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IS-Hochburg Mossul
Anzeichen eines Angriffs verdichten sich

Immer mehr verdichten sich die Anzeichen, dass die IS-Hochburg Mossul im Irak von einer internationalen Koalition zurückerobert werden soll. Eine wichtige Rolle spielen dabei die kurdischen Peschmerga-Einheiten, die die Stadt bereits von drei Seiten eingekreist haben. Aber ein Angriff ist riskant und kann langwierig sein - und so zum Beispiel auch zu noch mehr Binnenflüchtlingen führen.

Von Martin Gerner | 24.09.2016
    Kurdische Kämpfer haben im Nordirak eine Offensive gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gestartet. Hier verlassen einige von ihnen ihren Stützpunkt.
    Kurdische Kämpfer: Ihnen kommt eine wichtige Rolle in der Rückeroberung von Mossul zu. (picture alliance / dpa / Andrea Dicenzo)
    Die Ankündigung irakischer, kurdischer wie deutscher Stimmen, die vom IS seit 2014 gehaltene Großstadt Mossul womöglich noch in diesem Jahr zurückzuerobern, wirft eine Reihe ungelöster Fragen auf: Noch immer leben nach Schätzung von Hilfsorganisationen rund eine Million Menschen in der ehemaligen Drei-Millionen-Metropole, der zweitgrößten Stadt nach Bagdad vor dem Krieg. Zurückerobern lässt sich eine Stadt von diesem Ausmaß nur am Boden.
    Beobachter befürchten daher für den Fall nicht nur langwierige, verlustreiche Häuserkämpfe, sondern auch einen massiven Exodus der verbliebenen, überwiegend arabischen Zivilbevölkerung. Die Vereinten Nationen befürchten dann die Flucht von mehreren hunderttauschend neuen Menschen in die benachbarten kurdischen Autonomiegebiete. Es kämen dann zahlreiche neue Lager zu den rund 20 Flüchtlingscamps- und -städten um Dohuk und Erbil dazu, die schon jetzt deutlich mehr als eine halbe Million Menschen beherbergen. Irakische Binnenflüchtlinge, Kurden, Araber, Jesiden und Christen, die oft in erbärmlichen Zuständen leben, ohne konstant sauberes Wasser, Strom und Kühlung bei Temperaturen um 50 Grad in der Sonne.
    Offenbar vertraut die aus über 50 Ländern bestehende Anti-IS-Koalition unter Führung der US-Regierung auf die kurdischen Peschmerga-Einheiten bei einem möglichen Angriff. Schon jetzt sollen die Peschmerga Mossul an drei Seiten umzingelt haben. Von der vierten Seite müssten demnach Einheiten aus Bagdad eingreifen. Der sogenannte Islamische Staat, dem viele Militärstrategen aus der ehemaligen Armee Saddam Husseins angehören, soll seinerseits schon Vorbereitungen getroffen haben, um eine Rückeroberung zu verhindern und so verlustreich wie möglich zu machen.
    Mossul hat für den IS hohe Symbolkraft
    Mossul ist mit seinen Öl-Raffinerien eine wirtschaftlich wichtige, wie geografisch auf der Achse nach Syrien strategisch bedeutende Stadt für den IS. Und sie hat Symbolkraft. Von Mossul rief die IS-Führung 2014 das sogenannte Kalifat aus.
    Mit der deutschen Zusage, die militärische Ausbildung der Peschmerga näher an die Front zu Mossul zu verlegen, kommt die Bundesregierung einem vielfachen Wunsch der Kurden nach. Diese verteidigen – gemessen an der auf dem Papier riesigen Anti-IS-Koalition – die Interessen westlicher Nationen im Irak oft mit sehr veralteten Waffen, zum Teil aus der Zeit Saddam Husseins.
    Neben deutschen G36-Gewehren schwören kurdische Kämpfer dabei vor allem auf deutsche Milan-Raketen, von denen Berlin seit 2014 über 500 geliefert hat. Diese können allerlei gepanzerte Fahrzeuge auch aus größeren Entfernungen zerstören. Oder Fahrzeuge mit IS-Selbstmord-Attentätern unschädlich machen, die etwa Peschmerga-Posten an der Frontlinie in den Tod locken.
    Dabei sind die Milan-Raketen nicht unproblematisch: Wie bei Munition mit abgereichertem Uran entsteht beim Aufprall der Raketen feiner, radioaktiver Staub, der über Atmung und Nahrung in den menschlichen Körper gelangt, so Experten.
    Bereits im März dieses Jahres kam es zu Vorstößen von Peschmergas auf Mossul und seine Einzugsgebiete. Ob der jetzt angekündigte Vorstoß der Entscheidende sein wird und den Anfang vom Ende des IS im Irak einleitet, muss offenbleiben. Viel wird davon abhängen, ob und inwieweit sich die internationale Anti-IS-Koalition strategisch abgestimmt in das schwierige Unternehmen begibt.