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Israelkritische "Breaking the Silence"-Ausstellung
Eine Debatte ausgelöst und dem Druck nicht nachgegeben

"Breaking the Silence" ist ein Zusammenschluss ehemaliger israelischer Soldaten, die das Vorgehen der Armee gegen die Palästinenser kritisch sehen. In Köln wurde eine Schau mit Fotos der Organisation wegen Protesten der israelischen Botschaft abgesagt. In Zürich hat man die Bilder gezeigt - und würde es wieder tun, sagte Andrea König, Leiterin des Kulturhauses Helferei, im DLF.

Andrea König im Gespräch mit Henning Hübert | 15.06.2015
    Henning Hübert: Jetzt zu der Soldatenausstellung "So haben wir gekämpft" von "Breaking the Silence", die in Zürich, aber nicht in Köln gezeigt werden kann. Israels Botschaft hat protestiert, die Schau sei zu einseitig, voller anonymer Vorwürfe, die israelische Armee habe keine Chance, auf die Darstellungen ihrer ehemaligen Soldatinnen und Soldaten zu reagieren. Es sind rund 60 Angehörige unterschiedlicher Dienstgrade, welche vor allem die israelische Kriegsführung und das Verhalten als Besatzer gegenüber den Palästinensern scharf kritisieren. Was für den Historiker Mosche Zimmermann eine haarsträubende Kapitulation Kölns ist, hat in der Schweiz noch geklappt. Bis gestern zeigte das Kulturhaus Helferei in Zürich die Berichte und Bilder von "Breaking the Silence" - "Das Schweigen brechen". Vor allem sind es Schnappschüsse aus dem Soldatenalltag. Ich habe die Leiterin Andrea König gefragt, was für sie interessant und lehrreich an der Ausstellung in ihrem Kulturhaus war.
    Andrea König: Wir waren uns bewusst, dass wir mit dieser Ausstellung sicher eine Kontroverse auslösen können und auslösen werden. Wir waren völlig überwältigt von der Heftigkeit auch, die plötzlich über die Intervention des israelischen Botschafters bei unserem Außenministerium angefangen hat. Plötzlich waren dann die Medien voll und das hat dieser Ausstellung dann wahrscheinlich eine Aufmerksamkeit gegeben, die wir vielleicht sonst nicht bekommen hätten oder nicht in dem Ausmaß. Das Tolle an der ganzen Sache war für mich, schon zu erleben, wie Leute zu uns gekommen sind und wirklich auch sich auf Gespräche eingelassen haben, einerseits mit diesen beiden Soldaten oder Ex-Soldaten, die anwesend waren und die täglich mehrfach durch die Ausstellung geführt haben, untereinander nach der Ausstellung sich noch hingesetzt haben und diskutiert haben. Ich würde meinen, Ziel erreicht im Sinne von es hat eine Debatte ausgelöst und Menschen, die sich sonst nicht begegnet wären, die aber ein gemeinsames Interesse am Thema haben, haben sich ausgetauscht.
    Hübert: Welche Bilder sind denn bei Ihnen in Erinnerung geblieben von den Fotos vor allem, die ja da ausgestellt wurden in Auswahl?
    König: Wir hatten mehrere Stellwände mit Porträts von Soldatinnen und Soldaten gezeigt. Das waren ich weiß nicht mehr genau wie viele. Und mich hat eigentlich beeindruckt: Das sind Menschen wie Sie und ich, junge Menschen, die sicher mit viel Patriotismus auch ihren Dienst leisten in der israelischen Armee. Ja, mich haben diese Gesichter sehr beeindruckt. Dann haben wir daneben Schnappschüsse gezeigt, oder hat "Breaking the Silence" Schnappschüsse gezeigt einfach aus dem Alltag und über die Realität, wie sie ihre Dienstzeit erlebt haben.
    Hübert: Haben Sie nicht irgendwie auch als Kuratorin dann nicht gewirkt, Ihre Verantwortung abgegeben am Garderobenhaken und die israelische Organisation machen lassen?
    König: Ja, das haben wir. Wir wussten einfach, es kommen insgesamt 110 Bilder. "Breaking the Silence" hat uns auch gesagt, wir werden dann eine Auswahl treffen und es wird jedes Mal ein bisschen anders, weil nicht immer dieselben zwei Soldaten oder Ex-Soldaten dabei sind, und die werden sich dann einfach einigen, was sie zeigen möchten.
    Für mich, muss ich Ihnen sagen: Ich kenne den Nahen Osten ziemlich gut. Ich habe auch in Israel gearbeitet eine Zeit lang. Für mich waren die Bilder an sich zumindest keine künstlerische Qualität, es waren keine Kunstfotos, sondern wirklich Schnappschüsse, wie man sie so macht, wenn man irgendwo arbeitet oder Dienst leistet. Eigentlich das Beeindruckende an dieser Ausstellung waren die Führungen durch die beiden Soldaten.
    Hübert: "Breaking the Silence", das Schweigen brechen, das wendet sich ja nun eigentlich vor allem an junge Israelis, um diese, wenn möglich, noch vor ihrem Militärdienst für die Situation in den Palästinenser-Gebieten irgendwie zu sensibilisieren. Nun spielt sich aber die ganze Aufregung in Köln oder jetzt zuletzt bei Ihnen in Zürich ab. Würden Sie, Frau König, denn eine Ausstellung der Gruppe "Breaking the Silence" als Lehre wieder zu sich holen?
    König: Ja. Ich muss Ihnen sagen, ja. Ich habe sehr viel Verständnis, dass ein großer Teil der Kritik kam. Das ist ein innerisraelisches Problem und das sollen die Israelis bei sich zuhause regeln. Das war einer der wichtigsten Kritikpunkte: Wieso zeigt ihr das, das geht uns eigentlich gar nichts an. Und ich denke, es geht uns sehr wohl etwas an. Es ist eine Organisation, auch wenn man ihr das zum Teil abspricht, die sich für Menschenrechte einsetzt. Es ist eine Organisation, die sich auch ethischen Fragen stellt, und es ist eine Organisation - und das ist vielleicht für die Schweiz auch noch wichtig -, es ist eine Organisation, die sich für das internationale humanitäre Recht engagiert.
    Hübert: Sagt Andrea König, Leiterin des Kulturhauses Helferei, über die Gruppe "Breaking the Silence", deren Ausstellung mit Schnappschüssen aus dem Soldatenalltag bei ihr in Zürich, aber nicht ab Herbst in Köln gezeigt werden kann.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.