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Israel
Das laute Schweigen im Fall Khashoggi

Nach dem Tod des saudischen Journalisten Khashoggi halten sich israelische Politiker mit Kritik gegenüber dem saudischen Königshaus spürbar zurück. Denn obwohl Israel und Saudi-Arabien keine offiziellen Beziehungen unterhalten, sind die so ungleichen Länder in bestimmten Fragen zu engen Partnern geworden.

Von Benjamin Hammer | 27.10.2018
    Benjamin Netanjahu, Ministerpräsident von Israel
    Benjamin Netanjahu, Ministerpräsident von Israel, hält sich mit Kritik zurück (dpa / Bernd von Jutrczenka)
    Das Staatsfernsehen von Oman verkündete kurz vor dem Wochenende eine kleine Sensation. Kein geringerer als Benjamin Netanjahu war im Palast des Sultans eingetroffen. Der israelische Premier besuchte mit Oman ein Land, zu dem Israel gar keine diplomatischen Beziehungen unterhält. Und auf der Rückreise überflog Netanjahu wohl Saudi-Arabien. Aus Sicht von Israel der vielleicht wichtigste arabische Staat. Die neue Nähe zwischen Israel und mehreren arabischen Ländern betont der israelische Premier immer wieder.
    "Es gibt eine Allianz zwischen Israel und anderen Ländern des Nahen Ostens, die bis vor ein paar Jahren unvorstellbar gewesen wäre", sagte Netanjahu Anfang des Jahres. "Wenn Iran eine Atombombe baut, dann werden das viele Länder verhindern. Wir werden das verhindern. Und es gibt arabische Staaten, die ich hier nicht nenne, die meiner Meinung sind."
    Der Feind meines Feindes...
    Jeder wusste, wen Netanjahu vor allem meinte: Saudi-Arabien. Beide Länder eint der gemeinsame Erzfeind Iran. Seit Jahren unterhalten Israel und Saudi-Arabien im Verborgenen enge Kontakte. Die Nachrichtendienste arbeiten zusammen. Und neuerdings erlaubt Saudi-Arabien ausländischen Airlines, die nach Tel Aviv fliegen, den saudischen Luftraum zu nutzen. Auch das war vor Jahren undenkbar. Mehr noch: Vor einem halben Jahr erkannte der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman Israels Existenzrecht indirekt an. Aus Sicht von Israel sind das alles gute Gründe, warum kein einziger israelischer Regierungsvertreter auch nur ein Wort über den mutmaßlichen Mord am saudischen Journalisten Khashoggi verlor. Shaul Yanai ist Historiker an der Universität von Haifa.
    "In der Khashoggi-Affäre hat Israel eine deutliche Haltung: Es ist nicht Israels Angelegenheit. Jamal Khashoggi wurde darüber hinaus als scharfer Kritiker Israels angesehen und als Kritiker des Kronprinzen Mohammed bin Salman. Aber gerade der hat ja dafür gesorgt, dass sich die Beziehungen zwischen Israel und Saudi–Arabien verbessert haben. Israel wird daher die frischen und zerbrechlichen Beziehungen zu Saudi Arabien nicht für ein Thema aufs Spiel setzen, mit dem Israel selbst nichts zu tun hat."
    Indonesische Journalisten halten ein Banner, das die Untersuchung des Verschwindens des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi fordert. Sie demonstrieren vor der Botschaft Saudi-Arabiens in Jakarta.
    Plakate erinnern an den Journalisten Jamal Khashoggi (imago stock&people)
    Auch 70. Jahre nach seiner Staatsgründung ist Israel – rein formal betrachtet – in der Region noch immer weitgehend isoliert. Diplomatische Beziehungen gibt es nur mit zwei Ländern – Ägypten und Jordanien. Israels Regierung hofft, dass sich das ändert. Die Zurückhaltung im Fall Khashoggi hat noch einen weiteren Grund: Israel mischt sich grundsätzlich nicht in die inneren Angelegenheiten seiner arabischen Nachbarn ein, wenn es nicht davon betroffen ist. Daher ist auch die Lage der Menschenrechte in Saudi-Arabien für die israelische Regierung eher kein Thema. In israelischen Medien wird in diesen Tagen verstärkt eine andere Sorge geäußert: Dass die saudische Königsfamilie durch die Khashoggi-Affäre unter Druck gerät. Und der saudische Kronprinz seine Macht verliert.
    "Sollte der Mohammed bin Salman seines Amtes enthoben werden, werden seine Nachfolger dessen Politik nicht weiterführen", sagt der Historiker Yanai. "Eine Politik, die die saudischen Interessen über die Interessen der Palästinenser stellt."
    Kein Interesse an einem Machtwechsel in Riad
    Israel hofft, dass es mit saudischer Hilfe einem Friedensabkommen mit den Palästinensern näher kommt. Ein Abkommen freilich, nach dem Geschmack der Israelis. Auch die US-Regierung mischt an dieser Stelle mit. Israel hofft, dass die Palästinenser einen eigenen Staat ohne Ost-Jerusalem als Hauptstadt akzeptieren. Die Saudis, die enge Beziehungen zu den Palästinensern pflegen, sollen den nötigen Druck ausüben - und auch deshalb halten sich die Israelis mit Kritik am saudischen Königshaus zurück.
    "Israel hätte den schrecklichen Mord an Jamal Khashoggi verurteilen müssen", findet Shaul Yanai. "So wie jeder andere normale westliche und demokratische Staat getan hat."
    Doch der Staat Israel liegt nun einmal nicht in Europa, sondern im Nahen Osten. Das ändert vieles aus Sicht der israelischen Regierung. Kürzlich fragte ein Journalist den Sprecher des israelischen Außenministeriums, ob es nicht vielleicht doch irgendwelche Stellungnahmen der Regierung zum mutmaßlichen Mord am Journalisten Khashoggi gebe. Nein, die gebe es nicht, schrieb der Sprecher.