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IW-Studie
Wohnungsbau an falscher Stelle

Auf Wohnungsnot mit Wohnungsbau zu reagieren, ist oft nicht die beste Lösung, wie eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft zeigt. Teils werde zu viel gebaut - mit weitreichenden ökologischen Folgen. Die Autoren plädieren für Umbau statt Neubau - und für einen Ausbau des Nahverkehrs.

Von Brigitte Scholtes | 22.07.2019
Neubaugebiet in Freiburg. In Deutschland fehlen hunderttausende bezahlbare Wohnungen. : Foto: Winfried Rothermel | Verwendung weltweit
In einigen Gegenden werden Wohnungen über Bedarf gebaut (picture alliance / Winfried Rothermel)
Viele Menschen in Deutschland zieht es in die Städte - doch der Wohnraum dort ist knapp. Das zeigt auch die Studie des IW, des Instituts der deutschen Wirtschaft, in der die Zahl der in den vergangenen drei Jahren fertig gestellten Wohnungen mit dem Bedarf verglichen wird.
Ralph Henger, einer der Autoren der Studie, fasst zusammen: "Wir bauen nicht genügend Wohnungen in den Ballungsräumen und Ballungszentren, und hier muss noch viel getan werden, dass wir die Märkte in einen Ausgleich bekommen."
Zu wenig Personal, zu viele Vorschriften
So wird der Bedarf an Neubauwohnungen in Köln noch nicht einmal zur Hälfte gedeckt, Stuttgart liegt in der Negativliste auf Rang zwei, aber auch in München, Berlin und Frankfurt werden gemessen am Bedarf nur zwischen zwei Drittel und drei Viertel der Wohnungen neu gebaut.
Als Gründe dafür machen die Autoren neben dem steigenden Zuzug vom Land auch das knappe Personal in den Bauämtern, strenge Bauvorschriften und das knappe Personal in der Branche aus. Das umgekehrte Bild zeige sich in einigen Landstrichen, moniert Henger.
"Dort werden die Leerstände nicht genutzt, dort wird verglichen zu den demographischen Voraussetzungen dort und den Leerständen vor Ort zu viel gebaut. Und hier müssen wir umdenken, dass mehr Umbau stattfindet statt Neubau."
Wohnraum als ökologische Katastrophe?
Umbau statt Neubau – dafür plädiert aus ökologischen Gründen auch Niko Paech, Umweltökonom der Universität Siegen.
Er sagte heute Morgen im Deutschlandfunk: "Alles, was in Deutschland das Klima schädigt, erreicht jedes Jahr einen neuen Rekord. Und wenn wir beispielsweise heute eine Nachrichtensendung einschalten, dann ist die erste Meldung oft: Wir haben Wohnraummangel, und es wird dann behauptet, wir müssten noch mehr Wohngebiete erschließen. Dabei weiß jedes Kind, das jeder Quadratmeter Wohnraum, den wir neu erschließen, eine ökologische Katastrophe ist."
Strukturwandel im Osten, Verdrängung in den Städten
Das Problem ist vielschichtig. So forderten ostdeutsche Immobilienverbände Hilfen beim Strukturwandel - der Abriss von nicht mehr benötigtem Wohnraum müsse gefördert werden. Denn dazu fehlt vielen Gemeinden das Geld.
Und schließlich ist da auch noch die soziale Frage in den Städten: Knappheit führt zu steigenden Preisen, also auch zu steigenden Mieten. Das zieht ausländische Investoren an, erklärt Thomas Beyerle, Leiter Research des Immobilieninvestors Catella. Und da gebe es natürlich Verwerfungen.
"Aus ausländischer Sicht ist Deutschland ein sehr unterbewerteter Immobilienmarkt, weil er eben sehr stark auch die soziale Komponente die letzten 40, 50 Jahre – Klammer auf, Gott sei's gedankt, Klammer zu - dargestellt hat. Und da bricht natürlich jetzt etwas auf, viele fallen aus der Mietpreisbindung heraus, gerade die Wohnbauprogramme der 70er-, 80er-Jahre, mit allen Vor- und Nachteilen nebenbei. Das heißt, internationale Investoren sehen Deutschland in der Summe als diversifiziertes Land - man hat also weniger Risiko zu erwarten - und gleichzeitig als hohes unterbewertetes Tatbestand. Das bringt dem einzelnen Mieter natürlich wenig, wenn er so eine solche Aussage hört, denn er wird sich in einem Ballungsraum definitiv darauf einstellen müssen, dass die Investoren natürlich schon Wege finden, um letztlich die Mieterträge dann zu erhöhen, im Normalfall."
Diese Entwicklung müssten die Städte bremsen, fordern die Autoren des IW in ihrer Studie. Das könne auch geschehen, indem sie den Nahverkehr ausbauten. So werde das Umland besser angebunden.