundesliga teilzunehmen ist, wenn ich mich diesen Regeln unterwerfe und das ist der Marktmissbrauch", sagt der Kölner Sportjurist Paul Lambertz.
    Die DFL schreibt mit der 50+1 Regel den Proficlubs zwingend vor, dass ihre Gesellschafter keine Mehrheit beim Stimmrecht haben dürfen. Clubs, die offen wären für Mehrheitsgesellschafter, wird diese Möglichkeit in der Regel nicht erlaubt. Auch wird der freie Kapitalverkehr an dieser Stelle eingeschränkt. "Wenn ich höre, dass immer von den bösen Investoren geredet wird, dann könnte man ja fast auf die Idee kommen, dass der Verein vor sich selber geschützt werden soll. Dass er sich eben keine Scharlatane ins Boot holt."
    Der Sport: Regulärer Wirtschaftszweig oder Sonderbereich?
    Aber warum soll ein Verband sich nicht eine solche Regelung selber geben, zumal sie demokratisch durch Mehrheitsbeschluss legitimiert ist, argumentiert dagegen der Sportrechtler und Richter am Kölner Landgericht, Jan F. Orth. 50 + 1 falle unter Verbandsautonomie, daher könne die DFL diese rechtfertigen mit der Begründung: "Wir wollen anders als in den anderen europäischen Ländern den Fußball freihalten von übermäßigem Einfluss von Kapital. Wir wollen, dass der Fußball den Vereinen, der Basis, der Bevölkerung gehört. Und das ist ein wichtiges Gut und das ist im Kernbereich der Verbandsautonomie."
    Das, was diese beiden Sichtweisen unterscheidet, ist die Frage, als was der Fußball vornehmlich gesehen wird: Ist er ein Wirtschaftszweig, der unter wettbewerbsrechtlichen Aspekten geregelt werden muss oder doch wegen seiner gesellschaftlichen Bedeutung ein Sonderbereich, dem entsprechend besondere Regeln zuerkannt werden können?
    Gerade weil der Sport und der Fußball im Besonderen sich in den letzten Jahren immer mehr zu einem milliardenschweren Wirtschaftszweig entwickelt haben, greifen die Kartellbehörden sowohl in Deutschland aber auch in Europa verstärkt ein, beobachtet Paul Lambertz. "Erinnern sie sich an die TV-Rechte, da ist das Kartellamt reingegangen, beim DOSB ist das Kartellamt momentan drin", sagt der Sportrechtler. "Auf der europäischen Ebene haben wir jetzt eine wegweisende Entscheidung gegen die Eisschnelllaufunion. Ich merke schon, dass die Kartellämter den Sport kritischer beäugen und nicht mehr alles hinnehmen, so nach dem Motto: Naja, ist ja der Sport. Der darf das."
    Mildere Maßnahmen könnten Türe öffnen
    Also, weil der Sport sich zunehmend als Geschäft geriert, soll er auch nach diesen Maßstäben bewertet und reguliert werden, selbst wenn das dazu führt, dass er möglicherweise noch stärker zu einem einzig großen Geschäft wird? Dass es durchaus schützenswerte Ziele gibt, erkennt auch das Kartellrecht an. Und demnach ist auch erlaubt, etwas dagegen zu unternehmen, dass Klubs zu wilden Spekulationsobjekten von Investoren werden. Die Frage, die Kartellrechtler dann stellen: Ist die 50+1-Regel verhältnismäßig? Oder anders gefragt: Wird hier mit Kanonen auf Spatzen geschossen?
    "Es müsste also überprüft werden, ob diese zuvor identifizierten, legitimen Zielsetzungen nicht durch mildere Maßnahmen erreicht werden können, die den Wettbewerb weniger beschränken, also das Tor für Investoren ein Stück weit weiter öffnen", sagt der Bayreuther Kartellrechtler Peter W. Heermann. Solche milderen Maßnahmen könnten sein: Dass die DFL hohe Hürden setzt für eine Änderung von Vereinsnamen oder -logo, dass sie Mindesthaltefristen festlegt, um zu verhindern, dass Investoren ihre Anteile einfach wieder abstoßen, wenn sie plötzlich keine Lust mehr auf Fußball haben oder ein Verbot sich an mehreren Clubs mehrheitlich zu beteiligen.
    "Denn es könnte ja dann sein, dass am Ende der Saison diese beiden Clubs gegeneinander spielen, Club A steht schon als deutscher Meister fest, Club B braucht noch jeden Punkt im Abstiegskampf. Ein Investor, der wirtschaftlich denkt, wird sich hier ein bestimmtes Ergebnis wünschen und wird vielleicht darauf Einfluss nehmen. Übrigens ein Beispiel, das nicht reine Theorie ist, sondern mit dem sich die UEFA auseinanderzusetzen hatte, nachdem sich sowohl RB Leipzig als auch Red Bull Salzburg für die Champions-League-Qualifikation qualifiziert hatten", sagt Heermann.
    Regulierte Öffnung für Rechtssicherheit
    Die DFL könnte durch entsprechende Regelungen den Intentionen von 50+1 nachkommen, ohne aber Mehrheitsgesellschafter grundsätzlich auszuschließen. Hieße also eine regulierte Öffnung mit konkret gesetzten Grenzen. Das wäre eine Strategie, mehr Rechtssicherheit herzustellen.
    Allerdings stellt sich die Frage, ob solche Regeln am Ende wirksam sind, ungeliebte Entwicklungen zu verhindern. Können alle Eventualitäten bedacht werden? Ist man sich überhaupt einig über die konkreten Ziele, die mit 50+1 verfolgen will? Abstrakt vielleicht ja, aber wenn es konkret wird, steckt dann doch der Teufel im Detail.
    Die andere Strategie wäre, an einer klaren 50+1-Regel festzuhalten. Eine, die allerdings möglichst keine Ausnahmen mehr zulässt, wie es sie derzeit für Bayer Leverkusen, den VfL Wolfsburg und 1899 Hoffenheim gibt. Denn solche Ausnahmen verwässern das Argument, dass es die 50+1-Regelung zwingend braucht. Oftmals wird gesagt, dass mit einer Öffnung letztlich nur das vollzogen wird, was faktisch schon der Fall ist. Nämlich, dass in vielen Clubs Sponsoren und Investoren schon längst auch ohne Stimmenmehrheit die Vereinspolitik bestimmen.
    Dem hält Jan F. Orth entgegen: "Ich als Jurist und Richter sträube mich dagegen, die Regeln an das anzupassen, was faktisch gemacht wird und die Werte, die wir damit vertreten, sind so wichtig und die halte ich für unseren Sport so elementar, dass wir die nicht kampflos aufgeben sollten." Welche Strategie die DFL bei der Frage der Rechtssicherheit verfolgen wird, ist am Ende auch wieder eine Richtungsentscheidung. Der Times-Fußball-Chefreporter Oliver Kay schließt seine Analyse zum German Sonderweg im übrigen mit einem eindringlichen Warnhinweis an die Bundesliga: "Der deutsche Fußball sollte niemals seine Prinzipien aufgeben, Wenn sie einmal verwässert werden, gibt es kein Zurück."