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Italiens autokratischer Politclown

Sie wollten die italienische Politik revolutionieren: Die 5-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo überzeugte Anfang des Jahres ein Viertel der Wähler. Doch nun kämpft die Protestbewegung verstärkt mit internen Konflikten, die sogar eine Spaltung möglich erscheinen lassen. Besonders der autoritäre Führungsstil von Beppe Grillo stößt auf Kritik.

Von Kirstin Hausen | 19.06.2013
    Beppe Grillo ist ein Polterer. Ein Polit-Polterer, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Wenn er bei seinen öffentlichen Auftritten über "die Politiker" herzieht, die sich selbst bereichern und sich nicht um die Nöte der kleinen Leute scheren, ist er immer noch in seinem Element. Doch eines hat sich geändert. Inzwischen sind auch seine eigenen Leute, die Parlamentarier der von ihm gegründeten 5-Sterne-Bewegung, hauptberuflich "Politiker" und stören sich an seinen aggressiven, vernichtenden Rundumschlägen.

    Das Parlament verströme "Leichengeruch" bloggte Beppe Grillo, und die Senatorin Adele Gambaro sagte daraufhin einem Fernsehsender, Grillo müsse jetzt "andere Töne anschlagen" sonst schade er der Arbeit der 5-Sterne-Abgeordneten. Der Stimmenverlust bei den Kommunalwahlen in diesem Monat sei seine Schuld.

    Beppe Grillo hat diese Kritik nicht geschluckt, er blies zum Gegenangriff. Adele Gambaro gehöre ausgeschlossen, verkündete er, und viele seiner Fans klatschten Beifall. Auch Nicola Morra, Sprecher der Grillo-Fraktion im Senat.

    "Wir haben die Senatorin Gambaro angehört, und sie hat ihren Standpunkt wiederholt. Niemand hat die Wahrheit für sich gepachtet, aber meines Erachtens hat die Senatorin Fehler begangen, die ich ihr nicht verzeihen kann. Ich würde gerne wissen, warum sie ihre Kritik nicht in unserer Versammlung vorgebracht hat, sondern im Fernsehen. Dieses falsche Verhalten hat einen enormen Schaden angerichtet. Die Öffentlichkeit interessiert sich nur noch für diese internen Spannungen und das, was Beppe in seinem Blog schreibt. Kaum jemand beachtet noch, was wir politisch machen."

    Dieser Meinung sind aber nicht alle 5-Sterne-Politiker. Einige haben Adele Gambaro öffentlich verteidigt und an die Meinungsfreiheit erinnert. Doch dieses Recht wird in der 5-Sterne-Bewegung zu einem Problem, wenn die Meinung anderer nicht mit der Meinung von Beppe Grillo übereinstimmt. Grabenkämpfe und ein Klima des Misstrauens sind die Folgen.

    "Mit wem kann ich noch offen reden? Mit wem mich austauschen?", fragt ein junger Senator im sozialen Netzwerk Facebook. Es zirkuliert das Gerücht, eine Reihe unzufriedener Abgeordneter wolle der Bewegung den Rücken kehren und eine unabhängige Parlamentsgruppe gründen. Denn Grillo verletzt Mitglieder, die sich mit Herzblut und Idealismus eingesetzt haben. Nun merken sie, dass sie von Grillo an der Kandare gehalten werden. Dabei leisten die 5-Sterne-Abgeordneten in Rom und in den regionalen Parlamenten durchaus Beachtliches, zumal die meisten von Ihnen keine Profipolitiker sind.

    Im Regionalparlament der Lombardei etwa bringen sie konsequent Gesetzesvorschläge ein, die zu weniger Bürokratie und mehr Transparenz für die Bürger führen würden. Auch auf kommunaler Ebene engagieren sich die 5-Sterne-Politiker für Themen, die ihnen im Wahlkampf am Herzen lagen: Gewässerschutz, die Förderung alternativer Energiequellen, einen besseren Zugang zum Internet und direkte Kommunikation mit den Institutionen.

    Doch darüber wird in der Öffentlichkeit kaum gesprochen. Zu groß ist das Medienecho auf die internen Spannungen. Die 5-Sterne-Bewegung beschäftige sich mehr mit sich selbst als mit den Problemen des Landes – das ist die Botschaft, die bei vielen Italienern ankommt. Das erklärt auch die Stimmenverluste für Grillo bei den Kommunalwahlen Anfang des Monats.

    Den übrigen Parteien kommen die Konflikte innerhalb der 5-Sterne-Bewegung gerade recht. Denn die Große Koalition wackelt bereits und könnte am Streit über Sachthemen scheitern. So wird hinter den Kulissen in Rom bereits ein Plan B ausgeheckt. Die Stimmen enttäuschter Grillo-Parlamentarier könnten der stärksten Fraktion der "partito democratico" zu einer Mehrheit verhelfen. Auf lange Sicht will sich die demokratische Partei offenbar nicht auf Silvio Berlusconis Partei der Freiheit verlassen, um Italien zu regieren.