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Italien
Die Machtübernahme des Matteo Renzi

Die italienische Politik steht vor einem Neuanfang. Regierungschef Enrico Letta legt sein Amt nieder, wahrscheinlicher Nachfolger wird Matteo Renzi. Er gilt als machthungrig und politisch flexibel. Entscheidend wird aber, ob er seinen markigen Sprüchen auch Taten folgen lässt.

Von Kirstin Hausen | 14.02.2014
    Matteo Renzi
    Matteo Renzi kennt sich mit Selbstmarketing und Inszenierung aus. (dpa / picture-alliance / Alessandro Di Meo)
    Enrico Letta wird heute bei Staatspräsident Giorgio Napolitano seinen Rücktritt einreichen. Nicht freiwillig, sondern weil sich die große Mehrheit seiner Parteikollegen hinter seinen Rivalen Matteo Renzi gestellt hat. Und der verspricht einen drastischen Kurswechsel.
    "Wenn Italien einen radikalen Wandel fordert, muss die Demokratische Partei ihn verkörpern, wer sonst. Wir müssen uns alle zusammen aus dem Sumpf ziehen. Es geht hier nicht um eine Stabübergabe. Es geht nicht darum, weiter in dieselbe Richtung zu laufen, sondern den Horizont zu verändern, das Tempo und den Rhythmus."
    Markige Worte, wie immer. Matteo Renzi haut gerne auf den Putz. Denn das verschafft Medienaufmerksamkeit und nur mithilfe der Medien kommt man auf der politischen Karriereleiter nach oben. Das hat Renzi, mit seinen 39 Jahren ein politisches Kind der Berlusconi- Ära, gelernt und perfekt verinnerlicht. Er weiss, wie Marketing funktioniert, er hat in der Markting-Agentur seiner Familie gearbeitet. Als aufmüpfiger "Verschrotter der alten Parteieliten" hat er sich präsentiert, als der Tony Blair aus der Toskana.
    Jetzt ist er dort, wo er seit Jahren hin wollte. Das Amt des Regierungschefs ist zum Greifen nahe. Jetzt braucht er nur noch den Segen von Staatspräsident Giorgio Napolitano. Den Segen von Silvio Berlusconi, der seinerzeit versucht hatte, Renzi für seine Partei abzuwerben, hat er bereits. Die beiden hatten sich im Vorfeld des Machtkampfes innerhalb der Demokratischen Partei getroffen. Das Foto in den Zeitungen zeigte den Handschlag von zwei Männern, die sich trotz des großen Altersunterschiedes sehr ähneln. Berlusconi und Renzi - sie gehören zu konkurrierenden politischen Lagern, doch für beide sind politische Inhalte durchaus flexibel. Der Machtinstinkt, die mediale Selbstinszenierung und die Rede vom radikalen Wandel sind ihrer beider Markenzeichen.
    "Italien kann ein Land, in dem Ideen entstehen und umgesetzt werden. Eine Art Start-up, das schönste Start-up, das die Welt je gesehen hat."
    Ähnlichkeiten mit Berlusconi
    Eine strahlende Zukunft hatte auch Silvio Berlusconi vor 20 Jahren dem Land versprochen. Obwohl er kurz vorher noch beteuert hatte: niemals würde er in die Politik gehen. So wie Renzi noch vor Kurzem betont hatte, keinesfalls Enrico Letta stürzen zu wollen. Nun wird er nach Mario Monti und Enrico Letta höchstwahrscheinlich der dritte Regierungschef seit 2011, der nicht vom Volk gewählt worden ist. Aber das scheint ihn nicht zu stören. Vorgezogene Neuwahlen stehen für Matteo Renzi nicht zur Debatte.
    "Man könnte denken, dass Neuwahlen eine reinigende Wirkung hätten, aber es gibt da einen kleinen Nachteil. In der jetzigen Situation würden sie keines der Probleme lösen, die vor uns liegen."
    Matteo Renzi, der Problemlöser, der Macher. Für die grassierende Arbeitslosigkeit hat Renzi eine Arbeitsmarktreform vorgeschlagen, die den Namen "JobsAct" trägt, ganz nach amerikanischem Vorbild. Keine seiner politischen Ideen oder Visionen ist wirklich neu und originär. Wenn er über Nachhaltigkeit spricht, ahmt er Nichi Vendola von der links-grünen Bewegung SEL nach, geht es um Wirtschaft und Finanzen, klingt er wie Mario Draghi und wenn er die Italiener unter 30 für sich gewinnen will, wirft er sein junges Alter in die Waagschale und spricht vom Generationenwechsel in der Politik. Die Bürger bleiben angesichts der Machtübernahme durch Matteo Renzi gelassen. Zuviel haben sie in den vergangenen Monaten erlebt. Zu viele Versprechungen und zu viele Enttäuschungen.
    "Renzi ist ein würdiger Sohn Berlusconis. Als Bürgermeister hat er wenig ausgerichtet und als er Parteivorsitzender wurde, hätte er dieses Amt abgeben sollen. Stattdessen häuft er Posten an, so wie alle Politiker in Italien."
    "Renzi kann ein positives Gegenbeispiel sein, aber wenn alle anderen um ihn herum weitermachen wie bisher, dann braucht es mindestens 15 Jahre, bis sich etwas ändert."
    Um die Resignation, die weite Teile der Bevölkerung ergriffen hat, zu beseitigen, braucht es mehr als markige Sprüche. Matteo Renzi muss seinen Worten Taten folgen lassen. Doch zunächst einmal braucht er eine Mehrheit in Abgeordnetenkammer und Senat. Die politischen Ränkespiele gehen also weiter.