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Is was?! Aufreger der Woche
Coole Methoden und supi Texte

Die Tricks der Medien, um ohne Informationen trotzdem über etwas berichten zu können - heute am Beispiel der Nobelpreis-Berichterstattung.

Von Philipp Walulis | 06.10.2017
    Blick von schräg oben in den Konzertsaal, in dem jedes Jahr die Nobelpreise verliehen werden.
    Schauplatz der coolen Methoden: der Konzertsaal, in dem die Nobelpreise verliehen werden (dpa/picture alliance/epa Scanpix Pontus Lundahl)
    Die Bekanntgabe der Nobelpreis-Gewinner: Ein großes Spektakel, vor allem in den Medien. Denn die standen in den vergangenen Tagen gleich vor mehreren Problemen. Zum einen wussten sie nicht, wer die Preise bekommen wird. Also wurde spekuliert, denn die Kommentarspalten und Sendungen wollen gefüllt werden. Harald Lesch streckt ganz vorbildlich Zeit:
    "Sie haben ihn noch nicht. Aber sie werden ihn kriegen. Also mal ehrlich, das ist keine Frage. Wer soll ihn denn sonst kriegen?"
    Ja, wer bekommt denn jetzt den Physik-Nobelpreis?! Das ist ein Geziehe und Gedruckse, wie wir es sonst nur von der gefühlt 45-minütigen Sieger-Bekanntgabe bei "Deutschland sucht den Superstar" kennen.
    Vermutende Eilmeldungen und wissende Wettbüros
    Oder der Literaturnobelpreis - die Auszeichnung für Dichter, Denker und Bob Dylans. Eine Eilmeldung jagte die nächste, große Namen stechen unbekannte Nominierte: "Heute mittag bekommt bestimmt Murakami den Nobelpreis!" Aha. Woher will der Autor der Eilmeldung das wissen? Wir lesen auch nicht vor der Fußball-WM die Eilmeldung: "Brasilien bekommt in drei Wochen den WM-Pokal!"
    In der Not werden sogar Wettbüros als seriöse Quellen geführt: "Ladbrokes sieht Murakami vorne." Ja, das ist ja schön. Nur, weil viele Menschen auf etwas setzen, heißt das noch lange nicht, dass das die richtige Entscheidung ist. Siehe Donald Trump.
    Immerhin ist uns dieses Jahr ein Tierorakel erspart geblieben: kein Eichhörnchen, Laubfrosch oder Knatterleguan, der sich berufen fühlt, den Gewinner des Literaturnobelpreises vorherzusehen.
    Supi-cool bis voll geil
    Als dann endlich die Preisträger feststanden, präsentierte sich den Medien ein weiteres Problem: Nobelpreise haben es nun mal an sich, Leistungen auszuzeichnen, die komplex, anspruchsvoll und sperrig sind. Beispiel Chemie-Nobelpreis: den gab es dieses Jahr für die Entwicklung der Kryo-Elektronenmikroskopie für die hochauflösende Strukturerkennung von Biomolekülen in Lösung. Tja, wie bringt man das nur allgemein verständlich rüber?
    "Das Komitee würdigte das Verfahren für eine coole Methode, die Moleküle des Lebens darzustellen."
    Oh, eine coole Methode. Den Literaturnobelpreis gab's übrigens für einen supi Text, und die Physiker durften sich über eine Auszeichnung für voll geiles Wellengewaber freuen.
    Doch bei all dem Trubel vergessen wir oft, dass es auch einen sechsten Preis gibt: den Spekulations-Nobelpreis. Der geht allerdings jedes Jahr immer an den gleichen Preisträger: die Medien. Denn die haben seit Jahren für Spekulationen eine "eine coole Methode".