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Is was?! Aufreger der Woche
War doch nix!

Hat es in Chemnitz nun Hetzjagden gegeben oder nicht? Laut Bundeskanzlerin Merkel gab es welche. Ministerpräsident Kretschmer dementiert. Vielleicht wollten die besorgten Bürger einfach nur Fangen spielen? Stefan Reusch über eine bedrückende Diskussion und die Unmöglichkeit, miteinander zu reden.

Von Stefan Reusch | 07.09.2018
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    Diese Warnschilder werden nicht vom Bundesamt für Verfassungsschutz herausgegeben (imago stock&people)
    Ja, ja. Man sollte ihre Sorgen ernstnehmen, sicher. Man sollte mit ihnen reden. Ja, ja. Egal, ob man sie nun als besorgte Bürger sieht oder als arische Querdenker oder als Demonstranten, die ihren tiefen Kummer über den Tod eines Menschen zeigen mit Hetzparolen, Hitlergruß und nackten Ärschen. Man sollte mit ihnen reden. Doch, doch. Warum? Weil es so, wie es war, gar nicht war.
    Ist wirklich nichts passiert?
    Weil sich immer einer finden wird, der versichert: Nein, es waren keine Pogrome, nein, es gab keine Hetzjagd, und ja, die Migration sei Muttis Problem - Entschuldigung: die Mutter aller Probleme. Und man habe Verständnis, so beispielsweise Horst Seehofer, dafür, dass sich Leute empörten. Diese Lesart der Ereignisse kann sich als so stark erweisen, dass bald nichts passiert ist in Chemnitz. Und wo nichts passiert ist, bleibt also nichts zu tun. Bis auf reden, ja klar. Und sich verbunden zeigen mit diesen empörten Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, die so - ich sag mal - exzessiv zu trauern verstehen. Die einander in ihrer Besorgtheit solid-arisch verbunden sind. Mit ihnen sollte man reden. Jaja. Auch mit Salafisten sollte man reden. Klar. Und mit der Mafia, mit Steinen, mit Warzen. Mit allen sollte man reden. Bloß worüber? Und wozu?
    Nach dem "Wir sind mehr"-Konzert wandte sich die AfD-Politikerin von Storch per Twitter an die Konzertbesucher: "Ihr seid nicht mehr. Ihr seid Merkels Untertanen, ihr seid abscheulich - und ihr tanzt auf Gräbern." Wozu und worüber sollte man mit der Dame reden?
    Wissen Sie, was mir Angst macht?
    Das "System Merkel" muss weg
    Von Storchs Chef-Kollege Alexander Gauland will das von ihm sogenannte "System Merkel" aus der Verantwortung vertreiben. Zum System gehören für ihn auch Personen aus den Medien, Journalisten. Das macht mir keine Angst, nein, das nicht. Aber was, wenn ich nicht dabei bin, bei den zu Vertreibenden, was hab ich dann falsch gemacht? Das macht mir Angst. Dann hab ich wohl zu viel geredet. Und zu lang.