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Iran nach dem Erdbeben
Wut auf instabile Sozialbauten

Die Räumungsarbeiten im Iran gehen voran, in vielen Bereichen läuft das Krisenmanagement verhältnismäßig gut, doch zeigt sich auch: Die staatlich gebauten Häuser hielten den Erschütterungen nicht stand, während die privat gebauten Gebäude das Erdbeben größtenteils unbeschadet blieben.

Von Karin Senz | 14.11.2017
    Bergungsarbeiten nach dem Erdbeben in Sarpol-e Zahab, Iran
    Bergungsarbeiten nach dem Erdbeben in Sarpole Zahab (POURIA PAKIZEH / ISNA / AFP)
    Jetzt rückt auch das große Gerät an. Bagger schieben die Schuttberge beiseite. 12.000 Häuser soll das Erdbeben zerstört haben. Von manchen sind einfach die Außenwände abgefallen. Es soll sich um Sozialbauten handeln aus der Zeit des früheren iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadineschad. Er hatte damals ein landesweites Wohnbauprogramm mit dem Namen "Mehr", zu Deutsch "Güte" aufgelegt. Wut kocht hoch, die Güte ist zur Todesfalle geworden. Für Arme sei nicht erdbebensicher gebaut worden, schimpfen einige. Achmadineschads Nachfolger Hassan Rohani ist heute in die Krisenregion geflogen.
    "Wir müssen untersuchen, warum das mit manchen Gebäuden passiert ist, die nicht einmal alt sind, und teilweise staatlich errichtet wurden. Wir können hier zwei Häuser nebeneinander sehen. Das staatlich errichtete hat Schäden, das andere, das die Leute mit ihren eigenen Händen, privat gebaut haben ist noch heil. Es ist also klar, dass ein Problem besteht."
    Erschütterungen nicht Stand gehalten
    Rohani versichert, die Schuldigen zu finden und zur Rechenschaft zu ziehen. Auch das einzige Krankenhaus in Sarpole Zahab – die Kleinstadt war dem Epizentrum am nächsten – hat den enormen Erschütterungen nicht Stand gehalten. Warum wurde das relativ neue Krankenhaus nicht erdbebensicher gebaut, fragen sich viele.
    Ärzte behandeln Verletzten in mobilen Lazaretten des Militärs, aber auch einfach unter freiem Himmel. Zwei Nächte haben viele Betroffene schon draußen verbracht am Lagerfeuer.
    "Das mindeste was wir wollen ist ein Zelt, damit unsere Familien etwas Schutz haben", fordert dieser Mann. Der iranische Krisenstab hat versprochen, alle würden heute zumindest ein Zelt und Decken bekommen, auch die Menschen in den kleinen Bergdörfern. Ob aber tatsächlich auch wirklich alle abgelegenen Häuser schon Hilfe erreicht hat, ist nicht klar. Das Erdbebengebiet ist groß. Rohani versucht zuzuhören. Ein Mann erzählt ihm:
    "Personen aus meiner Familie haben keine Unterkunft."
    "Ich weiß, ich kenne die Probleme, die ihr schildert", antwortet Rohani.
    Privates und staatliches Krisenmanagement
    Die Strom- und Gasversorgung ist weitgehend wieder hergestellt. Wo es mit Fließendwasser noch nicht klappt, sind Tankwagen mit Trinkwasser unterwegs. In vielen Bereichen funktioniert das Krisenmanagement verhältnismäßig gut, hört man nicht nur von staatlicher Seite. Außerdem tun sich Privatleute zusammen, um Hilfe zu organisieren. Dem Aufruf zur Blutspende sind viele Iraner gefolgt, sodaß es kleinen Mangel an Blutkonserven gibt, trotz der vielen tausend Verletzten. Die Anteilnahme ist groß im Land, sagt auch Rohani:
    "Im Namen des gesamten iranischen Volkes möchte ich den Menschen in Kermanshah mein Beileid aussprechen. Heute steht die gesamte Bevölkerung Kermanshah bei, es gibt keinen Iraner, der heute nicht an die Betroffenen hier denkt."
    Probleme so schnell wie möglich lösen
    Die Regierung hat den Tag heute zum Tag der Trauer erklärt. Rohani blickt aber schon nach vorne
    "Ich will allen, die gelitten haben, versichern, die Regierung wird ihre ganze Macht nützen, um Ihre Probleme so schnell wie möglich zu lösen."
    Es soll staatliche Kredite und Zuschüsse geben. Während die einen schon an neue Wohnungen denken, gehen in einzelne Orten die Bergungsarbeiten noch weiter – in der Hoffnung vielleicht doch unter den vielen Trümmern noch Überlebende zu finden – zwei Tage nach dem schweren Erdbeben.