Donnerstag, 28. März 2024

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Israelreise von Gladbach
Ein "Paradebeispiel für Sportdiplomatie"

Vor 50 Jahren reist mit Borussia Mönchengladbach zum ersten Mal eine deutsche Bundesliga-Mannschaft nach Israel. Das Team sorgt mit seinem Auftritt für so viel Begeisterung, dass es die deutsch-israelischen Beziehungen nachhaltig beeinflusst, sagt Sporthistoriker Lorenz Peiffer im Dlf.

Lorenz Peiffer im Gespräch mit Maximilian Rieger | 22.02.2020
Mannschaftbild Borussia Mönchengladbach mit Meisterschale Hennes Weisweiler, Horst Köppel, Klaus-Dieter Sieloff, Ludwig Müller, Peter Dietrich, Herbert Laumen, Ulrik Le Fevre, Herbert Wimmer, Co Trainer Rudi Schlott (hinten v.li.) Berti Vogts, Hartwig Bleidick, Torwart Wolfgang Kleff, Heinz Wittmann, Günter Netzer (vorn v.li.)
Wenige Monate, bevor die Mannschaft von Borussia Mönchengladbach ihren ersten Meistertitel gewinnt, reist sie im Februar 1970 nach Israel. (imago images / WEREK)
Am 25. Februar 1970 sehen 22.000 Zuschauer in Tel Aviv ein besonderes Fußballspiel. Als erster deutscher Bundesligist spielt Borussia Mönchengladbach mit Stars wie Günther Netzer und Wolfgang Kleff in Israel - obwohl Spieler und Funktionäre sich ursprünglich aus Sicherheitsgründen geweigert hatten, in die israelische Hauptstadt zu reisen. In den Wochen vor der Reise hatte es mehrere palästinensische Anschläge auf Flugzeuge mit Flugziel Israel gegeben.
Am Ende sorgt der damalige Bundeskanzler Willy Brandt dafür, dass die Spieler mit einer Bundeswehr-Maschine auf geheimer Route sicher ankommen. "Man wollte sich nicht die Blöße geben, das Spiel kurzfristig abzusagen", sagt der Sporthistoriker Lorenz Peiffer im Deutschlandfunk. Ob Brandt bewusst gewesen sei, was so ein Spiel auslösen könne, wisse er nicht. "Ich glaube, dass hat vorher keiner wirklich im Blick gehabt."
Überraschung und Freude bei Diplomaten
Denn 25 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs habe man "die Emotionalität von Sport schlicht und einfach nicht auf dem Schirm" gehabt, so der Forscher. Die Maxime beim Aufbau von deutsch-israelischen Beziehung sei immer gewesen, kleine Schritte zu gehen.
Die Diplomaten hätten nie daran gedacht, eine große öffentliche Veranstaltung zu machen, wie zum Beispiel ein Fußballspiel. "Das ist, glaube ich, der Grund gewesen, warum man auf der einen Seite erfreut gewesen ist, aber sich auf der anderen Seite auch überrascht gezeigt hat, dass Fußball so viel bewirken kann", sagt Peiffer.
Ein Spiel, das Begeisterung freisetzt
Im Nachhinein sei das Spiel allerdings als Paradebeispiel dafür zu bewerten, wie Sport politisch eingesetzt werden kann, so der Historiker. Das Spiel habe die Stimmung in Israel gegenüber den Deutschen positiv beeinflusst und die Bahn für weitere politische Annäherung geebnet.
Zwar hatten sich die Beziehungen auf kultureller Ebene bereits seit der Aufnahme von offziellen diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern 1965 entspannt. "Aber dieses Spiel hat offensichtlich doch eine Begeisterung freigesetzt", sagt Peiffer.
Große Symphatie von Seiten der Gladbacher
Die Zuschauer im Stadion hätten die Gladbacher mit Standing Ovations gefeiert - obwohl die Borussen die Heimmannschaft mit 6 zu 0 besiegten. Auch der Tenor in der Presse sei positiv gewesen, berichtet Peiffer, der die Zeitungen von damals auswertet hat.
"Ein Aspekt ist, dass die Israelis ein tolles Fußballspiel gesehen haben. Der andere Aspekt ist die Symphatie, die die Mannschaft offensichtlich gegenüber den israelischen Fans und der israelischen Mannschaft gezeigt hat."
Deutsche-Israelische-Freundschaft auf der Trainerbank
Dass es überhaupt zu diesem Spiel gekommen ist, sei auch der Freundschaft der beiden Trainer zu verdanken - Hennes Weisweiler und Emanuel Schaffer. Schaffers verbrachte einen Teil seiner Jugend in Deutschland, bis seine Familie vor den Nazis zurück nach Polen flüchtete. Seine Familie wurde dann beim Überfall auf die Sowjetunion ermordet, Schaffer überlebte den Krieg.
Ende der 50er-Jahre kehrte er dann nach Deutschland zurück und nahm an der Sporthochschule Köln an einem Trainerlehrgang teil, den Weisweiler leitete. Daraus entwickelte sich eine lebenslange Freundschaft. "Das ist ein ständiger Austausch gewesen, von dem beide sehr profitiert haben", so Peiffer.