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Italiens mutiger Freigeist

Die Anekdoten um Don Camillo und Peppone machten Giovannino Guareschi weltberühmt. Er gehört zu den populärsten Nachkriegsautoren Italiens, wenngleich er auch zeitlebens politisch umstritten war. Wegen seiner Gesellschaftskritik wurde der Schriftsteller mehrfach inhaftiert, totgeschwiegen und erst 1992 offiziell rehabilitiert.

Von Christina Merziger | 01.05.2008
    "An jenem Morgen habe ich den ersten direkten Kontakt mit der Politik. Der Sozialistenführer und Freund meines Vaters, Giovanni Faráboli, hielt mich aus unserem Küchenfenster und erklärte allen, dass aus mir ein Vorkämpfer der Sozialisten werden würde",

    schreibt der italienische Schriftsteller, Journalist und Karikaturist Giovannino Guareschi über den Tag seiner Geburt am 1. Mai 1908 in Fontanelle di Roccabianca in der Poebene. Genau hier entstanden Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts die ersten sozialistischen Kooperativen. Dieser Guareschi sollte ein typisch emilianischer Hitzkopf und Dickschädel werden. Aus ihm wurde eben kein linientreuer Sozialist, sondern einer, der an Gott, Familie und Vaterland glaubte.
    Mit 40 Jahren gelang dem eigenwilligen Sohn eines Fahrradhändlers und einer Grundschullehrerin mit "Don Camillo und Peppone" ein weltweiter Bestseller. Unvergessen auch die Kinoklassiker - mit Gino Cervi, Fernandel und Jesus am Kruzifix:

    "Jesus: 'Wo hast du die Zigarre her, Camillo?' Don Camillo: 'Peppone hatte doch noch zwei. Ich habe es natürlich so gemacht, dass er nichts davon gemerkt hat. Außerdem ist er ja für die Aufteilung des privaten Besitzes!"

    Heute fast unbekannt ist der Erfinder von "Don Camillo und Peppone": Giovannino Guareschi wuchs in bescheidenen Verhältnissen in Parma auf, später im Internat, wo er bis zum Abitur fleißig Texte und Zeichnungen für die Schülerzeitung lieferte. Hintersinniger Humor war sein Lebenselixir:

    "Der Mensch bleibt ein Spielball der Geschichte, weil er immer wieder dieselben Fehler macht."

    1936 entdeckte der Medienmogul Angelo Rizzoli den angehenden Lokalreporter aus Parma, holte ihn nach Mailand und machte ihn bekannt als Redakteur seiner Satirezeitung "Bertoldo". Doch selbst ein einflussreicher Verleger und Filmproduzent wie Rizzoli konnte den mutigen Freigeist aus der Emilia nicht vor der Zensur im faschistischen Italien retten: Ende 1942 erhielt sein Schützling, inzwischen verheirateter Familienvater, wegen angeblicher Beleidigung Mussolinis ein generelles Arbeitsverbot.
    Eine Odyssee als politischer Gefangener brachte Guareschi über Ägypten nach Hitler-Deutschland.

    "Ich sterbe nicht, selbst wenn sie mich umbringen!"

    Wie er in den Internierungslagern der Nazis überlebte, vertraute er seinem später veröffentlichten "Kriegstagebuch" an. Guareschis Schaffensdrang war beflügelt von Heimweh und Sehnsucht nach einer besseren Welt.

    "Eine kleine Welt, ein Landstädtchen irgendwo in Norditalien. (...) In der klaren Helle bewahren selbst die ärgsten Konflikte noch einen Hauch von Liebenswürdigkeit."
    Weihnachten 1946 erschienen in Mailand die ersten Anekdoten von Don Camillo und Peppone im "Candido" - so hieß die neue, satirische Wochenzeitung des Kriegsheimkehrers Guareschi. Der wertkonservative Idealist fand ein völlig zersplittertes Italien vor, das nach fast 25 Jahren Diktatur zwischen altbewährter Monarchie und neuer Demokratie hin- und herschwankte. Sein "Candido" leistete 15 Jahre lang Aufbauarbeit.

    "Man zankt sich, man schlägt sich, aber man bleibt Mensch!"

    Eine Auswahl von Anekdoten aus dem Candido veröffentlichte der Verlag Rizzoli unter dem Titel "Mondo Piccolo", "Die Kleine Welt", als ersten Schelmenroman einer Don-Camillo-Trilogie. Der Zeitpunkt der Neuerscheinung in Buchform, ein paar Wochen vor den Wahlen am 18. April 1948, war bewusst gewählt. Guareschi befürchtete, dass die gerade gegründete "Erste Republik Italien" ein Satellitenstaat der UdSSR werden könnte. Nach einer landesweiten Werbeplakat-Aktion triumphierte er sogar, er habe zur Wahlniederlage der Linken beigetragen. Wie gewohnt mit einfachsten Mitteln.

    "Ich bin nur ein Journalist, der 300 Worte gebraucht."

    Ab 1950 musste sich der politische Provokateur Guareschi wegen Verleumdungsklagen von zwei ehemaligen Staatspräsidenten erneut vor Gericht verantworten und wurde schließlich zu 13 Monaten Gefängnis verurteilt.

    Nach seiner Entlassung auf Bewährung fand sich der gesundheitlich angeschlagene Emilianer nicht mehr zurecht im "roten Milliardär-Italien", wie er es nannte. Giovannino Guareschi starb am 22. Juli 1968 im Alter von 60 Jahren an einem Herzinfarkt. Er wurde auf dem Friedhof von Roncole begraben, dem Geburtsort des Bauernsohns Giuseppe Verdi.