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Iranische Pistazien
Kleine Frucht, große Politik

Der Iran ist einer der weltweit größten Pistazien-Produzenten und konkurriert in der Branche mit den USA. Die Preise steigen rasant, und auf Europa sind viele Händler schlecht zu sprechen. Auch deshalb verlagert sich der iranische Export nach Russland und Asien.

Von Jörg-Christian Schillmöller | 10.09.2016
    Pistazien sind weltweit gefragt.
    Pistazien sind weltweit gefragt. (Deutschlandradio - Jörg-Christan Schillmöller)
    "Wenn ein Kunde einen Wunsch hat, dann sagen wir nie: Das haben wir nicht. Denn wir haben alles."
    Sagt Dschalil Tavazo und lächelt. Der Mann hat sein Leben mit der Pistazie verbracht. Er ist 80 Jahre alt und half schon mit sieben im Geschäft des Vaters aus.
    "Schauen Sie", sagt er und schiebt die 500-Gramm-Schaufel aus Metall in einen großen, weißen Sack. "Das hier ist die Akbari, ich finde, sie ist die leckerste Pistazie, die Frucht ist schlank - ganz anders als die Khaleghouchi. Das ist die Größte. Und ihre Form erinnert an den Kopf eines Bocks. Und daher kommt ihr Name."
    Dschalil Tavazo in seinem Geschäft mit einer Kelle voller Pistazien.
    Dschalil Tavazo in seinem Geschäft mit einer Kelle voller Pistazien. (Deutschlandradio - Jörg-Christan Schillmöller)
    Das Geschäft Tavazo liegt an der berühmtesten Straße Teherans, der Vali-Asr, einer Allee, die sich kilometerlang von Nord nach Süd zieht. Tavazo verkauft mehrere hundert Produkte. Neben Pistazien auch Walnüsse, Mandeln und getrocknetes Obst: Feigen, Maulbeeren, Kiwi und neuerdings rote Beete. Tavazo ist ein Familienbetrieb. Heute führt Ali Tavazo die Geschäfte, Dschalils Sohn:
    "Wir bekommen die Pistazien unter anderem aus Rafsandschan und Kerman im Südosten, aber seit einiger Zeit werden sie jetzt auch im Raum Teheran angebaut."
    Das Geschäft ist hart. Die Pistazienpreise haben sich in den vergangenen Jahren vervierfacht. Zwei Gründe sind die Inflation und die Zwischenhändler vom Baum zum Endkunden. Ein Kilo der besten Qualität kostet bei Tavazo 700.000 Rial, fast 20 Euro. Auf dem Großen Basar von Teheran sind die Preise nicht so hoch, aber Tavazo liegt im wohlhabenden Norden der Stadt, die Zielgruppe ist die Oberschicht. Jetzt kommen wieder mehr Ausländer, sagt Ali Tavazo, und wir exportieren auch:
    "Wir schicken Nüsse nach Frankreich, in die Schweiz und manchmal nach Deutschland, aber auch nach Bahrein, in die Vereinigten Arabischen Emirate. Und neuerdings nach China."
    Das Hotel Parsian Esteghlal liegt nicht weit entfernt von Tavazo an einer Stadtautobahn. Unten in der Raucherlounge mit Ledersesseln findet das Interview mit zwei Männern statt, die seit vielen Jahren Pistazien anbauen: Ali Hejri und Behrouz Aghar. Der Großvater von Herrn Aghar schickte schon Pistazien an die Reichskanzlei im Dritten Reich. Behrouz Aghar redet offen und direkt. Er ist Mitglied in der Iranischen Pistazienvereinigung, in der Bauern und Händler vertreten sind.
    2016 weniger Ernte wegen eines schweren Frostes
    "Im Iran haben wir 2015 rund 200.000 Tonnen Pistazien produziert. Dieses Jahr hatten wir schweren Frost und erwarten nur die Hälfte, also nur 100.000 bis 120.000 Tonnen. Seien wir froh, dass wir das noch haben, denn die Amerikaner haben eine sehr gute Ernte, vielleicht um die 300.000 Tonnen."
    Und schon geht es um die große Politik. Denn der Iran und die USA konkurrieren seit vielen Jahren darum, der größte Pistazienexporteur der Welt zu sein. Die USA erheben seit 30 Jahren einen Strafzoll von 300 Prozent auf iranische Pistazien. Der Vorwurf: Die iranische Regierung subventioniert die Branche. Behrouz Agar zuckt mit den Schultern: Amerika, meint er, den Markt brauchen wir nicht:
    Die Pistazienanbauer Ali Hejri und Behrouz Aghar.
    Die Psitazienanbauer Ali Hejri und Behrouz Aghar. (Deutschlandradio - Jörg-Christan Schillmöller)
    "Wir haben den chinesischen, den indischen und den russischen Markt. Wir schicken jetzt schon 100.000 Tonnen nach China. Und zusammen mit Indien haben wir dem Rest der Welt einfach keine mehr zu geben."
    Und was ist mit Europa? Die Antwort ist deutlich. "Die Europäer verdienen die iranische Pistazie nicht", sagt Behrouz Aghar. Früher, in den 90er-Jahren haben wir 95.000 Tonnen im Jahr nach Deutschland exportiert", erzählt er. Dann - sagt er - begannen die Europäer, über Aflatoxin zu reden. Das ist das Gift von Schimmelpilzen, die bei der Verarbeitung von Pistazien entstehen können, auch im Iran. Aflatoxine gelten als krebserregend und erbgutschädigend. Sogar Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt sprach das im Frühjahr in Teheran an, denn die Grenzwerte in der EU sind streng, strenger noch als in den USA. Behrouz Aghar ist genervt:
    "Seit sie diese Aflatoxin-Angst haben, sind sie zu den amerikanischen Pistazien gewechselt. Ich kenne Firmen, die schicken aflafreie Pistazien ohne Pestizide nach Europa, nach Rotterdam. Das ist der härteste Hafen, die schicken es wirklich durch alle denkbaren Tests. Aber die europäischen Firmen sind nicht daran interessiert, mit diesen Firmen große Geschäfte zu machen."
    Handel auch aus anderen Gründen schwierig
    Behrouz Aghar wirft Europa offen vor, die iranische Pistazie schlechtzureden und sich päpstlicher aufzuführen als der Papst. Er lacht bitter: Kauft ihr nur eure Pistazien bei den Amerikanern, sagt er, unsere sind hochwertiger. Sie enthalten mehr Öl und schmecken besser.
    Kleine Frucht, große Politik: Das gilt auch für Touristen. Wer sich auf seiner Iran-Reise eindecken will, sollte Bargeld dabei haben: Erst vor Kurzem stand bei Tavazo an der Vali-Asr-Straße ein Kunde ratlos an der Kasse und wollte mit Kreditkarte zahlen.
    Das aber geht im Iran nicht, obwohl nach dem Atomabkommen viele Sanktionen aufgehoben wurden und das Bankensystem SWIFT eigentlich funktionieren müsste. Aber die Banken zögern, sie trauen sich noch nicht: Erst eine Firma bietet Kreditkarten an. Eine Kundin von Tavazo spricht aus, was viele Iraner in diesem Jahr 2016 denken:
    "Wir hatten viele Erwartungen und Hoffnungen, aber es hat sich nichts geändert. Im Iran zu leben, da braucht man viel Geduld."