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Israel
Keine Ruhe am Tempelberg

Die Gewalt in Israel hält an. In dem Streit geht es derzeit weniger um Grenzen oder eine Zwei-Staaten-Lösung, sondern um den Status des Tempelbergs in Jerusalem. Beide Seiten setzen trotz der gefährlichen Situation auf Stimmungsmache - und es fehlt an gegenseitigem Respekt und Vertrauen.

Von Torsten Teichmann | 27.10.2015
    Blick auf die Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg in Jerusalem bei Vollmond
    Die Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg in Jerusalem (picture alliance / dpa / Abaca Fohlen )
    Es gibt sie: Worte, die so stark sind, als könnten sie für einen Augenblick die Zeit anhalten. Dalia Rabin hat sie gesprochen; bei der offiziellen israelischen Trauerfeier für ihren Vater Yitzhak. Regierungschef Yitzhak Rabin war vor 20 Jahren ermordet worden: "Ich bedauere liebe Eltern, ich bin keine Überbringerin guter Nachrichten. Es gibt keinen politischen Prozess und es gibt Terror. Und Blut wird vergossen. Und die Ausweglosigkeit wächst. Und ich habe kein anderes Land. Und ich erkenne das Land nicht wieder."
    Israelische Flagge über dem Tempelberg?
    Die Nachrichten wiederholen die Worte. Aber anders als vor 20 Jahren geht es im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern nicht um Großes, um Grenzen oder Zwei-Staaten-Lösung. Stattdessen sind Details zu Fragen über Souveränität und Selbstbestimmung geworden. Die stellvertretende israelische Außenministerin Hotovely hat im Parlamentsfernsehen vorgeschlagen, die israelische Flagge müsse über dem Heiligtum, dem Tempelberg in Jerusalem wehen: "Fragt mich der Ministerpräsident, was ich für richtig halte, dann ist es natürlich nicht richtig, dass dort die Flaggen des Islamischen Staats und der Hamas zu sehen sind. Das ist eine große Schande. Natürlich möchte ich die Flagge dort sehen. Das ist die Hauptstadt Israels und der heiligste Ort des jüdischen Volkes."
    Hotovely schob in der Nacht hinterher, das sei ihre private Meinung. Aber auf beiden Seiten setzen Politiker und Funktionäre auf Stimmung in diesen gefährlichen Tagen. So erklärte der derzeitige Groß-Mufti von Jerusalem, Sheikh Muhammed Ahmad Hussein, auf dem Tempelberg, dem Heiligtum habe überhaupt nie ein jüdischer Tempel gestanden. "Die Al-Aksa Moschee ist eine islamische Moschee seit der Erschaffung der Welt. Sie war nie etwas anderes als eine Moschee."
    "Israel wird an seiner Politik festhalten"
    Es fehlt an gegenseitigem Respekt und Vertrauen. US-Außenminister Kerry hatte mit Israelis, Palästinensern und Jordaniern gesprochen. In Amman erklärte Kerry am Wochenende wie die Eskalation vorerst gestoppt werden soll: "Israel wird in Bezug auf Religionsausübung an seiner langjährigen Politik festhalten. Das schließt die fundamentale Tatsache ein, dass Moslems auf dem Tempelberg, dem Heiligtum beten können. Und Nicht-Moslems können ihn besuchen." Israels Regierungschef Netanjahu hatte Kerrys Vorschlägen zugestimmt: "Wir begrüßen die verbesserte Zusammenarbeit zwischen den israelischen Behörden und der jordanischen Islamischen Stiftung. Das bedeutet auch, das sichergestellt wird, dass Besucher und Betende Respekt für den heiligen Ort zeigen."
    Diskussion um Überwachungskameras
    Netanjahu begrüßte den jordanischen Vorschlag, Überwachungskameras auf dem Tempelberg zu installieren. Vor zwei Jahren erst hatte Jordanien verlangt, dass Israel eigene Sicherheitskameras wieder abbaut. Die palästinensische Politikerin Hanan Aschrawi setzt sich auch jetzt gegen eine Überwachung ein: "Das gibt Netanjahu einen Vorwand seine Sicherheitskontrollen auszubauen. Mehr Werkzeuge um Palästinenser zu überwachen. Auf die Art bekommt Netanjahu das Gefühl, dass er das Recht hat, das Heiligtum mit seinen Kameras zu kontrollieren. Das verändert nicht nur den Status-Quo. Das ist ein Ausbau der Besatzungspolitik."
    Wie soll so jemals Ruhe einkehren? Ein Ende der israelischen Besatzungspolitik, das schien vor 20 Jahren vor der Ermordung von Regierungschef Rabin greifbar. Jetzt diskutieren beide Seiten über Überwachungskameras. Sie erkenne das Land nicht wieder, sagte Rabins Tochter Dalia auf der offiziellen Trauerfeier.