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Islamismus in Sportvereinen
Im Visier der Salafisten

Tendenzen islamistischer Radikalisierung in Sportvereinen - im Nachbarland Frankreich ist das ein Thema, das seit gut zwei Jahren immer wieder in die Schlagzeilen gerät. In einigen Regionen werden deshalb Referenten ausgebildet, die Sportverbände im Umgang mit radikalisierten Mitgliedern beraten sollen.

Von Hans Woller | 14.04.2018
    Flüchtlingskinder nehmen am 16.09.2015 im Sportpark Ostra in Dresden (Sachsen) am Talente-Tag für Flüchtlingskinder der SG Dynamo Dresden teil.
    In einigen Sportvereinen in Frankreich werden Gebetspausen während des Trainings gefordert. (dpa/picture alliance/ Arno Burg)
    Der Vereinsvorsitzende sagte mir: "Dein T Shirt, das geht so nicht, wenn es hoch rutscht, sieht man deinen Bauch, deine Haut und das stört die Leute hier – nach und nach verlangten sie T-Shirts mit langen Ärmeln, die am Hals hoch geschlossen sind", erzählt eine 18-Jährige, die vor zwei Jahren als letzte Frau aus einem Ringerverein in Toulouse hinaus geekelt wurde, nachdem dort radikale Muslime das Ruder übernommen hatten.
    Eines von dutzenden Beispielen, wie sie schon im Oktober 2015 in dem 13-seitigen Memorandum des französischen Geheimdienstes aufgelistet waren: ein Fußballverein in der Bourgogne, der Gebetsteppiche und den Koran verteilte, ein Taekwondo-Club in Nordfrankreich, der nur verschleierte Frauen akzeptierte oder ein Schiedsrichter in Perpignan, der ein Fußballspiel unterbrach, damit die Spieler beten konnten.
    Registrierte Gefährder in Sportvereinen
    Schwarz auf Weiß steht in dem Papier auch: "Neben der Propaganda im Internet und in religiös-kulturellen Vereinen, haben die Salafisten in Frankreich ganz konkret auch Sportvereine ins Visier genommen. Auch Sporthallen und Fitness-Center sind Orte, wo Radikalislamisten versuchen zu rekrutieren."
    Besonders aufhorchen ließ die Tatsache, dass es laut dem Bericht in Frankreichs Sportvereinen fast 1000 Personen gibt, denen eine Nähe zu den Thesen der Radikalislamisten nachgesagt wird, ein Teil von ihnen sogar als Gefährder registriert ist. Nach Bekanntwerden dieses Geheimdienstberichtes sagte der damalige Sportstaatssekretär Thierry Braillard:
    "Das beschäftigt uns sehr und man muss etwas tun. Wir arbeiten eng mit dem Innenministerium zusammen, tauschen Informationen aus und sehen das als Phänomen, das man bekämpfen muss und nicht einfach so hinnehmen kann. Wenn ein Schiedsrichter um 9.00 Uhr ein Spiel nicht anpfeifen kann, weil gebetet wird, dann muss er das Spiel annullieren, einen Bericht schreiben und die Instanzen des Fußballverbandes müssen tätig werden und Sanktionen verhängen."
    Und der damalige Minister für Stadtentwicklung fügte hinzu: "Es gibt Sportvereine, die ganz eindeutig von Radikalislamisten unter Druck gesetzt werden. Dafür bilden wir jetzt 50 Inspektoren aus, die dafür sorgen sollen, dass die Regeln unserer Republik in allen Sportvereinen eingehalten werden. Und wir nehmen alle Hinweise ernst. Wenn ein Verein die Anwesenheit von Frauen ablehnt, dann ist das zumindest suspekt und ebenso wenn ein Verein in Trainings- oder Spielpausen zu religiösen Praktiken aufruft."
    Mehr Ansprechpartner
    Auch der Regionalrat der 12-Millionen-Region "Ile de France" rund um Paris mit all seinen Problemvororten hat das Thema "Radikalislamistische Tendenzen in Sportvereinen" inzwischen beim Schopf gepackt, dazu erst Ende letzten Jahres auch ein prominent besetztes Kolloquium veranstaltet. Patrick Karam, der Vizepräsident der Region sagte bei der Gelegenheit:
    "Es gibt z.B. immer wieder Forderungen, man möge doch in den Umkleideräumen Gebetsorte installieren, oder in der Umgebung von Fußballfeldern, oder man solle Trainingseinheiten verschieben wegen des Ramadan oder dem Freitagsgebet."
    Inzwischen hat die Region sogar 100 Personen ausgebildet, die den verschiedenen Sportverbänden als Referenten und Ansprechpartner in Sachen "Radikalisierung in Sportvereinen" zur Verfügung stehen. Mit ihrer Hilfe wurde z.B. ein junger Mann, der sich zum Judolehrer ausbilden lassen wollte, aus dem Verband ausgeschlossen, weil er sich aus religiösen Gründen geweigert hatte, an einem gemischt geschlechtlichen Training teilzunehmen. Der Verantwortliche für die Ausbildung der Referenten in der Region Paris:
    "Wir hatten den Eindruck gewonnen, dass der Mann auch andere Vereinsmitglieder in seinen Bann ziehen und für seine religiöse Bewegung gewinnen wollte. Das hat er uns sogar ganz offen gesagt und das hat uns natürlich beunruhigt."
    Terroristen waren sehr aktiv in Vereinen und Fitness-Zentren
    Mederic Chapiteau, ein ehemaliger Gendarm, hat die "Radikalisierung im Sport" zum Thema einer künftigen Doktorarbeit an der Universität Toulouse gemacht. Seit 18 Monaten schon reist er zudem quer durch Frankreich und hält zu dem Thema Vorträge vor Jugendlichen, auf Anfrage von Sportverbänden oder von Gemeinden.
    "Wir müssen uns heute fragen, welche Rolle der Sport bei der Radikalisierung und bei den Terroranschlägen spielt. Man kann nicht mehr sagen, dass das nicht existiert. Wenn man die Augen nicht aufmacht, dann ist das einfach Dummheit, Dummheit, die am Ende zu Toten führt."
    Ausgangspunkt seiner Forschungen ist die makabre Feststellung, dass sämtliche Terroristen, die in den letzten sechs Jahren in Frankreich zugeschlagen und weit über 200 Menschen getötet haben, zum Teil sehr aktiv in Vereinen oder Fitness-Zentren Sport betrieben haben. Chapiteaus Kurzresümee seiner nun zweijährigen Forschungen:
    "Hallenfußball, alle Kampfsportarten und Bodybuilding sind echte Risikozonen. Was die Kampfsportarten angeht, ist die Lage sogar katastrophal. Und dann die sogenannten Low Cost Fitness-Zentren, wo es am Eingang niemanden mehr gibt, der kontrolliert, wer da kommt. Man schreibt sich einfach per Internet ein – das sind Orte, wo man sich austauschen und trainieren kann, ohne dass jemand sieht, was dort passiert.