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Israel
Künstler unterstützen NGO im Kampf gegen Verleumdung

Eine rechtsnationale Organisation veröffentlichte in Israel eine Liste sogenannter Maulwürfe der Kultur. Das sind nach deren Ansicht Künstler, die bestimmten regierungskritischen NGO angehören - viele Künstler fühlen sich auch durch ein geplantes Loyalitätsgesetz unter Druck gesetzt.

Von Torsten Teichmann | 13.02.2016
    Der Schauspieler Ido Bartal und seine Kollegin Gila Almagor proben für das Stück "Festgenommen um Mitternacht" im Habima Theater Tel Aviv
    Gila Almagor (r.) probt zusammen mit Ido Bartal: Die 76-Jährige kritisiert die Hetze gegen kritische Künstler. (Deutschlandradio / Sebastian Engelbrecht)
    Gila Almagor berichtet im Fernsehen über Morddrohungen. Alamgor ist eine bekannte Schauspielerin. Sie ist Trägerin des Israelpreises. Die 76-Jährige unterstützt zudem die Menschenrechtsaktivisten von B'Tselem und kritisiert Israels Besatzung und Kontrolle palästinensischen Gebiets. Und genau das ist für einen Teil der israelischen Gesellschaft offenbar ein Problem:
    "Die ganze Atmosphäre erinnert sehr an die Weimarer Republik oder die McCarthy-Ära in den USA, die Verfolgung der Leute, die plötzlich gebrandmarkt werden, weil sie eine andere Meinung haben. Wirst du zu einem Verräter, weil du anders denkst?"
    Die Hetze sei furchtbar, beklagt die Schauspielerin. Hetze, wie die Veröffentlichung einer Liste sogenannter Maulwürfe in der Kultur. Auch die Schriftsteller Amos Oz und David Großmann werden darin zu Verrätern erklärt. Verantwortlich für diese Verleumdung ist Israels rechtsnationale Organisation ImTirzu. Der Vorsitzende Matan Peleg verteidigt die Aktion:
    "Nach Angriffen auf die Kultusministerin und den Erziehungsminister ist ImTirzu ausgezogen, um Künstler zu entlarven, die Mitglieder in vom Ausland finanzierten Organisationen sind. Die Öffentlichkeit hat das Recht, zu wissen, dass Yehoshua Subul Mitglied von Yesh Din ist, dass Gila Almagor, Amos Oz und David Großmann Mitglieder bei B'Tselem sind."
    Künstler und Menschenrechtsaktivisten unter Druck
    Künstler und Menschenrechtsaktivisten fühlen sich unter Druck gesetzt. In Tel Aviv machen sie darauf aufmerksam - natürlich mit einer Party. Israel hat eine lebendige Kulturszene. Aber jetzt müsse die Politik reagieren, verlangt der Sohn des Dramatikers Sobol, Yali, im Radio:
    "Ein Spion ist ein Strohmann, ein Verräter ist ein Strohmann. Und auf Verrat steht die Todesstrafe. Das hier ist ganz einfach ein Aufruf zum Mord. Und wenn die Verantwortlichen im Staat eine Hetze diesen Ausmaßes mit Schweigen übergehen, dann ist die Rechtsstaatlichkeit hier keinen Pfifferling wert."
    Die Liste der Maulwürfe von ImTirzu ist aus dem Internet verschwunden. Regierungschef Netanyahu erklärte: Israelis, die seine Meinung nicht teilen, seien keine Verräter. Doch gleichzeitig reagiert die rechts-nationalen Regierung auf alle politischen Probleme im Land mit Ausgrenzung. Die Autorin und Regisseurin Edna Mazia klagt darüber:
    "Das ist schon so extrem, dass es lächerlich ist. Das Problem ist die Legitimation, die sie von der Regierung bekommen und vor allem vom Kultusministerium. Das ist ja nicht einfach vom Himmel gefallen, dieses abgefahrene Phänomen. Man sieht, dass das System hat. Und dann kommt so eine schräge Organisation und springt auf den Wagen auf. Das wird jetzt immer öfter passieren, denn irgendwie sind wir ja jetzt schon Freiwild. Es ist eine neue Norm entstanden, die keinen Bezug zur Realität hat."
    Auch Loyalitätsgesetz sorgt für Unmut
    Zu dieser neuen Norm gehört ein Loyalitätsgesetz, an dem Kulturministerin Miri Regev schreibt. Wohlverhalten will die Ministerin gesetzlich zur Bedingung für staatliche Förderung machen. Dahinter verbirgt sich eine Abneigung gegen den eigenen Kulturbetrieb. Und vor allem gegenüber Künstlern, die nicht aufhören, die Regierung Netanjahu herauszufordern. Menschen wir Gila Almagor:
    "In dem Moment, wo man anfängt, unsere Treue zu prüfen, und diese Drohung, dass wir, wenn wir nicht unsere Treue schwören, dann kriegen wir keine Gelder mehr - was soll das denn? Diese ganze Einstellung ist falsch. Die Redefreiheit und die Freiheit der Kunst und der Kreativität: Das sind doch die Stützpfeiler der Demokratie. So etwas machen doch nur dunkle Regime."