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Istanbul
Irritationen um angebliches Weihnachtsverbot an deutsch-türkischem Gymnasium

Eine deutsch-türkische Schule in Istanbul wollte ihren Lehrkräften verbieten, über Weihnachten zu sprechen. Das meldeten mehrere Medien. Die Empörung war groß. Nun rudert die Schule zurück - und auch das Auswärtige Amt sagt: Ein Verbot hat es nie gegeben.

19.12.2016
    Die Lisesi Schule in Istanbul
    Die Lisesi Schule in Istanbul (dpa / picture alliance / Linda Say)
    In einer Mitteilung der türkischen Schulleitung an die deutsche Abteilung der Schule vom 13. Dezember hieß es, deutsche Lehrer würden "intensiv" Geschichten über Weihnachten und das Christentum erzählen, Fragen zu "Vokabeln der türkisch-islamischen Zivilisation" aber unbeantwortet lassen. Stattdessen gebe es Aussagen und Veranstaltungen, die den Weg für "Manipulationen" freimachten. Die Schulleitung bat darum, an die "nationalen moralischen Werte" zu erinnern - sie habe in den Unabhängigkeitskriegen "Märtyrer geopfert". Daher sei "höchste Vorsicht geboten", diese Art "Gerüchte" nicht zu befördern und nicht gegen die nationale Bildungsgesetze zu handeln.
    Heute gab es dann eine E-Mail der deutschen Abteilungsleitung an die Lehrkräfte, in der es hieß, dass "ab sofort nichts mehr über Weihnachtsbräuche und über das christliche Fest im Unterricht mitgeteilt, erarbeitete sowie gesungen werden" solle. In einer zweiten E-Mail nahm die Abteilungsleitung dieses Verbot wieder zurück: Nach gemeinsamer Sitzung mit der Schulleitung könne man mitteilen, dass kein Verbot, Weihnachten im Unterricht zu besprechen, vorliege.
    Auswärtiges Amt: Kein Weihnachtsverbot
    Das Auswärtige Amt teilte mit, es rechne nun damit, dass "Missverständnisse" ausgeräumt würden. Ein Sprecher des Ministeriums sagte, es habe Gespräche zwischen türkischen und deutschen Verantwortlichen an der Schule gegeben. Er sei zuversichtlich, dass "selbstverständlich" auch über deutsche Weihnachtsbräuche gesprochen werden könne. Niemand verbiete irgendjemandem, Weihachten zu feiern. Es habe an der Schule lediglich Diskussionen darüber gegeben, wie und in welcher Weise über deutsche Traditionen und Bräuche gesprochen werde. Es sei eine Angelegenheit dieser Schule gewesen - über ähnliche Vorkommnisse an anderen Schulen wisse er nichts.
    Empörung in der Politik
    Das Verbot hatte hierzulande für Empörung geführt. Politiker von Union, Grünen und Linkspartei forderten, der Schule deutsche Gelder zu streichen. Das angebliche Verbot wurde von Vielen als Ausdruck der Politik von Präsident Recep Tayyip Erdogan gesehen, der sein Land damit weiter muslimisch-nationalistisch prägen wolle. CDU-Vizechefin Julia Klöckner warf Erdogan "Unsouveränität" vor: Das Wissen über andere Kulturen könne bereichernd sein und stelle den eigenen Standpunkt nicht infrage. "Wer glaubt, andere Kulturen abschotten zu können, erlässt Denkverbote" - und sei noch zu viel mehr fähig. Sie habe die Sorge, dass das erst der Anfang einer Entwicklung von Erdogans Politik sei: "sehr autokratisch, sehr bevormundend".
    Die Bundesregierung sieht dafür keine Hinweise: "Wir haben nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür, dass es ein Mikro-Mikro-Mikro-Management des türkischen Präsidenten gäbe, der sich in Angelegenheiten der Istanbul Lisesi eingemischt hätte", sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes.
    Auf der Homepage der Schule wird nach wie vor ein Frohes Weihnachtsfest gewünscht:
    Screenshot der Homepage der Lisesi-Schule
    Homepage der Lisesi-Schule (Screenshot am 19.12.2016 von istanbullisesi.net)
    Frühere Ministerpräsidenten als Absolventen
    Das Lisesi-Gymnasium ist zwar eine staatliche türkische Schule, hat aber gleichzeitig auch den Status einer deutschen Auslandsschule. Die Schüler werden zum Teil auf Deutsch unterrichtet und erwerben auch das deutsche Abitur. An der Schule sind 35 deutsche Lehrkräfte beschäftigt, die von der Bundesrepublik bezahlt werden. Zu den Zielen der Schule gehört ausdrücklich, die deutsche Kultur zu vermitteln. Die Schule gilt als eine der besten des Landes, zu ihren Absolventen gehören unter anderem die früheren Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan und Ahmet Davutoglu.
    (cvo/tj)