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Irak, Syrien, Afghanistan
Wo der Islamische Staat wieder an Stärke gewinnt

Im Nordirak gilt die Terrororganisation Islamischer Staat seit drei Jahren als militärisch besiegt. Doch längst bauen die Kämpfer neue Strukturen auf, im Irak und auch in Syrien. Experten sehen eine besonders gefährliche Entwicklung allerdings in Afghanistan.

Von Marc Thörner | 11.12.2020
Trümmer liegen unweit der irakischen Stadt Mossul
Noch immer findet man Trümmer in und um die irakische Stadt Mossul. Kann der IS hier wieder Boden gewinnen? (picture-alliance/dpa/France-Inter/Thibault Lefévre)
Mossul, Nordirak. Die Terrororganisation Islamischer Staat gilt hier seit drei Jahren als militärisch besiegt. In einigen Stadtteilen häufen sich die Trümmer immer noch. In anderen Quartieren läuft alles wieder relativ normal. Auf einem kleinen Markt verkaufen Händler Obst und Gemüse. Tischler hämmern, Autos werden repariert.
Zufrieden sei er, einfach nur zufrieden, sagt ein etwa Sechzigjähriger, dass das Terror-Regime aus der Stadt weg ist. Und der junge Mann neben ihm erinnert sich an Grausamkeit und Willkür.
"In meinem Viertel, in Hayat Mamoun gab es mal Ärger unter Nachbarn. Die Leute vom IS haben das mitbekommen, sie haben die Streithähne festgenommen und ihnen dann einfach die Köpfe abgeschlagen."
Niemals, so unterstreicht er, niemals dürfe ein solches Terror-Regime zurückkommen. Gewalt als Lösung und Intoleranz als schein-staatliches System.
"Ob Schiiten, Sunniten, Jesiden oder Christen – wir gehören alle zusammen. Ich hoffe, dass alle, die vom IS vertrieben wurden, bald zurückkehren. Mit der IS-Ideologie muss es aus und vorbei sein. Die Jesiden sind unsere Brüder. Kurden und Araber sind Brüder, die Christen sind unsere Brüder. Wir sitzen alle im gleichen Boot."
Gleiche Bürgerrechte für gleiche Staatsbürger, unabhängig von ihren Überzeugungen und ihrer Religion – eine Idee, die dem Islam-Bild derjenigen entgegensteht, die noch vor drei Jahren hier herrschten. Die IS-Lehre spreche nicht nur Angehörigen von anderen Religionen die Existenzberechtigung ab. Sie fordere auch den Tod solcher Muslime, die nicht Sunniten sind, so der Islamwissenschaftler und Terrorismusexperte Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik.
"Dazu gehört beispielsweise die physische Vernichtung der Schiiten als Ungläubige. Der IS hat gesagt: Das ist der wahre Glaube, wir töten jeden Schiiten, wir töten auch jeden Alawiten oder Drusen oder Ismaeliten, der in unsere Hände fällt."
Bis zur Eroberung durch die US-geführte Koalition im Frühjahr 2017 war Mossul die weltweit wichtigste Drehscheibe des so genannten Islamischen Staates. In Punkto Ideologie nicht weniger als in Punkto Regierung und Verwaltung.
"Der Fall von Mossul war für den IS ein Einschnitt. Tatsächlich war Mossul die eigentliche Hauptstadt der Organisation. Dass diese Stadt verloren war, wo seine wichtigsten Institutionen sich befanden, wo sich ganz viele Führungskader aufhielten, wo auch viele wichtige Kämpfer gestorben sind, das war tatsächlich der Rückschlag für die Organisation."
Erneut Anschläge auf irakische Sicherheitskräfte
Seit Monaten gelingen dem IS nun wieder spektakuläre Anschläge auf irakische Sicherheitskräfte. Und etwas zeichnet sich ab, was noch vor einiger Zeit undenkbar schien: Die Terrororganisation erlebt einen neuen Aufschwung. Wo liegen die Ursachen dafür?
Unweit der Altstadt von Mossul – oder dem, was nach den Kämpfen von 2017 noch davon übrig ist – patrouillieren zwei Soldaten. Auf den ersten Blick sehen sie aus wie amerikanische GI's. Ausgerüstet mit solchen Tarnanzügen, wie sie die US-Armee benutzt. Mit NATO-Helmen und US-gefertigten Sturmgewehren. Tatsächlich aber gehören die Männer zur regulären irakischen Armee. Kooperieren sie mit denjenigen US-Soldaten, die noch im Irak stationiert sind? Nein, das tun sie nicht, machen sie klar.
Donald Trump vor amerikanischen Flaggen zeigt in die Kamera.
US-Auslandseinsätze - Trump schafft Fakten in Afghanistan und im Irak
Der abgewählte US-Präsident Donald Trump wird weitere Soldaten aus dem Irak und aus Afghanistan abziehen. Selbst aus den Reihen der Republikaner gibt es Kritik. Trump sorgt auch aus einem anderen Grund für Irritationen.
Sie gingen gemeinsam mit schiitischen Freiwilligenverbänden vor. Das funktioniere ausgezeichnet, sagen sie. Die schiitischen Milizen seien jetzt ebenfalls organisiert wie eine richtige Armee: mit Panzern und Artillerie, also der gleichen Ausrüstung, die auch das staatliche Militär einsetzt. Sie selbst seien auch Schiiten, sagen die beiden Soldaten – und bereit, gegen den IS zu kämpfen.
"Das ist eine Entwicklung, die wir schon während der amerikanischen Besatzung, also so etwa im Jahr 2007, 2008 beobachten können. Aufseiten der Regierung haben nämlich nicht nur die Regierungstruppen und Polizeieinheiten die militärischen Erfolge eingefahren, sondern auch schiitische Milizen unter iranischer Kontrolle. Die haben sich zahlloser Verbrechen gegen sunnitische Zivilisten, aber auch gegen IS-Gefangene schuldig gemacht. Und die Sunniten im Irak glauben, dass sie in diesem Land keine Zukunft mehr haben. Und die einzige Interessen-vertretung, die viele von ihnen sehen, ist der so genannte Islamische Staat und deswegen kann der IS auch heute noch auf Unterstützung, in Mosul beispielsweise, zählen."
Der IS profitiert vom irakischen Ur-Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten. Unterstützung sucht er vor allem unter denen, die sich oft als Verlierer vorkommen. Rund um die Stadt sind Lager gewachsen, in denen sunnitische Flüchtlingsfamilien einer ungewissen Zukunft entgegensehen. Vor ihren provisorischen Baracken stehen einige Familienväter und klagen über den Staat und seine Sicherheitskräfte.
An deren Stelle seien schiitische Freiwilligenverbände getreten. Schiiten kontrollierten sogar die staatliche Armee.
Der Iran hat großen Einfluss
Misshandlungen, Willkürakte, Folter. Als Sunnit schwebe man in ständiger Gefahr, stehe im Ruf sowieso für den IS zu sein. Meinungen, wie sie nicht nur Flüchtlinge äußern. Vor der Universität von Mossul macht auch ein junger Englisch-Dozent keinen Hehl aus seiner Meinung:
"Wir haben große Angst angesichts all dieser Milizen. Und ich fürchte, dass der Iran alles tut, um diese Region unter Kontrolle zu bekommen, um seine Macht mehr und mehr auszuweiten. Ein bekannter schiitischer Milizenführer hat gesagt: Unsere künftige geographische Einflusszone wird nicht die Form eines schiitischen Halbmondes haben. Es wird ein schiitischer Vollmond sein."
Seit Jahren bilden westliche Staaten die irakischen Streitkräfte aus. Nicht nur die USA, auch Deutschland. Dominiert aber werden sie vom Iran. Das war schon zu erkennen, als die Bundesrepublik 2018 mit dem Training irakischer Sicherheitskräfte begann. Doch Niels Annen, Staatsminister im Auswärtigen Amt, hielt den Befürchtungen damals entgegen:
"Dass wir die Zentralstreitkräfte, aber keine schiitischen Milizen unterstützen, finde ich ist sehr gut formuliert, und sendet auch eine wichtige politische Botschaft: Dass wir das mit der Erwartung verknüpfen, dass eben auch diese Strukturen, die Kommandostrukturen, die zum Teil vom Iran in der Tat abhängen, zerschlagen werden. Wir wissen, dass das nicht von heute auf morgen geht. Aber wir wollen auf der einen Seite der Regierung signalisieren: Wir stehen an eurer Seite, aber gleichzeitig eben auch diesen Punkt klarmachen, dass eine Vermischung für den weiteren Aufbau des Iraks nicht förderlich ist und dass wir das auch nicht unterstützen können."
Hat die Erwartung sich erfüllt? Guido Steinberg kann von der Zerschlagung iranischer Kommandostrukturen jedenfalls nichts erkennen.
"Die Situation hat sich in gewisser Weise im Irak sogar verschlimmert. Der IS kann sich formieren, weil die Politik des Landes Irak sich nicht geändert hat."
Russische Soldaten posieren vor antiken Ruinen der Wüstenstadt Palmyra in Syrien.
An Russland kommt im Nahen Osten niemand mehr vorbei
Gut ein Jahr nach der Annexion der Krim begann Russland seinen Militäreinsatz in Syrien. Offiziell ging es darum, den sogenannten Islamischen Staat zu bekämpfen. Doch Moskau hatte auch andere Ziele.
Nicht nur im Irak verfügte der IS noch bis vor kurzem über ein von ihm kontrolliertes Gebiet. Seine wichtigsten Hochburgen lagen auch in Syrien. Wie im Irak hat der Staat auch in Syrien seine hoheitlichen Sicherheitsaufgaben abgegeben. Und wie an Euphrat und Tigris auch hier an Platzhalter aus dem Iran. Wichtigste Bodentruppe des Assad-Regimes war in den vergangenen Jahren vor allem eine iranisch angeleitete Miliz: die Hisbollah. Für Ayman Sousan, Assads stellvertretenden Außenminister, ein unproblematischer Verbündeter.
"Wir kümmern uns nicht um die religiösen Anschauungen von einzelnen dieser Gruppen. Wenn wir diese oder jene Gruppe einem Urteil unterziehen, dann tun wir das auf der Grundlage ihres Verhaltens. Und das Verhalten der Hisbollah und anderer Gruppen besteht darin, den syrischen Staat im Kampf gegen den Terrorismus zu unterstützen. Indem sie den syrischen Staat im Kampf gegen den Terrorismus unterstützt, trägt die Hisbollah sogar dazu bei, die ganze Menschheit gegen den Terror zu schützen."
Der Iran als uneigennütziger Helfer? Sadeq al Mousllie vom oppositionellen irakischen Nationalkongress, der in Deutschland lebt, nimmt etwas völlig anderes wahr: Teherans Versuch, sich in Syrien permanent festzusetzen. Das reiche bis zur Übernahme von Grund und Boden.
"In Damaskus gibt es ganze Viertel, die teilweise zerstört worden sind, im Auftrag zerstört worden sind, um eben das an den Iran weiterzuverkaufen. Wenn man das politisch beziehungsweise religiös ummünzen würde, wissen wir auch mit Sicherheit, dass das Regime in der Peripherie des Landes das zugelassen hat, dass der Iran für seine Konfession auch wirbt. Das heißt, das Schiitentum in Syrien auch noch größer werden zu lassen. Sie wissen, das mehrheitlich die syrische Bevölkerung sunnitisch ist. Und man hat damit sozusagen den Einfluss gekauft, in dem dann der Iran Assad unterstützt, dann auf dem Boden gewisse Freiheiten zugelassen. Und das ist kein Geheimnis mittlerweile."
IS-Unterstützung als Widerstand gegen das Assad-Regime
Die Haltung des Assad-Regimes zur sunnitischen Mehrheitsbevölkerung, seine enge Kooperation mit schiitischen Kräften: Auch in Syrien eine Steilvorlage für den IS, meint Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik.
"Die Opposition zum Assad-Regime, die ist ganz unterschiedlicher Natur. Aber die meisten arabischen Sunniten im Land haben sich seit 2011 gegen das Regime gestellt. Und das Regime hat reagiert, mit brutalen Vertreibungskampagnen, mit der Inhaftierung und Ermordung von Oppositionellen aus allen Landesteilen. Und das ist einer der Gründe, weshalb der IS in seinen ehemaligen Herrschaftsgebieten immer noch auf die Unterstützung von Teilen der Bevölkerung zählen kann."
Aber es gebe noch eine andere Macht, die dem IS in Syrien in die Hände spiele:
"Das Problem der IS-Bekämpfung ist aus meiner Sicht vor allem die Türkei. Die Türkei zeigt mittlerweile seit fast einem Jahrzehnt, dass sie kein Interesse an einer entschlossenen Bekämpfung des IS hat. Das fing damit an, dass die Organisation die Durchreise von ausländischen Kämpfern nach Syrien und in den Irak bewusst gefördert hat. Anschließend läuft die Versorgung des IS, teils auch mit Waffen und Ausrüstungsgegenständen wieder über die Türkei und dann über die syrische Grenze und das ganz ohne Probleme."
"Und dann können wir beobachten, dass die Türkei mit einzelnen Aktionen gegen den wichtigsten lokalen Gegner des IS die Bekämpfung geschwächt hat. Das waren vor allem die Interventionen in Afrin im Januar 2018."
An der Straßenecke an der Schlossstraße, mitten in der Dresdener Innenstadt zwischen Kulturpalast und Residenzschloss, wo ein schwules Paar angegriffen und einer der beiden Männer getötet wurde, erinnern Blumenkränze und Kerzen an die Opfer. Inzwischen hat jemand dort auch eine Regenbogenfahne befestigt.
Nahost-Experte: "Deradikalisierung und Überwachung reichen nicht aus"
Michael Lüders hält eine zentrale Steuerung der Anschläge von Wien und Paris für "eher unwahrscheinlich". Der sogenannte Islamische Staat reklamiere die Gewalttaten im Anschluss für sich, sagte er im Dlf.
Damals waren es zwar keine Kämpfer des IS, die dank türkischer Hilfe nach Afrin vorrückten. Aber es waren islamistische Verbände, die, von der Türkei gefördert, die säkular ausgerichteten Kurden vertrieben – ausgerechnet die, die vorher erfolgreich gegen den IS gekämpft hatten.
"Nach allem, was man so in den letzten Wochen und Monaten vom türkischen Präsidenten gehört hat, ist das nicht nur eine pragmatische Politik, die daraufsetzt, dass man den IS vielleicht irgendwann für eigene Zwecke nutzen kann. Sondern: Hinter dieser Politik steht eine gewisse Überzeugung. Damit will ich nicht sagen, dass der Präsident Erdogan nun ein Dschihadist ist. Aber er hat als Muslimbruder und Islamist doch seine Sympathien für die etwas radikaleren Teile der sunnitisch-islamistischen Bewegung und das sind nun einmal die Dschihadisten."
Auch in Afghanistan ist der IS präsent
Afghanistan. – Noch ein Land, in dem die Terrororganisation Islamischer Staat an Stärke gewinnt.
"Are the Taliban present here?"
"Yeah, yeah, a lot."
Kundus, einst Vorzeigeregion für das von der Bundesrepublik geförderte so genannte Nation Building, galt lange Zeit als eine der sichersten Provinzen des Landes. Mittlerweile gehört die Gegend zu den gefährlichsten in Afghanistan. Ein ortskundiger Begleiter, der den Wagen durch die Gegend steuert, warnt davor, zu spät zurückzufahren.
"Nachts sind sie Taliban hier auf dieser Straße. Am Tag führen sie Operationen gegen die Regierungstruppen aus, sie ziehen sich zurück, wenn die Regierungstruppen gegen sie vorgehen, aber sie sind hier ständig in den Dörfern und auf den Straßen."
Im Windschatten der Taliban rücken auch die Kämpfer des Islamischen Staates vor. Sie versuchen, sich in den Dörfern rund um die Provinzhauptstadt Kundus einzunisten. Habibullah Kaukar, einer der Dorfältesten in der Region, beobachtet den Aufstieg dieser neuen Akteure schon seit geraumer Zeit.
"Ja, der IS ist in unserer Gegend sehr aktiv. Die IS-Leute haben etwa 30 Mann und bewegen sich in zwei Geländewagen. Sie sind sehr gut organisiert. Ihre Gesichter verstecken sie hinter Tüchern. Meistens operieren sie nachts. Und was immer sie tun wollen, das tun sie auch."
Nicht vergleichbar mit den Taliban
Von den Taliban, so der Dorfälteste, unterscheide sich der IS wie Tag und Nacht. Die Taliban seien von hier, teilweise seien es sogar Verwandte. Die Taliban respektierten die lokalen Eigenheiten der Bevölkerung, die Stammessitten und in Ansätzen sogar die Ausbildung von Frauen. Sie gehörten sozusagen zur Familie. Man wisse, wie mit ihnen umzugehen sei, so der Dorfälteste.
"Die vom Islamischen Staat sind aber sehr schlecht, sie sind hart. Sie erlauben niemandem Zigaretten zu rauchen, sie erlauben Frauen nicht ohne männliche Begleitung aus dem Haus zu gehen, sie verbieten Männern, sich zu rasieren."
Gedenken an den Terroranschlag am 5.11.2020 in der Wiener Innenstadt, bei dem vier Menschen gestorben sind und mehr als 20 verletzt wurden
"Der Terrorismus hat enorm von der Pandemie profitiert"
Warum verstärken sich gerade islamistische Aktivitäten? Der CSU-Auslandsverband in Brüssel hat Experten eingeladen, um zu fragen: Wie beeinflusst die Pandemie den Terror?
Der Islamische Staat verfolge eine Ideologie; keine lokale Agenda, sondern eine internationale. Deshalb sehe man unter den IS-Kämpfern auch viele Ausländer, erzählt Habibullah Kaukar.
"Unter ihnen gibt es Tadschiken, Usbeken, Tschetschenen. Allein 50 tadschikische Familien sind zusammen mit den Kämpfern hierhergekommen."
"US-Troops will be out of Afghanistan by the end of this year. Tweeting this: ‚We should have the small remaining number of our brave men and women home by Christmas."
Fox News, der Haussender von US-Präsident Donald Trump, meldete im Oktober: Die noch in Afghanistan verbliebenen US-Soldaten sollten bis Weihnachten 2020 aus dem Land abgezogen werden. Für den Terrorismus-Forscher Guido Steinberg ist das die Saat für eine neue höchst bedrohliche Entwicklung.
"Wenn die Amerikaner ihren Abzug fortsetzen, dann wird aus meiner Sicht nur ein Prozess beschleunigt, den wir ohnehin sehen werden: Die Taliban übernehmen das Land. Und es ist zu befürchten, dass, wenn die Taliban einmal an die Regierung kommen, mit Verhandlungen oder ohne Verhandlungen, dass dann diejenigen, die den bewaffneten Kampf über Afghanistan hinaus weiterführen wollen, dass die die Nähe des IS suchen."
Im Irak und in Syrien muss der IS sich, nachdem er seine Machtstrukturen dort verloren hat, immerhin neu aufstellen. Das könnte Jahre dauern. Am Hindukusch hingegen könnte ihm nach Steinbergs Analyse die Zukunft schon recht bald gehören.
"Das Besondere am IS in Afghanistan ist aber vor allem, dass er seinen Anhängern verspricht, dass ein globaler Dschihad weitergeführt werden kann."
Afghanistan – wieder eine Ausgangsbasis für den internationalen Terrorismus? Diesmal unter dem Kommando des IS? Das wäre eine mehr als trübe Perspektive, beinahe zwanzig Jahre, nachdem ein internationales Militärbündnis zum Kampf gegen Terror an den Hindukusch aufgebrochen ist. Doch diese Entwicklung ist nicht auszuschließen, sagt der Islamismusforscher Guido Steinberg.
"Die Voraussetzungen für ein Erstarken des IS in Afghanistan sind aus meiner Sicht sehr viel besser als für ein nachhaltiges Erstarken im Irak oder in Syrien. Und wenn er bei einer möglichen Spaltung der Taliban noch den Zugriff bekommt auf einige Tausend Kämpfer, dann kann der IS in Afghanistan durchaus mächtiger werden, als er das momentan im Irak oder in Syrien ist."