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Italienischer Haushalt
Rom bleibt stur im Streit mit der EU

Die italienische Regierung will ihre Haushaltspläne durchziehen - obwohl die EU sie abgelehnt hat. Ein starkes Wirtschaftswachstum soll die Probleme lösen, so die Prognosen der italienische Regierung. Experten im In- und Ausland halten das für blauäugig.

Von Jan-Christoph Kitzler | 14.11.2018
    Obere Hälfte einer italienischen Ein-Euro-Münze vor schwarzem Hintergrund.
    Die italienische Regierung will ihre Wahlversprechen erfüllen und die Sparpolitik beenden. (picture alliance / Karl-Josef Hildenbrand)
    Gelassenheit in der Regierungszentrale in Rom - obwohl das vermutlich die letzte Chance war, den Haushaltsstreit mit der EU-Kommission in Brüssel doch noch abzuwenden. Innenminister Matteo Salvini war noch eine Runde joggen, dann traf er sich mit Ministerpräsident Conte und Fünf-Sterne-Chef Luigi di Maio - da hatten Politiker seiner Partei, der Lega schon längst den Kurs vorgegeben, zum Beispiel der Fraktionsführer im Senat, Massimiliano Romeo:
    "Die Regierung hat keine Absicht, einen Rückzieher zu machen. Wir machen weiter mit der Ausgabenpolitik mit Investitionen. Wir wollen Wachstum, nur so können wir unsere Schulden verringern. Im Zweifel muss Europa seine Politik verändern."
    "Deshalb sind wir gewählt worden, um die Austeritätspolitik zu überwinden"
    Am Ende soll es also bei 2,4 Prozent Neuverschuldung bleiben, gemessen am Bruttoinlandsprodukt - obwohl die Vorgängerregierung, angesichts von rund 2300 Milliarden Euro, die Italien an Staatsschulden angehäuft hat, höchsten 0,8 Prozent neue Schulden versprochen hatte. Doch daran fühlt sich diese Regierung nicht gebunden, sagte Luigi di Maio nach der Kabinettssitzung und nach dem Beschluss:
    "Deshalb sind wir am 4. März gewählt worden: um die Austeritätspolitik zu überwinden, eine ausgabenorientierte Politik mit frischem Geld zu machen. Und das erlaubt uns, uns zu entwickeln."
    Der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte beim EU-Gipfel in Brüssel
    Der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte (AFP / Ben STANSALL)
    Die Regierung rechnet dabei schon für das nächste Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent, was Experten im In- und Ausland für blauäugig halten. So geht zum Beispiel der internationale Währungsfonds von höchstens einem Prozent Wachstum aus – was dann wieder die Einnahmen des Staates verringern und weitere Schulden nötig machen könnte.
    Zu geringe Investitionen, teurer Sozialstaat
    Die Experten sind skeptisch, nicht nur wegen des Zustands der italienischen Wirtschaft, sondern auch weil sie im Gegensatz zur Regierung glauben, dass durch die Reformen keine neuen Jobs im großen Stil entstehen werden. Die Einführung einer Grundsicherung und eine frühere Rente für hunderttausende Italiener muss den Arbeitsmarkt nicht automatisch ankurbeln - außerdem werde zu wenig investiert, heißt es, und zu viel Geld für den Ausbau des Sozialstaats ausgegeben. Luigi di Maio, der unter anderem auch Minister für wirtschaftliche Entwicklung ist, bleibt optimistisch:
    "Der Haushaltsentwurf wird nicht verändert, weder was die Verschuldung angeht, noch unsere Wachstumsprognosen. Wir sind davon überzeugt, dass das Land genau das braucht, um neu zu starten. Klar werden wir uns anstrengen, die 2,4 Prozent einzuhalten. Aber für die Italiener gilt: Grundeinkommen, die Rentenreform, all diese Vorhaben ziehen wir durch und dadurch wird 2019 das Jahr des Wandels."
    Der italienische Wirtschaftsminister Luigi Di Maio und Innenminister Matteo Salvini
    Der italienische Wirtschaftsminister Luigi Di Maio (li.) und Innenminister Matteo Salvini (dpa-bildfunk / ANSA / Riccardo Antimiani)
    Eine Eskalation - wie es sie bisher noch nicht gab - droht
    Jetzt liegt der Ball in Brüssel - dort rechnet man damit, dass die EU-Kommission nicht anders kann, als ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, nachdem sie den Haushaltsentwurf Italiens abgelehnt und Nachbesserungen gefordert hatte - und die Regierung in Rom stur bleibt. Damit droht eine Eskalation zwischen der Kommission und einem Mitgliedsland, wie es sie bisher nicht gab.
    Doch das Verfahren könnte noch Monate dauern - und auch mögliche Strafzahlung werden wohl so schnell nicht fällig werden. Die scheidende EU-Kommission könnte zwar einerseits ein Exempel statuieren, andererseits wird sie es wohl vermeiden wollen, den europakritischen Kräften in Italien zusätzliche Munition für den Wahlkampf zum Europaparlament zu liefern.
    Interessanter ist da schon, wie die Finanzmärkte reagieren. Weniger Vertrauen in Italien und damit höhere Risikoaufschläge auf italienische Staatsanleihen könnten schnell kommen - und den Handlungsspielraum der Regierung in Rom deutlich einschränken.