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Irland vor den Neuwahlen
Wahlkampf mit großzügigen Versprechungen

Am 26. Februar wählt die Republik Irland ein neues Parlament. Das Land hat in den letzten fünf Jahren ein Jammertal durchschritten, doch nun sehen die wirtschaftlichen Kennziffern wieder rosig aus. Offenbar Anlass genug für Irlands Politiker, erneut alten Lastern zu frönen und ihren Wählern große Verspechungen zu machen.

Von Martin Alioth | 15.02.2016
    Flagge Irland
    Am 26. Februar wählen die Iren eine neue Regierung. (imago/Ralph Peters)
    Die erste Debatte unter den vier wichtigsten Spitzenpolitikern Irlands artete gelegentlich etwas aus, alle buhlten gleichzeitig um die Gunst der Zuschauer. Dabei hatte es so zivilisiert begonnen:
    "Der Tag der Heiligen Brigitte ist vorbei, der Frühling naht, so muss ich mein Segel hissen",
    zitierte der irische Premierminister, Enda Kenny, lyrisch auf Irisch, als er die Neuwahlen verkündete.
    Als er vor fünf Jahren sein Amt angetreten habe, sei Irland vor dem Zusammenbruch gestanden, sein internationaler Ruf war ruiniert.
    Wahlversprechen dank guter Wirtschaftslage
    Inzwischen wächst die irische Wirtschaft schneller als jede andere in Europa, das Haushaltsdefizit, dass einst auf über zehn Prozent der Wirtschaftsleistung geklettert war, ist auf anderthalb Prozent reduziert worden.
    Das eröffnet die glaubwürdige Perspektive, dass es in der nächsten Legislaturperiode etwas zu verteilen gibt: Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen könnten rückgängig gemacht werden. Da lachen die Politikerherzen.
    Flugs fand ein neuer Begriff Eingang in den irischen Alltag: Fiscal Space, fiskalischer Spielraum. Der Wirtschaftschef des irischen Rundfunks, Seán Whelan, versuchte tapfer eine Definition.
    Das seien die zusätzlich vorhandenen Mittel, mit denen die nächste Regierung neue Vorhaben umsetzen könne. Wie groß dieser Reptilienfonds über die nächsten fünf Jahre sein wird, ist allerdings umstritten.
    Joan Burton, die bisherige Vize-Premierministerin von der Labour-Partei, schätzt den Betrag auf zwölf Milliarden Euro. Doch der Fachmann, Professor John McHale, der die Vorgaben der Regiering auf ihre Stichhaltigkeit prüft, ist wesentlich bescheidener.
    Wenn man die künftige Altersstruktur und die Inflationsrate berücksichtige, handle es sich eher um 3,2 Milliarden.
    Das alles setzt weiteres Wachstum voraus und das Ausbleiben von Krisen in den irischen Absatzmärkten. Doch die Politiker versprechen den Wählern unverzagt zusätzliche Krankenschwestern und niedrigere Steuern, obwohl die künstlich schmale Steuerbasis 2008 in den Abgrund geführt hatte. Aufgerechnet Bertie Ahern, der es als Premierminister bis 2007 versäumt hatte, den irischen Überschwang zu drosseln, warnte zur Vorsicht.
    Es sei sinnlos, eine exakte Zahl zu unterstellen. - Für die Regierungsparteien von Kenny und Burton ist dieser Zank vermutlich günstig, denn sie können auf ihre erfolgreiche Sparpolitik hinweisen, die eine derartige Diskussion im luftleeren Raum überhaupt erst ermöglicht hat.
    Pluspunkt Berechenbarkeit
    Die beiden Parteien, die bürgerliche Fine Gael und die gemäßigt sozialdemokratische Labour-Partei, treten erneut gemeinsam vor die Wähler. Premierminister Kenny versicherte treuherzig, sie würden gewiss nicht zuviel versprechen, nur um die Wahl zu gewinnen.
    Tatsächlich punktet die abtretende Regierung trotz ihres Popularitätsverlusts mit andauernder Stabilität und Berechenbarkeit. Eine alternative Koalition zeichnet sich nicht ab, zahlreiche parteilose Kandidaten und linke Splittergruppen werden zwar Mandate gewinnen, sind aber kaum als Kollektiv handlungsfähig. So erwarten die Kaffeesatzleser, dass die neue Regierung der alten ziemlich ähnlich sein wird.