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Irland
Referendum über Gleichstellung der Homo-Ehe

Im katholisch dominierten Irland entscheidet heute die Bevölkerung über die Einführung der Homo-Ehe. Stimmt sie dafür, wäre das Land das erste, das diesen Schritt über einen Akt direkter Demokratie einführt. Und die Chancen dafür stehen sehr gut.

Von Martin Alioth | 22.05.2015
    Abstimmung über "Homo-Ehe" in Irland
    Ein Plakat in Dublin, das für die gleichgeschlechtliche Ehe wirbt. Am 22.Mai 2015 wird ein Referendum darüber in Irland stattfinden. (picture alliance / dpa / Foto: Aidan Crawley)
    Gráinne Healy bietet Passanten in der Dubliner Grafton Street Ansteckknöpfe für das bevorstehende Referendum an. Healy ist eine der Leiterinnen der überparteilichen Ja-Kampagne. Ein Ja bedeutete, dass die gleichgeschlechtliche Ehe in der irischen Verfassung denselben Status genösse wie die herkömmliche Ehe zwischen Mann und Frau. Irland anerkennt seit gut vier Jahren eingetragene Partnerschaften unter gleichgeschlechtlichen Paaren - was bringt diese Verfassungsänderung?
    Wenn die irische Verfassung der Ehe und der Familie keinen besonderen Schutz verspräche, dann wäre es wohl kein Anliegen, aber das Grundgesetz von 1937 tue eben genau das, und deshalb fühle sie sich als Lesbe ausgeschlossen und ungleich behandelt.
    Brian Sheehan ist ebenfalls in der Ja-Kampagne engagiert. Er wuchs an der irischen Atlantikküste auf. In den 80er-Jahren konnte man als Schwuler in Irland nicht leben, deshalb wanderte er so rasch wie möglich aus. In der Tat, damals war Homosexualität in Irland noch ein krimineller Straftatbestand; erst 1993 wurde die gleichgeschlechtliche Liebe entkriminalisiert. Jetzt, nur 22 Jahre später, soll die homosexuelle Ehe anerkannt werden. Sheehan meint, es gehe um viel mehr als Normen und Paragrafen. Darum gehe es doch: um das Selbstverständnis der irischen Gesellschaft und um die Offenheit dieser Identität.
    Entscheidung an der Urne
    Zahlreiche europäische Länder und die meisten amerikanischen Staaten haben die Homo-Ehe eingeführt, doch nirgendwo ist diese Frage bisher an der Urne entschieden worden. Dass dieses Experiment nun ausgerechnet in einem vormals tiefkatholischen und stockkonservativen Land gewagt wird, scheint bemerkenswert. In irischen Fernsehstudios wurde in den letzten Tagen leidenschaftlich gestritten.
    Irland sei nicht mehr in den düsteren 70er- und 80-Jahren und müsse keine Wiedergutmachung für damaliges Unrecht leisten, argumentierte Keith Mills, selbst ein Schwuler. Die Umdeutung der Ehe verwandle auch die Familie: zwei Väter oder zwei Mütter seien dann gleichwertig mit einer Mutter und einem Vater. Der katholische Erzbischof von Dublin, Diarmuid Martin, ein reformgesinnter Mann, warnt ebenfalls vor überstürzter Eile.
    Mann und Frau ergänzten sich, das mache die Ehe und die Familie aus. Wer das ändere, ändere nicht bloß die Verfassung. Der Schriftsteller Colm Toibin warb aus Erfahrung für die Reform. Der schwule Hochzeitsgast wisse, dass er das nie haben dürfe. Alle seine Freunde und Verwandten wollten aber, dass auch er das haben sollte.
    Irland entdeckt seine bunte Seite
    Meinungsumfragen geben den Befürwortern einen klaren Vorsprung, aber alles hängt von der Stimmbeteiligung der jüngeren Generation ab, denn unter den Älteren und auf dem Lande gibt es eine schweigende konservative Mehrheit gegen die Veränderung.
    Irland hat in diesen Wochen entdeckt, wie bunt diese Gesellschaft geworden ist; aus hunderten von veröffentlichten und erzählten Lebensgeschichten ist ein neues Muster entstanden. Es ist daher keineswegs undenkbar, dass Irland sich am Freitag an Molly Bloom hält: Ihr - gewiss nicht homosexueller - Monolog am Ende von James Joyce's Roman "Ulysses" gipfelt in der Zustimmung:
    "And yes, I said, yes I will, yes."