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Italien
Don Massimo gegen die Kreuzritter

Ein Geistlicher aus der Toskana nimmt illegale Einwanderer aus Afrika auf. Damit komme er einem Wunsch von Papst Franziskus nach, sagt er. Die Gemeinde protestiert - und hat Italiens Innenminister, Matteo Salvini, auf ihrer Seite. Der Rechtspopulist sieht sich selbst als "Kreuzritter" der "guten" Kirche.

Von Thomas Migge | 06.12.2018
    Don Massimo Biancalani während der Pressekonferenz im Kreis der Kirche von Vicofaro, die Migranten in Pistoia aufnimmt, am 3. August 2018. |
    Don Massimo Biancalani: "Ich tue nur das, wozu Papst Franziskus uns aufgerufen hat." (picture alliance/ dpa/ ANSA/ LUCA CASTELLANI)
    Carla Gentilini wettert gegen den Geistlichen ihrer Gemeinde. Der gefällt ihr ganz und gar nicht, denn, schimpft die resolute Signora, Eigentümerin einer Fleischerei, der kümmere sich doch nur noch um die Einwanderer aus Afrika. Gentilini ist praktizierende Katholikin. Doch in ihre Kirche geht sie nicht mehr. Jeden Sonntagvormittag fährt sie in eine Nachbargemeinde. Zusammen mit zahlreichen Anwohnern hat sie dem Bischof in Pistoia einen Brief geschrieben. Der soll den umstrittenen Geistlichen von Vicofaro versetzen und einen Nachfolger ernennen, der sich mehr um die Gemeinde und weniger um die Ausländer kümmert.
    Grundschullehrerin Angela Frantini denkt anders. Sie hat den Brief an den Bischof nicht mitunterschrieben: "Don Biancalani hat auf mich immer einen sehr guten Eindruck gemacht. Aber seine Initiative sorgt hier für viel Ärger. Das ist eine ziemlich schwierige Situation."
    Pizza und Obdach für illegale Einwanderer
    Hier begann vor etwas mehr als zwei Jahren der katholische Geistliche Don Massimo Biancalani sich um Einwanderer zu kümmern. Um jene, die keine Aufenthaltsgenehmigung haben. Er brachte sie in einem zu seiner Gemeinde gehörenden Gebäude unter, zirka 60 Personen. In diesem Gebäude organisierte er jeden Samstag die sogenannte "Pizzeria des Einwanderers": Gratispizza für alle, auch für Gemeindemitglieder, die so die Möglichkeit hatten, die vor allem aus Schwarzafrika stammenden Menschen näher kennenzulernen.
    Die Pizzeria und das Aufnahmezentrum der Gemeinde wurden vor drei Monaten geschlossen - auf Anweisung der Stadtverwaltung, die, wie sie erklärte, keine, Zitat, "illegalen Schwarzen" auf ihrem Territorium haben will. Der Geistliche wurde ausdrücklich dazu aufgefordert, sich nicht mehr um illegale Einwanderer zu kümmern.
    Vertreter der rechtsextremen Forza nuova kamen am 27.08.2017 nach Pistoia (Toskana). Anlass war der Schwimmbad-Auflug des örtlichen Pfarrers Don Massimo Biancalani mit Flüchtlingen
    Vertreter der rechtsextremen Forza nuova bei einer Demonstration gegen einen Schwimmbad-Auflug für Flüchtlinge, den Massimo Biancalani organisiert hat (DPA/ picture alliance/ ANSA/ TOMMASO GALLIGANIANSA)
    Don Massimo: "Das ist mein Weg, das ist meine Mission und ich tue nur das, wozu Papst Franziskus uns aufgerufen hat. Auch uns Geistliche, sagte er doch, das war 2015, dass jeder Geistliche mindestens einen Einwanderer bei sich aufnehmen solle. Und so öffneten wir hier unsere Pforten."
    "Feind des italienischen Volkes"
    Vor der Schließung des Aufnahmezentrums gab es eine Hausdurchsuchung in der Kirche und im Pfarrhaus, mit gleich 50 Polizeibeamten. "Wie bei einem Mafiaboss", schrieb die Tageszeitung "La Repubblica". Glaubt man Don Massimo, steckt Innenminister Matteo Salvini, Chef der Lega, dahinter: "Seit mich Salvini vor rund einem Jahr auf seinem Twitter-Account als Feind des italienischen Volkes bezeichnete, weil ich mich um Menschen kümmere, die seiner Meinung nach hier nichts zu suchen haben, ist bei mir die Hölle los."
    Scheiben des Pfarrhauses werden nachts mit Steinen eingeworfen, ausländerfeindliche Graffiti auf Hauswänden in Vicofaro sind an der Tagesordnung. Don Massimo erhält anonyme Briefe und neofaschistische Organisationen organisieren Demos vor der Kirche. Eine dieser Organisationen, die der Regierungspartei Lega nahestehende rechtsradikale Forza Nuova, kontrolliert immer wieder die Predigten von Don Massimo. Um eventuelle Aufforderungen zum Gesetzesbruch, wie etwa die Bitte des Geistlichen an seine Gemeindemitglieder, illegal in Italien befindliche Einwanderer in Privatwohnungen unterzubringen, unverzüglich der Polizei zu melden.
    Innenminister nennt sich "Kreuzritter" gegen den Islam
    Die polizeiliche Hausdurchsuchung im ganz großen Stil bei Don Massimo brachte für den Bischof von Pistoia, Fausto Tardelli, das Fass zum Überlaufen. Nach langem Schweigen zum Fall des Geistlichen und der Kritik an ihm bezog Tardelli Position - für Don Massimo und gegen den Innenminister: "Wir haben es hier mit einer unerträglichen Eskalation zu tun. Anstatt aufeinander zuzugehen und gemeinsam nach einer Lösung des Einwanderungsproblems zu suchen, wird aggressiv polarisiert. Es geht hier um Menschen, die von weit her kommen, auf der Suche nach einer neuen Zukunft."
    Salvini spricht in Mikrofone.
    Der Vorsitzende der rechtsgerichteten italienischen Partei Lega, Matteo Salvini (AFP/ANDREAS SOLARO)
    Solche Worte sind Wasser auf Salvinis Mühlen. Er unterscheidet zwischen einer "guten" und einer "schlechten" Kirche und sieht sich als, wie er sich nennt, "Kreuzritter" der "guten" Kirche im Kampf gegen den Vormarsch des Islam: "Ich bin der erste aller Sünder und der unbedeutendste Christ hier bei uns. Ich habe, um ein guter Christ zu sein, immer einen Rosenkranz in der Hosentasche."