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Israel ist ratlos

Mit dem Fernglas kann man mittlerweile vom Golan aus die Kämpfe in Syrien beobachten. Auf israelischer Seite wächst nach dem angekündigten Abzug der österreichischen UN-Truppen nun die Sorge, in den syrischen Bürgerkrieg zu geraten.

Von Torsten Teichmann | 08.06.2013
    Einige Besucher, die in diesen Tagen auf die Golan Höhen kommen, wollen sich selbst ein Bild machen. Das israelische Fernsehen zeigt zwei Männer - nicht weit von der Grenzlinie zu Syrien. Einer hat einen Feldstecher vor Augen. Sie schauen in den Abgrund des syrischen Bürgerkriegs:

    "Die syrischen Panzer befinden sich gerade mal 50 Meter vom Grenzzaun entfernt. Schau her, man kann sie ganz leicht erkennen. Die Panzer bewegen sich nach rechts. Und siehst du das große weiße Ding? Links davon kannst du erkennen, wie die Rebellen flüchten. Dort sind einige Männer die zu Fuß flüchten. Siehst du das?"

    "Ich sehe es" – sagt der Begleiter. Die Kämpfe zwischen Assads Truppen und den Rebellen waren in dieser Woche nicht mehr zu übersehen. Dichter Rauch hing über dem Gebiet. Am Donnerstag erklärten die Kämpfer der Opposition sie hätten auf syrischer Seite, in der entmilitarisierten Zone den Grenzübergang Kuneitra erobert. Der einzige Kontrollposten zwischen Israel und Syrien.

    Beide Staaten befinden sich formal betrachtet immer noch im Krieg. Israel hält die Golan Höhen besetzt. Den existierenden Waffenstillstand überwachen seit über 40 Jahren Soldaten eine UN-Mission. In Folge der Kämpfe auf syrischer Seite aber kündigte Österreich an, nach Kroatien und Japan auch seine Blauhelme definit abziehen zu wollen.

    Danny Rothschild, ehemaliger Direktor beim Israelischen Militärgeheimdienst, erklärt es im Radio so:

    "Die UN – Beobachter sind nicht hier stationiert, um zu kämpfen. Sie sind hier, um über Störungen der Waffenruhe zu berichten. Sobald ihre Sicherheit allerdings gefährdet ist, ziehen sie ihre Truppen ab. [ ] Israel muss daran interessiert sein, dass diese Truppen bleiben, selbst wenn deren einzige Aufgabe die Berichterstattung ist, denn dies ist der einzige Weg, der internationalen Staatengemeinschaft Störungen entlang der Grenze mittzuteilen."

    Israel hat die Vereinten Nationen gebeten, Ersatz zu finden für die etwa 380 Österreicher, die nun abziehen. Und prompt schlug Russland vor, schnell die UN-Missionen mit Soldaten der eigenen Armee zu unterstützen.

    Das Generalsekretariat der Vereinten Nationen lehnte ab. Ständige Vertreter des Sicherheitsrats seien ausgeschlossen, so die Begründung. Was dahinter steckt: Nicht nur in Israel, wird Russland als Verbündeter Syriens wahrgenommen, als Teil des strategischen Problems. So offen mag das aber kaum jemand den Russen sagen.

    Der stellvertretende israelischen Verteidigungsminister und politische Haudegen Danny Danon sieht in der Debatte vor allem einen Beweis: Dass sich Israel nicht auf die Vereinten Nationen als stabilisierenden Faktor verlassen kann.

    "2008 versuchte der damalige Premierminister, Olmert, Verhandlungen voranzubringen - für eine Rückgabe der Golan Höhen an Syrien unter der Anwesenheit internationale Beobachter. Daher müssen wir heute in allen Friedensverträgen unsere Handlungen sehr gut überdenken, was die künftige Präsenz der UN betrifft."

    Assad gilt als Garant für Stabilität der israelisch-syrischen Grenzlinie
    Danon kann so etwas ohne Konsequenzen sagen, weil die Absicht neue Verträge oder gar Frieden zu schließen in der Region derzeit nicht existiert. Es zeigt aber auch, dass die israelische Politik genauso ratlos wie der Rest der Welt über den Zaun nach Syrien blickt.

    Es sind drei Szenarien, über die in Israel immer wieder gesprochen wird. Zum einen die Frage, was passiert, wenn das Assad Regime in Syrien doch noch stürzen sollte. Assad gilt trotz seiner Verbindungen zu Israels Erzfeinden Iran und der libanesischen Hisbollah Organisation als Garant für Stabilität entlang der israelisch-syrischen Grenzlinie. Wer könnte ihm folgen?

    Die zweite Frage betrifft den Vorwurf der Waffenlieferungen des Iran an die Hisbollah über Syrien. Und schließlich warnt die Armee vor der Möglichkeit, dass syrische Rebellen und Al-Kaida Kämpfer vom Golan aus, Ziele in Israel angreifen könnten. In den vergangenen Wochen waren immer wieder Panzergranaten auf israelischem Gebiet eingeschlagen. Die meisten waren Irrläufer. Nach allem was bekannt ist, reagierte die israelische Armee bisher nur einmal gezielt und zerstörte eine Stellung auf syrischer Seite, von der aus geschossen worden war.

    Mehr werde nicht rüberkommen, sagen israelischen Bewohner des Golan. Sie geben sich gelassen und überhaupt nicht angespannt. Alex Kidoch aus dem Kibbutz Ein Zivan glaubt, es werde alles vorübergehen:

    "Im letzten Jahr ist dies ein Teil der Routine geworden. Aber wir werden diese (Routine) hinter uns lassen und zu den herrlichen Tage zurückkehren, die wir in den letzten 32 Jahren hier hatten."