Freitag, 19. April 2024

Archiv


"Irgendwann wird die Welt nach meinem Sound tanzen"

Seine Zeitgenossen nannten ihn den sentimentalen Gentleman des Swing. Tommy Dorsey, Posaunist und Bandleader, gehörte neben Benny Goodman, Duke Ellington oder Count Basie zu den Königen des Swing.

Von Uwe Golz | 19.11.2005
    Als jüngerer stand er oft im Schatten seines ebenfalls swingenden Bruders Jimmy, zusammen waren sie fast unschlagbar. Im Dorsey Brothers Orchestra fanden Posaunist Tommy, als Thomas Francis Dorsey am 19. November 1905 in Shenandoah, Pennsylvania, geboren, und sein Klarinette spielender Bruder

    "die Erfüllung unserer musikalischen Vorstellungen. Niemand konnte und durfte uns bei den Arrangements reinreden."

    So erinnerte sich Tommy Dorsey Jahre später. Dass aus ihm einmal ein Super-Star der Swing-Ära werden würde, das ahnte er zu Beginn der Karriere zwar noch nicht, doch er hoffte:

    "Irgendwann wird die Welt nach meinem Sound tanzen, werden die Leute anstehen, um mich zu hören."

    Mitte der 20er Jahre hatte Bruder Jimmy zwar schon ein eigenes Ensemble, die Novelty Six, das aber wurde aufgelöst, als die Brüder beschlossen, aus dem heimatlichen Pennsylvania nach New York umzusiedeln. Der frühe Tod mit 51 Jahren beendete eine brilliante Musikerkarriere.

    Am Hungertuch mussten sie nach der Ankunft in New York nicht nagen, aber mit einer eigenen Band sollte es erst einmal nicht klappen. Tommy spielte 1926 - unter anderem - in der Band von Paul Whiteman, der sich mit der Uraufführung von Gershwins "Rhapsody in Blue" einen Namen machte. Er war aber auch ein gefragter und viel beschäftigter Studiomusiker für Künstler wie Mildred Bailey, die Boswell Sisters oder den jungen Bing Crosby. 1927 war es dann soweit, Tommy und Jimmy gründeten offiziell ihr Dorsey Brothers Orchestra.

    Bereits 1928 platzierten die beiden Brüder erstmals einen Titel in den damals noch jungen Hitparaden. Und dieser Erfolg setzte sich auch in den kommenden Jahren fort, mal mit dem gemeinsamen Orchester, mal auch mit Tommy auf Solopfaden mit der eigenen Big Band. Bis 1935 beschritten die Brüder gemeinsame Wege, dann aber trennten sie sich.

    "Jimmy und ich führten einen Kleinkrieg, der auch schon das Publikum amüsierte. Immer hatte er irgendetwas auszusetzen. Im Juni 1935 war es dann soweit. Ich gab dem Orchester das Tempo vor und von Jimmy hörte ich nur – "ist das nicht ein wenig zu schnell". Das war’s, Schluss, aus – ich wollte nicht mehr."

    Für den temperamentvollen Tommy kam diese Trennung, die mehr als 15 Jahre dauern sollte, zum richtigen Zeitpunkt. Ohne den Bruder konnte er nun seine Ideen ohne Diskussionen umsetzen. Tommy Dorsey hatte einen Riecher für Musiker und schnell wurde aus diesem Gentleman des Swings in den Augen des Publikums auch der Starmacher.

    Tommys Big Band wurde rasch das führende Swing-Orchester der USA. Ausschlaggebend dafür war das Ohr des Bandleaders für junge Talente. Die Vokalgruppe The Pied Pipers, die Sänger Jack Leonard, Jo Stafford, Edythe Wright, Connie Haines, Anita Boyer und der junge Frank Sinatra machten bei Tommy Dorsey und mit seinem weichen Posaunenton ihre ersten Schritte zum Weltruhm.

    Bis heute hat niemand dem Tommy Dorsey Orchestra seinen Ruf als die beste Dance Band aller Zeiten streitig gemacht, und kaum eine andere Band konnte Balladen so interpretieren: Diesem weichen, gleichzeitig aber auch treibenden Sound, wusste kein anderer Bandleader etwas entgegenzusetzen. Und als Dorsey 1942 die Streichergruppe der Artie Shaw-Band unter Vertrag nahm, perfektionierte er seinen Orchester-Klang.

    1953 entschlossen sich die Brüder, das Dorsey Brothers Orchestra wiederaufleben zu lassen. Bereits ein Jahr später startete ihre populäre Fernsehshow im Programm von CBS, einmal übrigens mit dem noch unbekannten Elvis Presley. Das Ende kam unerwartet und schnell. Am 26. November 1956, eine Woche nach seinem 51. Geburtstag, erstickte Tommy Dorsey im Schlaf.