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Italien und die Schweiz
Ende der Steuerflucht?

Italien und die Schweiz haben ein Abkommen unterzeichnet, um Steuerhinterziehung vorzubeugen. Von den Maßnahmen betroffen ist vor allem der Finanzplatz Lugano und der gesamte italienischsprachige Kanton Tessin, wo Tausende italienische Grenzgänger arbeiten und Kapital aus Italien in den Banktresoren schlummert.

Von Kirstin Hausen | 05.03.2015
    Der Bahnhof von Lugano um neun Uhr morgens. Nicht mehr viel los. Die meisten Italiener, die morgens zur Arbeit über die Grenze ins Tessin fahren, sind bereits in Büros und Werkhallen angekommen. Silvestro Panetti wartet am Ausgang, an sein dunkelblaues Taxi gelehnt, auf Fahrgäste. Er findet das Steuerabkommen gut:
    "Ich bin einverstanden damit, dass nun Schluss ist mit dem Schwarzgeld aus Italien. Es gibt dort so viele Reiche, die Steuern hinterziehen, während die Italiener, die wenig haben, ihre Steuern bis auf den letzten Cent bezahlen müssen. Das ist doch nicht gerecht. Ich hab wirklich genug von diesem nicht deklarierten Kapital, das in die Schweiz gebracht wurde."
    Der italienische Finanzminister hat das als das Ende des Schweizer Bankgeheimnisses bezeichnet. Im Gegenzug will er die Schweiz von der "Schwarzen Liste" streichen und den Italienern mit Bankkonten in der Schweiz die Möglichkeit zur Selbstanzeige gewähren. Die Luganer Bankangestellte Olga Bucci zeigt sich davon nicht überrascht:
    "Ich glaube, dass viele Steuersünder bereits mit früheren Amnestien, die Italien angeboten hat, ihre finanziellen Angelegenheiten in Ordnung gebracht haben. Auch, weil sie wussten, dass das Bankgeheimnis früher oder später hinfällig wird."
    "Ein Schritt nach vorne"
    Abgeklärt und wenig erstaunt sind die meisten Tessiner angesichts der Vereinbarungen, die die Regierungen in Bern und in Rom getroffen haben. Der Bankensektor habe bereits mit dem Aufkommen der Diskussion um das Bankgeheimnis vor einigen Jahren Personal reduziert und sich neu positioniert, sagt Olga Bucci:
    "Es gab Einschnitte und einige Kollegen sind entlassen worden. Aber viele unserer italienischen Kunden haben ihr Geld nicht abgezogen, sondern es ordnungsgemäß gemeldet. Sie schätzen unsere Seriosität im Vergleich zu anderen Nationen."
    Lugano liegt nicht einmal 50 Kilometer hinter der Grenze. Aus Sicht italienischer Unternehmer und Vermögenden ist es immer noch ein sicherer Hafen für das Ersparte. Aber im Vergleich zu früher kommt doch weniger Geld, da sind sich die Banken im Tessin einig und sie beklagen sich regelmäßig bei der Tessiner Regierung. Deren Präsident Manuele Bertoli erklärt sich "moderat zufrieden":
    "Das Steuerabkommen mit Italien ist ein Schritt nach vorne, auch wenn es nicht das ist, was wir uns vorgestellt haben. Die Schweizer Verhandlungsführer, die wir über unsere Wünsche unterrichtet hatten, haben einige Zugeständnisse gemacht."
    Gemeint sind damit die Vereinbarungen, die die italienischen Grenzgänger und ihr zu versteuerndes Einkommen betreffen. Bisher galt ein Abkommen aus dem Jahr 1974, das eine Pauschalsteuer vorsah, die die Schweiz an Italien überwies. Künftig zahlen die Italiener 70 Prozent ihrer Steuern an die Schweiz und 30 Prozent an Italien. Eigentlich ein sehr gutes Ergebnis für die Schweiz. Wenn das Ganze nicht mit dem Thema der Masseneinwanderungsinitiative verknüpft wäre, über die die Schweizer im Februar vergangenen Jahres abgestimmt haben. Vor etwas mehr als einem Jahr stimmten die Bürger dafür, den Zuzug von Ausländern zu begrenzen und die Tessiner meinten damit vor allem eine Reduzierung der Zahl italienischer Grenzgänger.
    Zu wenig Druck gemacht in Bern?
    Doch nun hat die Regierung in Bern mit Italien vereinbart, dass die neuen Steuerregeln nur dann gelten, wenn die Schweiz davon absieht, den Zuzug aus EU-Mitgliedsstaaten zu begrenzen. Claudio Zali von der "Tessiner Lega" hält das für falsch. Seine Partei macht seit Jahren Stimmung gegen die italienischen Grenzgänger, weil sie der einheimischen Bevölkerung angeblich die Arbeitsplätze wegnehmen.
    "Sollten wir den Willen des Volkes umsetzen und die Zahl der italienischen Arbeitnehmer im Tessin beschränken, sind die steuerlichen Vereinbarungen hinfällig. Und das obwohl ja bereits das Bankgeheimnis aufgegeben wurde."
    Das Tessin habe in Bern mal wieder nicht genug politischen Druck machen können, um seine Interessen durchzusetzen, glauben Zali und weitere Tessiner Politiker. Doch die Nähe zu Italien bringt dem Tessin nicht nur Nachteile. Zum Flair des südlichsten Kantons der Schweiz tragen die italienische Sprache und Kultur entscheidend bei. Und das hilft dem Tourismus, der neben dem Bankensektor ein wichtiger Wirtschaftszweig ist. Jörg de Bernardi, geboren in Basel, aufgewachsen bei Lugano will die italienische Seite des Tessins nicht missen:
    "Dieser Bezug zu Italien, das ist eine spannende Sache. Mailand ist schon sehr südlich, wird so empfunden. Man fühlt sich eben als Tessiner, man ist in diesem kleinen Raum zwischen Mailand und Deutsch-Schweiz und beides ist Ausland."