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Italien
Die Angst der "Familienwächter"

Zehntausende Menschen haben in Rom gegen die Pläne der Renzi-Regierung demonstriert, gleichgeschlechtliche Partnerschaften anzuerkennen. Vorne weg das konservative "Familien Forum". Die katholische Kirche trat bei dem Protest kaum in Erscheinung - was keinesfalls heißt, dass sie ihn nicht befürwortet.

Von Tilmann Kleinjung | 30.01.2016
    Im Rahmen des sogenannten "Family Day" demonstrieren am 30.01.2016 Menschen im römer Circus Maximus gegen die Pläne der italienischen Regierung, gleichgeschlechtliche Partnerschaften anzuerkennen.
    Dunkle Wolken über dem Circus Maximus: Demonstration gegen die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. (AFP - ANDREAS SOLARO )
    Die Organisatoren waren zuversichtlich und haben sich für die größte Freifläche entschieden, die Rom für Demonstrationen zu bieten hat. Der Circus Maximus ist (wie der Name schon sagt) sehr groß. Aber so groß? Laut Veranstaltern sollen zwei Millionen Menschen zur Demonstration gegen die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften gekommen sein. An der Bühne unübersehbar ein Plakat: "Die Familie darf nicht verschrottet werden." Das richtet sich gegen den Ministerpräsidenten. Matteo Renzi ist einst als "rottamatore", als "Verschrotter" angetreten. Nun so, Simone Pillon vom italienischen "Familien Forum", plant die Regierung von Matteo Renzi, die Familie zu verschrotten.
    "Es gibt jemanden in unserem Land, der verschmutzt – nicht nur die Erde, nicht nur die Luft. Irgendjemand verschmutzt den Menschen und die Familie. Gott sei Dank gibt es Menschen, die das gemerkt haben. Deshalb sind wir heute hier und sagen: Verschmutzt nicht die Familie!"
    Die katholische Kirche trat bei dieser Demonstration kaum in Erscheinung. Die Bischöfe unterstützten den Protest, überließen das Podium aber engagierten Katholiken wie Simone Pillon. Für den Rechtsanwalt aus Perugia ist das Gesetz, das homosexuelle Partnerschaften Ehen weitgehend gleichstellen soll, eine Mogelpackung.
    "Diese zivile Partnerschaft, die das Gesetz vorsieht, ist nichts anderes als die Homo-Ehe. Wir wissen, dass es sich, auch wenn es anders genannt wird, hier um eine richtige Ehe handelt. Der Europäische Gerichtshof wird nicht lange brauchen, um damit auch das Recht der Adoption und der Leihmutterschaft, also das Recht auf Elternschaft, zu verbinden. Und das verletzt die Rechte der Kinder."
    "Wir warten darauf, dass Renzi seine Versprechen hält"
    Unter die Demonstranten heute in Rom mischten sich auch Politiker aus Matteo Renzis Regierungskoalition. Einige Abgeordnete seiner Demokratischen Partei und vor allem der Juniorpartner in der Koalition, die Mitte-rechts-Partei NCD, sind gegen den Plan, homosexuellen Partnerschaften auch das Adoptionsrecht zuzugestehen, auch wenn sich das nur auf die leiblichen Kinder des jeweiligen Partners beschränken soll. Oppositionspolitikerin Giorgia Meloni fordert die koalitionsinternen Kritiker auf, die Regierung zu verlassen.
    "Wenn man bei solch zentralen Fragen nicht einer Meinung ist, sollte man eine andere Wahl treffen. Die ohnehin schon schwer angeschlagene Glaubwürdigkeit bestimmter Politiker wird dadurch endgültig beerdigt."
    Doch Matteo Renzi, der selbst vor neun Jahren noch gegen die Homo-Ehe demonstriert hatte, braucht die Stimmen der Regierungsmehrheit. Auch für ihn geht es um Glaubwürdigkeit, sagt Marilena Grassadonia vom Verband der "Regenbogen Familien".
    "Renzi hat dieses Gesetz seiner Partei versprochen, als er zum Vorsitzenden gewählt wurde. Und er hat als erster von Adoption gesprochen. Wir warten darauf, dass er seine Versprechen hält."
    Vor einer Woche haben bereits in ganz Italien Befürworter des Gesetzes wie Marilena Grassadonia demonstriert. Den Protest heute im Circus Maximus beobachten sie kritisch. "Das waren maximal 300.000 Menschen, die da zusammengekommen sind", sagt der Sprecher eines italienischen Schwulenverbandes. Die Behörden haben noch keine offiziellen Teilnehmerzahlen veröffentlicht.