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Italowestern runderneuert

Quentin Tarantino verbeugt sich nicht nur tief vor Django, dem mythischen Helden der Italowestern. In seiner Neuauflage dieses Filmgenres erzählt er auch die brutale Geschichte von Sklaverei und Rassismus in den USA - und errichtet der Sklavenhaltergesellschaft ein tiefschwarzes Denkmal.

Von Hartwig Tegeler | 16.01.2013
    Der Ton und die Musik - ja, sie machen einen 'typischen' Tarantino. Nun ja, und dann natürlich die Blutbäder.

    "Wie heißt du? - Django"

    Tarantinos Verbeugung in "Django Unchained" vor dem Italowestern, bei dem nicht nur jede Menge Ennio-Morricone-affine Musik zu hören ist, sondern für die Morricone, Komponist vieler der Spaghetti-Western-Soundtracks, auch im reifen Alter von 84 Jahren noch Stücke lieferte. Das wäre das eine. Die Musik. Das andere, seit "Reservoir Dogs", dem Debüt vor gut 20 Jahren, das sind diese mäandernden Dialoge, mit denen Quentin Tarantino Filmgeschichte geschrieben hat. Und diesem "Tarantino-Rap" gibt seit "Inglourious Basterds" von 2009 der Österreicher Christoph Waltz den Sound, wie jetzt eben auch in "Django Unchained".

    1858, drei Jahre vor dem Bürgerkrieg, bekommen zwei Sklavenhändler Besuch des Nachts von einer seltsamen Gestalt.

    "Einen schönen kalten Abend, Gentleman. Ich bin auf der Suche nach zwei Sklavenhändlern mit dem klangvollen Namen Spekk-Brüder. Wäre es möglich, dass Sie das sind? - Wer will das wissen? - Meine Wenigkeit. Ich bin Dr. King Schultz. Das ist mein Pferd Fritz. - Was für ein Doktor?"

    Kein Doktor, sondern Kopfgeldjäger, der einen der Sklaven, Django, braucht:

    "Dann bist du genau der Mann, nach dem ich suche!"

    Um ein paar Typen zu identifizieren, ihnen den Garaus zu machen und das Kopfgeld einzustreichen.

    "Mit anderen Worten, Marshall: Sie schulden mir 200 Dollar."

    Und so - ´Es war einmal im Wilden-Tarantino-Westen´ - schwatzen, reiten, schwatzen, schießen, schwatzen und lagern am Lagerfeuer die beiden, der Deutsche und der schwarze Sklave in persona Christopher Waltz und Jamie Foxx. Quentin Tarantino öffnet den Vorhang zu den großen Westerngeschichten und -landschaften, lässt seine beiden Helden die Verbrecher zur Strecke bringen, garniert das Ganze - wie gesagt: Tarantino-like - mit viel Blut, um langsam, aber sicher - 164 Minuten Filmzeit sind eine gehörige Strecke - an den Ort des großen Dramas zu kommen. Denn Django, der nun erfolgreiche Kopfgeldjäger-Auszubildende von Dr. Schultz, will nur eines:

    "Meine Frau finden und sie freikaufen!"
    Und weil Jamie Foxx hier ein wenig zu viel T-Bone-Steak im Mund hat, die Übersetzung: Er will seine Gattin finden und mit ihr in den Sonnenuntergang reiten.

    Doch davor stehen noch Leonardo di Caprio als sadistischer Plantagenbesitzer - Schrägstrich - Sklavenhalter und sein afroamerikanischer Hausverwalter, Samuel Jackson, mit denen sich Christoph Waltz und Jamie Foxx ein furios-grandioses Duell liefern.

    "Sehen Sie: Nach den Gesetzen von Chikasaw County ist Brunhilda hier in meinem Besitz. Mein Eigentum. Und es steht mir zu, mit meinem Eigentum zu tun, was immer mir gefällt."

    "Django Unchained" ist eine Film gegen die Sklaverei, gegen Rassismus. Der Sklavenhaltergesellschaft baut Quentin Tarantino ein tiefschwarzes Denkmal, das in einem symbolischen Bild - ganz kurz nur, aber es prägt sich tief bei uns ein - in gewisser Weise auf den Punkt kommt: Wir sehen weisse, wie unschuldig wirkende Baumwollpflanzen und auf sie spritzt Blut. Der Reichtum des Südens ist auf Blut gebaut, sagt uns das Bild. Wie grausam und sadistisch, das spart der Filmemacher nicht aus: Einen Sklaven lässt "sein Herr" - in Anführungsstrichen - von Hunden zerfleischen. Und Djangos Frau wird ausgepeitscht und:

    "Da gibt es was, was ich noch nicht gesagt habe. - Was? - Hildi ist da im Bunker."

    Wo sie zu verrecken droht. Aber Rettung naht in Gestalt von Django.

    1966 in Sergio Corbuccis Film "Django" war Franco Nero - der jetzt bei Tarantino einen kleinen, augenzwinkernden Auftritt hat - der Mann, der mit seinem Maschinengewehr im Sarg "die Herrschenden" in der mexikanischen Grenzstadt hinwegfegt. Tarantinos Django darf sich in gleicher Weise in einem monumentalen Blutbad entladen und die Sklavenhaltergesellschaft in die Luft jagen, so wie die Widerstandskämpfer vor drei Jahren in Tarantinos "Inglourious Basterds" die gesamte Naziführungsriege in einem Pariser Kino erledigen. Mit "Django Unchained" inszeniert der Filmemacher im runderneuerten Gewand des Italowestern wieder einen Befreiungsschlag auf der Leinwand. Ex-Sklave Django wird immerhin zum Herren der eigenen Geschichte wird. Nur, warum ist Quentin Tarantino auch hier wieder so angezogen von all den zerfetzten Leibern, zerschossenen Gesichtern, zermatschen Gliedmaßen. Dabei macht dieser blutige Showdown von "Django Unchained", der einem tatsächlich den Magen umdreht, die Geschichte nicht klarer; alles ersäuft nur im Blut. Aber das, so sagen die Fans, ist eben Tarantino, sein Stil. Dabei ist es doch einfach nur zu viel. Oder man kann es die Besessenheit des Filmemachers nennen.