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Islamisten in Bangladesch
Im Visier: Missionare, Blogger und Schiiten

Zehn katholische Priester haben in Bangladesch Todesdrohungen erhalten, vier Internet-Blogger wurden ermordet. In der Hauptstadt Dhaka starb zudem ein italienischer Entwicklungshelfer, kurz darauf traf es einen Japaner. Für all diese Taten will der IS verantwortlich sein.

Von Jürgen Webermann | 01.12.2015
    Ermittler schützen den Tatort in Dhaka, an dem der religionskritische Blogger Niloy Chakrabarty im August 2015 ermordet wurde.
    Ermittler schützen den Tatort in Dhaka, an dem der religionskritische Blogger Niloy Chakrabarty im August ermordet wurde. (picture alliance / dpa / EPA/ABIR ABDULLAH)
    Hasaqul Haq Inu ist Informationsminister in Bangladesch und gehört zur alten Garde. Er verehrt Willy Brandt, die SPD und die Grünen in Deutschland. Haq Inu steht für einen säkularen Staat. Aber auf die Anschläge der Islamisten angesprochen, wirkt der Minister im Gespräch mit der ARD fast schon hilflos.
    "Unsere Extremistengruppen in Bangladesch haben eine direkte Verbindung zu den Taliban in Pakistan und Afghanistan sowie zum Islamischen Staat im Nahen Osten. Wir sind ein Land von 160 Millionen Menschen. 85 Prozent sind Muslime. Es gibt weltweit eine Tendenz, dass bestimmte Gruppen wie Taliban und IS den Namen des Islam missbrauchen. Wir sind also verwundbar. Es ist auch hier möglich, dass Menschen in den Untergrund gehen."
    Anschlag auch auf kleine schiitische Minderheit
    Jetzt wurde bekannt, dass zehn Priester im Norden von Bangladesch Todesdrohungen erhalten haben – ein italienischer Geistlicher wurde vor zwei Wochen bereits bei einem Anschlag schwer verletzt. Vorher starben ein italienischer Entwicklungshelfer und ein Japaner. Der Entwicklungshelfer wurde mitten im Diplomatenviertel in Dhaka erschossen. Ein Anschlag traf auch die kleine schiitische Minderheit in Bangladesch. In diesem Jahr wurden zudem vier Internet-Blogger, darunter ein bekannter Buch-Autor sowie ein Verleger, umgebracht, die Täter hackten sie mit langen Messern zu Tode. Die Blogger hatten gegen den Islamismus im Land angeschrieben. Haq Inu, der Informationsminister, ist für diesen Kulturkampf zwischen Islamisten und Bloggern zuständig. Alles, was er bislang unternahm, war, einige Blogger festnehmen zu lassen.
    "Die Blogger dürfen nun mal keine schmutzigen Behauptungen aufstellen. Das geht nicht, auch nicht im deutschen Recht. Die Meinungsfreiheit ist geschützt, aber nur solange Sie keine religiösen Gefühle verletzen. Sie können ja auch nicht einfach sagen: "Jesus Christus ist ein Krimineller."
    Diese Aussage deuten Autoren und Blogger als den Versuch, die Islamisten zu beschwichtigen. Der Staat tut sich schwer damit, die Organisationen und Parteien der Extremisten zu verbieten – wohl auch, weil die Reaktionen nicht kalkulierbar wären. Denn das Sammelbecken der Islamisten, eine Organisation namens "Beschützer des Islam", hat bereits vor zwei Jahren Hunderttausende gegen die Blogger auf die Straße gebracht, es gab heftige Ausschreitungen. Das Netzwerk soll neben Parteien auch Banken umfassen. Geld, so heißt es, sei für die Islamisten in Bangladesch kein Problem. Ob die Organisation "Beschützer des Islam" oder einige ihrer Gruppen und Parteien mit den Morden und Anschlägen, oder wie es der Informationsminister behauptet, mit den Taliban oder dem IS zu tun hat, ist nicht bewiesen. Zwar wurden einige Männer, die in zwei der Angriffe auf die Blogger verwickelt sein sollen, gefasst. Aber wer sie angestiftet hat, ist nicht geklärt. Haq Inu bleibt nur, zu beschwichtigen:
    "Also: Die Gefahr ist nicht vorbei. Aber wir haben alles unter Kontrolle. Wir haben die relevanten Personen identifiziert. Und wir sind da ganz schonungslos. Ich denke, das Phänomen, mit dem wir es jetzt zu tun haben, wird ein vorübergehendes bleiben."
    Doch die bedrohten Priester und auch Diplomaten und Entwicklungshelfer in der Hauptstadt Dhaka bleiben weniger gelassen. Sie haben die Sicherheitsvorkehrungen erhöht. Auch das Auswärtige Amt rät deutschen Bürgern, so wörtlich, zu besonderer Wachsamkeit. Die US-Botschaft warnt vor Anschlägen etwa in den großen Hotels in Dhaka. Die Attacken der vergangenen Monate haben ihre Wirkung offenbar nicht verfehlt.