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Is was?! Aufreger der Woche
Satire ohne Pointe

Die österreichische Kabarettistin Lisa Eckhart sieht sich mit Antisemitismusvorwürfen konfrontiert. In einem Beitrag aus der WDR-Sendung "Mitternachtsspitzen" hatte sie Pointen in Zusammenhang mit judenfeindlichen Klischees gesetzt. Darf Satire wirklich alles?

Von Sigrid Fischer | 08.05.2020
Eine weiße Frau mit kurzen blonden Haaren in einem schwarz-gelbem Gewand sitzt auf einer Bühne und spricht in ein Mikrofon.
Der Kabarettistin Lisa Eckhart wird Antisemitismus vorgeworfen (imago images / Future Image)
Eins ist klar: Niemand darf ausgeschlossen werden - von Satire, von Comedy, von Sich-lustig-Machen: Behinderte nicht, Schwarze nicht, Muslime nicht, Juden nicht. Denn das bedeutet Gleichberechtigung und Ernstnehmen aller gesellschaftlichen Gruppen.
Genauso klar ist, was Satire nicht darf – sie darf kein Tarnmantel, keine Verpackung sein für Diffamierung und Diskriminierung. Aber in dem Fall wäre es auch keine Satire, sondern Häme.
Beklatschen oder ausbuhen
Sicher ist außerdem: Wer die österreichische Kabarettistin Lisa Eckhart einlädt, bekommt keine abgenudelten Mann-Frau-Witzchen im Stil von Gerburg Jahnke oder Mario Barth. Und wer sich das anguckt, ist mündig genug, ihre Provokationen zu beklatschen oder auszubuhen. Beides ist erlaubt. Und für beides bietet der ausstrahlende Sender das Forum. Debatten wie diese sollen ruhig stattfinden.
Political Correct – was immer das bedeutet in Comedy und Kabarett – ist Lisa Eckhart nicht. Wenn gerade sie fragt, was es mit unserer politischen Korrektheit macht, wenn die, die wir damit schützen, sich selbst nicht politisch korrekt verhalten, wenn also, Zitat: "die heilige Kuh BSE hat", beziehungweise "wenn die Unantastbaren andere antasten", dann ist die Frage erst einmal interessant und nicht nur satirisch berechtigt. Egal, auf wen sie sich bezieht. Es geht in ihrem Beitrag ja auch noch um Schwarze und um Rollstuhlfahrer.
Pointen, die keine sind
In dem Zusammenhang antisemitische Klischees auszusprechen, heißt noch nicht, sie sich zu eigen zu machen. Das Problem fängt da an, wo Eckharts Pointen keine sind. Wenn sie über Juden wie Harvey Weinstein oder Woody Allen und #MeToo sagt:
"Da haben wir immer gegen diesen dummen Vorwurf gewettert, denen ginge es nur ums Geld, und jetzt plötzlich kommt raus, denen geht’s wirklich nicht ums Geld, denen geht’s um die Weiber, und dafür brauchen sie das Geld."
Witz komm raus. Worum geht es Lisa Eckhart? Entlarvt wird hier nichts und niemand - kein Vorurteil, keine rechte Gesinnung, keine #MeToo-Missionare. Bei allem Bemühen, eine eigenwillige Form von Humor, die perfide zweite Ebene zu finden: man sucht vergeblich. Mit Tabus jonglieren, ein Draufsetzer zum Abbinden, das ist rein handwerklich ziemlich billig. Selbst für das Spiel mit dem Absurden bräuchte es intelligentere Gedankenpirouetten.
Reflexartige Unterstellung
Ist Lisa Eckhart deshalb Antisemitin? Diese reflexartige Unterstellung könnten sich ihre Kritiker vielleicht einfach sparen und sehen, was hier vorliegt: ein misslungener Satiretext mit fataler Wirkung. Die schlimmste Satire ist allerdings die schlechte. Weil man dann keine Lust mehr hat, sie zu verteidigen, Lisa Eckhart. So geht es mir jetzt.
#MeToo-Eifer zu kritisieren – um dieses Tabu ging es der Österreicherin ja wohl - das kann übrigens schon berechtigt sein. Zum Beispiel, wenn Woody Allen - gegen den es kein Strafverfahren, keine Beweise für sexuellen Übergriff und klare Entlastung durch ein rechtsmedizinisches Gutachten gibt -, wenn der trotzdem in politisch korrekter Verblendung weiterhin als Sexualstraftäter hingestellt wird. Darüber zu spotten, das hätte sich wirklich mal gelohnt.