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J.K. Rowling zaubert digital
Auferstanden aus Ruinen

Die Harry-Potter-Schöpferin J.K. Rowling schreibt zum ersten Mal ein Drehbuch - nicht nur für einen Film, sondern gleich eine fünfteilige Reihe. In "Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind" wird New York in Schutt und Asche gelegt und Zauberer haben das Sagen. Aber reicht das für 132 Minuten?

Von Hartwig Tegeler | 16.11.2016
    Autorin J.K. Rowling bei der Europapremiere von "Fantastic Beasts and Where to Find Them" in London
    Autorin J.K. Rowling bei der Europapremiere von "Fantastic Beasts and Where to Find Them" in London (AFP / Ben Stansall)
    New York im Jahre 1926. 70 Jahre vor der Harry-Potter-Geschichte: "Gestern kam ein Zauberer mit einem Koffer in New York an. Einem Koffer voller magischer Kreaturen."
    Berichtet Porpentina Goldstein den Chefs der amerikanischen Zauberergesellschaft. Ein ziemlich misslungener Einstand des berühmten Magie-Zoologen aus Großbritannien hier im Big Apple. Der dann auch bei Tini und Schwester Queenie Einzug hält.
    "Tini, du bringst Herrenbesuch mit. - Das ist Mr. Scamander. Er hat etwas verloren. Und ich helfe ihm, es zu finden." Denn die Geschöpfe, die Newt Scamander in seinem magischen Reisekoffer transportiert, machen ziemlichen Ärger. "Es war wie, wie ein Geist. Ich habe seine Augen gesehen. Und da ist es abgetaucht. Unter die Erde." Und dann taucht das Wesen wieder auf und reißt eine Schneise durch das Pflaster von New York. Und da dann rattern die Festplatten und geben ihr Bestes bei diesen Computerbildern.
    Fantasievolles Abtauchen ins New York der 20er-Jahre
    Es gibt in "Phantastische Tierwesen" schöne, phantasievolle Details aus diesem New York der 1920er und diesem Zauberer-New-York dahinter, für normale Sterbliche nicht sichtbar, bis Newt Scamander mit seinen magischen Tierwesen auftaucht. Und es ist verblüffend, mit welcher Selbverständlichkeit inzwischen computeranimierte Wesen und menschliche Schauspielern in einer Szene miteinander agieren und funktionieren.
    "Keine Panik, es gibt absolut keinen Grund zur Besorgnis." Seit den "Harry Potter"-Filmen, von denen Regisseur Peter Yates vier inszenierte, hat die Filmtechnologie wieder einmal große Sprünge getan. Und es ist ein Vergnügen, Eddie Redmayne alias Newt Scamander, in der ersten halben Stunde des Film zu folgen, wenn er die magischen Tierwesen, die ihm aus seinem Koffer entschlüpft sind, wieder einzufangen sucht.
    Der Niffler beispielsweise mit seinem flauschigem, schwarzen Fell und der langen Schnauze, ein begnadeter Taschen-, wie auch Juwelendieb, der, die oder das wohl zu einer Art Gattung von Beuteltier gehört, denn den, den Beutel, stopft es sich sehr, sehr voll. Und wenn Newt Scamander das Tier erwischt und an den zappelnden Beinen sozusagen ausschüttelt: eine wunderbare Szene.
    Nur ändern diese immer wieder im Film auftauchenden Schauwerte nichts daran, dass die Figuren, die Joanne K. Rowling in der Spin-Off-Serie zu "Harry Potter" entwirft, mit der Komplexität der Figuren des Ur-Kosmos´ nicht mithalten können.
    Dass es natürlich auch in diesem magischen New York einen Oberbösewicht gibt: klar. Von Collin Farrell gespielt, der aber am Ende von Teil 1 seine magische Maske abreißt und sich in Johnny Depp verwandelt, der dann in Teil 2 ganz übernimmt. Die Plattitüden einer Gut-Böse-Dichotomie der Welt, ihr kann Joanne K. Rowling im ersten Film des Fünfteilers nichts hinzufügen. Das wäre vielleicht auch nicht weiter schlimm, wenn nicht gegen Ende des Films mal wieder, Gähn, tiefes Gähn, der Computer und seine blutleeren Bits&Bytes-Zerstörungsorgien das Regiment über den Film total übernehmen.
    New York in Klump hauen wie Roland Emmerich alias "Master of Deseaster" es in seinen besten Zeiten und dann mit dem Happy End per Zauberstab alles wieder ordentlich zusammenfügen. Aus dem Physischen gleiten die Bilder dieses Films so ab in die reine Virtualität. Man riecht förmlich die Greenscreen, vor der die Schauspieler agierten. Dieses typische Problem im zeitgenössischen Blockbuster-Kino könnten nur Figuren mit realen Problemen lösen. Schreiben kann Joanne K. Rowling solche Charaktere. Ihre inzwischen dreiteilige Reihe um den Privatdetektiv Corman Strike - zunächst unter Pseudonym veröffentlicht - beweist das. Aber als Drehbuchschreiberin dieser neuen Kino-Serie ist davon wenig zu spüren.
    Viele ihrer Honorare spendet die wohlhabendste britische Schriftstellerin und nun eben auch Drehbuchautorin Joanne K. Rowling caritativen und sozialen Zwecken. Gut, dann reißen wir uns eben zusammen und halten eben noch vier weitere Teile von "Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind" aus. Auch mit einer Albino-Ausführung von Johnny Depp. Wie gesagt, dann ab Teil 2., weil, bitte: Wo steht denn geschrieben, dass das Leben eines Kinogängers, einer Kinogängerin einfach wäre.
    Natürlich: Das Serielle ist Ausdruck für die Ideenlosigkeit in der Filmfabrik und dem Versuch - in diesem Fall - die Goldene Harry-Potter-Gans in allen Varianten zu schröpfen. Und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, das Joanne K. Rowling von einer einst phantastischen Idee nicht wieder loskommt. Und sie schließlich mit ihrem Magie- beziehungsweise Fantasy-Universum doch in die Falle vom Goetheschen Zauberlehrling getappt ist: "Die ich rief, die Geister werd ich nun nicht los."