Dienstag, 23. April 2024

Archiv


Ist auch drin, was draufsteht?

Mit dem ersten Ansturm kam das Verbraucherportal lebensmittelklarheit.de noch nicht zurecht. Doch einen Monat nach dem Start ziehen die Macher eine positive erste Bilanz: Viele Verbraucher informieren sich hier über Etikettenschwindel im Einkaufsregal und weisen auch selbst auf Ärgernisse hin.

Von Dominik Bartoschek | 17.08.2011
    Der Anfang war ein voller Erfolg und ein Reinfall gleichermaßen: ein Reinfall, weil lebensmittelklarheit.de erst mal zusammenbrach und tagelang nicht erreichbar war. Ein Erfolg, weil dieser Zusammenbruch des Portals eine Folge des großen Verbraucher-Interesses war: Bis zu 20.000 Zugriffe pro Sekunde wurden registriert. Als die Seite dann endlich lief, erhielten die Macher der Seite rund 3000 Nachrichten am Tag. Und auch einen Monat nach dem Start hält dieses rege Interesse an, sagt der Leiter des Projekts, Hartmut König:

    "Wir hatten in der laufenden Zeit immer noch 100 Anfragen pro Tag, und jetzt sind es zwischen 30 und 50."

    Etwa die Hälfte dieser Anfragen sind Produktmeldungen, also Hinweise von Verbrauchern auf Lebensmittel, von deren Verpackung sie sich getäuscht fühlen. Besonders häufig sind solche Beschwerden,

    "wenn mit Früchten geworben wird, und dann ist die Frucht nur minimalst enthalten oder eben nur als Aroma bemerkbar."

    So hat es zum Beispiel eine Bananenschokolade auf die Seite geschafft. Auf deren Verpackung sind zwar ganze Bananen zu sehen, tatsächlich steckte in dem Produkt aber kein einziger Krümel der gelben Frucht.

    Dass dies auf dem Portal angeprangert wird, findet Andrea Moritz nicht in Ordnung. Sie ist Sprecherin des Dachverbandes der deutschen Lebensmittelwirtschaft, dem Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde. Sie verweist im Fall der Bananenschokolade darauf, dass sich der Hersteller an gültiges Lebensmittelrecht gehalten habe. Alle Zutaten seien völlig korrekt deklariert. Eine Täuschung sieht sie nicht:

    "Ich kann es ehrlich gesagt nicht verstehen. Dieses Bild der Banane ist für mich als Verbraucher ein Impuls: ‚Aha, das schmeckt nach Banane'. Und in der Zutatenliste, diese Zutatenliste ist ganz entscheidend, steht immer drin, was enthalten ist."

    So wie in diesem Fall eben Aroma statt Fruchtfleisch. Aber es sind nicht nur fehlende Früchte, über die sich Verbraucher ärgern. Viele monieren auch Slogans und Schriftzüge, die für Natürlichkeit werben, obwohl das Produkt voller Zusatzstoffe steckt. Oder sie ärgern sich über unklare Herkunftsangaben, wenn also zum Beispiel auf dem polnischen Frischkäse eine schwedische Fahne weht.

    Rund 30 dieser beanstandeten Produkte stehen bisher auf lebensmittelklarheit.de. Viel größer aber ist der Stapel der noch unbearbeiteten Beschwerden: 2000 Stück sind in den vergangenen vier Wochen bei der Verbraucherzentrale Hessen eingegangen. Für die Macher ein Riesenerfolg und Beleg dafür, wie notwendig das Portal ist. Für Andrea Moritz vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde dagegen ganz normal und kein Grund zur Selbstkritik.

    "Wenn man mit einem Portal, das generell die Täuschung quasi ausruft, Rückmeldung einfordert, dann ist es natürlich nicht verwunderlich, wenn diese Rückmeldung auch diesen Täuschungsaspekt irgendwie ein bisschen befördert. Also es kann natürlich auch sein, dass Verbraucher aufgrund des Portals jetzt erst mal auf die Suche gehen und finden dann das eine oder andere, wo sie sagen, ‚Na, da schreibe ich jetzt aber mal.'"

    Und das ist nur ein Grund für den Verband, das Portal weiterhin generell abzulehnen.

    "Das ist nicht in Ordnung, die Hersteller halten sich an das geltende Lebensmittelrecht und werden hier trotzdem in dieses Licht der Täuschung gestellt, das ist das, wo wir schon sagen, das sollte es eigentlich nicht geben. Wir fordern einen sachlichen, objektiven Dialog."

    Diesen Dialog haben einige der kritisierten Unternehmen schon längst von sich aus aufgegriffen. Sie haben nach der Kritik von lebensmittelklarheit.de die Rezeptur ihrer Produkte oder zumindest die Aufmachung der Verpackung geändert. Für diese Positiv-Beispiele wurde auf dem Portal eine eigene Rubrik eingerichtet, als Beleg dafür, dass die Kritik von Verbrauchern etwas bewirken kann.

    In diese Rubrik hat es unterdessen auch die Bananenschokolade geschafft. Ihr Hersteller hat das Rezept geändert und steckt in die Bananenschokolade nun immerhin 1,2 Prozent Bananenpüree.