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Italiens Uni-Mafia

Nach den Ermittlungsberichten verschiedener italienischer Staatsanwaltschaften sind an den Hochschulen von Italien Korruption und Günstlingswirtschaft weit verbreitet. Von einer "Uni-Mafia" ist bereits die Rede. Bildungsministerin Letizia Moratti droht mit einer umfassenden Untersuchung ab September, um gegen die "Baroni" zu ermitteln, die Barone, wie in Italien jene Hochschullehrer genannt werden, die sich wie absolute Herrscher aufführen.

Von Thomas Migge | 04.08.2005
    Im August ist die Universität von Bari im süditalienischen Apulien geschlossen. Eigentlich. Doch in diesem August sieht das ganz anders aus. Auf dem großen Platz vor dem gigantischen Universitätsgebäude, das von Mussolini errichtet wurde, geht es hektisch zu. Polizeiautos mit Sirenen fahren vor und düster dreinschauende Männer und Frauen gehen durch die Portale ein und aus. Nach normalem Hochschulbetrieb sieht das nicht aus, amüsiert sich Ernesto Palazzo, Professor für Psychologie an der Universität Bari:

    "In den letzten Tagen wurde es immer hektischer hier. Kein Wunder, mit jedem Tag werden neue Hintergründe aufgedeckt. Die Stimmung ist wie 1992, als eine Gruppe von Mailänder Staatsanwälten einen korrupten Manager verhaftete und im Zuge der Ermittlungen Italiens größtes Korruptionsnetz aufdeckten. Die Ermittlungen führten zum Sturz von Spitzenpolitikern und zum Auseinanderbrechen von Parteien. Es sieht so aus, als ob sich das jetzt auch im Hochschulbereich wiederholen könnte und das ist gut so. "

    Italiens Hochschulwesen scheint korrupt zu sein. Durch und durch. Das ist das vorläufige Resultat einiger Untersuchungen von Staatsanwälten. Nicht nur in Bari, wo unter anderem gegen eine Gruppe von fünf Professoren für Kardiologie ermittelt wird, die die gesamte medizinische Fakultät unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Sie allein, und nicht die Aufnahmetests, entschieden, welcher Bewerber für einen Arbeitsplatz innerhalb der Fakultät den Zuschlag erhielt. Die Bewerber mussten dafür Schmiergelder an die Professoren zahlen. Von "Italiens Uni-Mafia" ist die Rede und Bildungsministerin Letizia Moratti droht mit einer Rundum-Untersuchung ab September. Staatsanwälte kommen ihr aber zuvor. Sie wollen schon jetzt gegen die "Baroni" ermitteln, gegen die Barone, wie in Italien jene Hochschullehrer genannt werden, die sich wie absolute Herrscher aufführen, erklärt Lucrezia Ungaro. Die junge Frau studiert in Rom Jura und ist der Polizei dabei behilflich, die Korruption der "Baroni" aufzudecken:

    "Ich habe zusammen mit Kommilitonen eine Liste von bemerkenswerten Vorfällen zusammengestellt, die wir der Staatsanwaltschaft Rom übermittelt haben. Dabei geht es um Korruption bei Prüfungen, mit Schmiergeldern, bei Aufnahmeprüfungen und bei der Anschaffung von Geräten und Möbeln. Ohne das Plazet ganz bestimmter Profs läuft hier nichts. Es gibt auch keine Kontrollmechanismen. Wenn das alles erst so richtig bekannt ist, dann wird es eine große Explosion geben. "

    Dann werden, hoffen viele Studierende, die "Baroni" ihre Posten verlieren und Kontrollmechanismen eingeführt, damit sich bestimmte Vorfälle nicht mehr wiederholen. Bisher können Professoren schalten und walten wie sie wollen.

    Weder die Studierende noch das Bildungsministerium haben das Recht, innerhalb der Fakultäten Kontrollen durchzuführen. Was jetzt endlich geschieht - durch Staatsanwälte in ganz Italien.

    In Ferrara zum Beispiel. Dort gingen Staatsanwälte den Klagen von Bewerbern für wissenschaftliche Dozentenstellen innerhalb verschiedener Fakultäten nach. Und siehe da: die Gewinner der Auswahltests standen schon vorher fest, hatten sie doch, so der Vorwurf, dafür gezahlt, damit sie auch sicher die begehrten Jobs erhalten.

    Dazu Mario Miloni, Physiker an der Universität in Rom:

    "Man sollte mal darüber nachdenken, warum all das erst jetzt aufgedeckt wird, denn alle wissen doch schon seit langem, was hier vor sich geht. In Cagliari auf Sardinien zum Beispiel wird doch schon seit Jahren gemunkelt, dass Profs ihre Lebensläufe gefälscht haben, um Posten zu erhalten. Erst jetzt ermittelt die Polizei. In Pisa, ein anderes Beispiel, bewerben sich Nachwuchswissenschaftler, die keine Barone kennen, erst gar nicht. Sie haben ja eh keine Chance. Es müssten Mechanismen entwickelt werden, damit sich so etwas nicht mehr wiederholt. "

    Das meint auch die Bildungsministerin. Sie brach sogar ihre Ferien ab, um die Ermittlungen der verschiedenen Staatsanwälte in ganz Italien zu verfolgen. Sie ist von den bisher aufgedeckten Korruptionsvorfällen so entsetzt, dass sie bereits ankündigte, dass es zukünftig in allen Fakultäten ministeriale Prüfer geben wird, die die Finanzen und die Aufnahme neuer wissenschaftlicher Mitarbeiter und des Lehrpersonals kontrollieren sollen.