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Islam in Großbritannien
Was Muslime wirklich denken

Immer wieder machen sich Muslime auf den Weg, um als Dschihadisten für den so genannten "Islamischen Staat" (IS) zu kämpfen. Auch Muslime, die in westeuropäischen Ländern geboren oder aufgewachsen sind. Nun ist in Großbritannien ein Meinungsforschungsinstitut der Frage nachgegangen: Welche Ansichten haben britische Muslime wirklich?

Von Stephanie Pieper | 22.04.2016
    Britische Muslime vor der Moschee in Brimingham am 14. Juli 2005.
    Britische Muslime vor der Moschee in Brimingham (picture-alliance/ dpa/dpaweb)
    Etwa drei Millionen Menschen muslimischen Glaubens leben in Großbritannien, besonders hoch ist ihr Anteil in Städten wie Birmingham und Bradford im Norden Englands und im Londoner Stadtteil Tower Hamlets. Viele von ihnen haben ihre familiären Wurzeln in Pakistan oder Bangladesch.
    Für den Sender Channel 4 hat das Meinungsforschungsinstitut ICM mehr als 1.000 britische Muslime zu ihren Einstellungen interviewt. Die Ergebnisse werden kontrovers diskutiert: So meinen 39 Prozent der Befragten, Frauen sollten ihren Ehemännern gehorchen – und 31 Prozent, ein Mann dürfe mehr als eine Frau haben. Kein Problem damit hat Amra Bone, die in einer Community nach der Scharia – dem religiösen Gesetz des Islam – Recht spricht:
    "Nach meiner Erfahrung fordern nicht die Männer die Vielehe, sondern die Frauen. Ich habe Frauen getroffen, die mir gesagt haben, ich will keinen Vollzeit-Ehemann. Für einen Mann ist das eine große Verantwortung, für Frauen ein Privileg."
    Der Umfrage zufolge ist fast jeder vierte Muslim der Ansicht, die Scharia sollte in Großbritannien eingeführt werden; mehr als ein Drittel findet, Juden hätten zu viel Macht; und mehr als jeder zweite meint, Homosexualität sollte illegal sein. Muslimische Männer beeinflussten ihre Söhne und Enkel, sagt Noshaba Hussain, die Direktorin einer staatlichen Schule in Birmingham war:
    "Die Jungen haben sich wie eine Gedanken-Polizei verhalten: Sie haben Mädchen auf den Kopf gehauen, wenn sie kein Kopftuch getragen haben. Ein Neunjähriger sagte einmal zu mir: 'Warum bist Du nicht verhüllt? Das machen doch sonst nur Schlampen'. Dies sollte kein akzeptables Verhalten sein an einer britischen Schule."
    Es gebe immer noch zu viel räumliche Trennung und zu wenig kulturelle Integration, klagen liberale Muslime. Auch die Haltung zu politischer Gewalt haben die Meinungsforscher untersucht: Sieben Prozent der Befragten unterstützen demnach das Ziel der Terror-Miliz "Islamischer Staat", im Nahen Osten ein Kalifat zu errichten; und vier Prozent sympathisieren mit Selbstmordattentätern. Die Journalistin Yasmin Alibhai-Brown sieht liberale Muslime – wie sie eine ist - bereits als aussterbende Art:
    "Junge Muslime schreiben mir, dass sie ihr Leben hassen. Manche sind schwul, manche wurden zwangsverheiratet, manche fühlen sich verloren. Einer sagte mir: Ich bin doch mehr als nur ein Muslim."
    Omer El-Hamdoon, Präsident der "British Association of Muslims", kritisierte, die Umfrage sei nicht repräsentativ und nicht objektiv. Die britische Gesellschaft sei stolz auf ihre Vielfalt.